Schriesheim im Bild 2023

16.10.2003

Im Haustrunk waren Birnen dabei

RNZ-Serie "Georg Döringers Erinnerungen" - Heute: Wie lief früher die Weinlese ab?

Weinlese 1941: (v.l.) ein Freund der Familie, Georg Döringer, Schwester Babette, Schwester Sighilda und Vater Jakob Döringer.

Schriesheim. (ron) Zum Auftakt der RNZ-Serie "Erinnerungen" erzählt Georg Döringer von der Weinlese in alten Zeiten.

"Gut erinnere ich mich noch an die Weinlese des Jahres 1941. Es war für einige Jahre mein letzter Herbst in der Heimat, denn wenige Wochen später musste ich in den Krieg; nach Russland. Die Familie, allen voran unser Vater Jakob, zog in den Weinberg unterhalb des Branichs. Die Trauben wurden aus den Eimern in einen Handwagen geschüttet und nach Hause gezogen, wo sich der Vater eine Kelter selbst gebaut hatte. Unsere Erträge waren deutlich wechselhafter als heutzutage. Wirkungsvolle Pflanzenschutzmittel standen uns eben nicht zur Verfügung, wir spritzten das Jahr über mit Kupfervitriol und gelöschtem Kalk, wir hatten eben nichts anderes, es musste gehen.

Die Kellergeräte waren damals alle selbst gebaut: Die Traubenmühle und die Kelter. Die war in der Wand unseres Schuppens eingelassen und man musste sich kräftig gegen zwei Eisenstangen stemmen, von der die Presse betätigt wurden. Das war eine harte Arbeit. Unten tropfte dann der Most in einen Holzzuber. Übrigens haben wir unterschieden zwischen einem reinen Traubenwein für die Sonn- und Feiertage und einem Tresterwein, den wir mit einer zweiten Pressung als Hauswein hergestellt haben. Dazu wurde der Trester nach der ersten Pressung mit Wasser übergossen und eingeweicht, dazu kamen gemahlene Birnen - aus allem zusammen wurde dann ein leichter und nicht zu saurer Wein für alle Tage. Hefezusätze hatten wir keine, der Wein vergor, wie es die Natur schuf. Manchmal, wenn es zu kühl war und die Gärung stoppte, nahm mein Vater ein paar Liter in einem Krug aus dem Fass und erhitzte ihn auf dem Feuer, dann wurde der heiße Wein wieder ins Fass geschüttet und setzte die Gärung in Gang. Übrigens haben wir zu jeder Mahlzeit Wein getrunken, den der Vater in einem Krug täglich frisch aus dem Fass gelassen hat. Wenn man nicht aufpasste, bildete sich Schimmel, sobald das Fass immer leerer wurde. Aber die Leute waren früher nicht so empfindlich.

Fast jede Familie keltere damals nicht nur Traubenwein, sondern auch Apfelwein. Wer kein eigenes Grundstück hatte, konnte sich für die Ernte von der Gemeinde die Bäume ersteigern, die am Straßenrand der Talstraße standen. Vier Bäume für eine Ernte kosteten glaube ich etwa zehn Mark. Warum macht man das heute mit den Nuss- und Kirschbäumen an der B 3 eigentlich nicht auch so. Wir haben die Äpfel zu Hause gewaschen und dann zum Mahlen in die Stadt gefahren, meistens zu Herrn Turescht an der Gaulsbrücke oder zu Herrn Brunn in der Heidelberger Straße. Gekeltert haben wir dann wieder zuhause. Im Sommer wurde mehr Apfelwein getrunken und im Winter mehr Traubenwein, aber zwei 300-Liter-Fässer sind im Jahr eigentlich immer leer geworden."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung