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30.12.2013

Wird das Becker-Desaster das CDU-Wahlergebnis belasten?

Wird das Becker-Desaster das CDU-Wahlergebnis belasten?

Michael Mittelstädt ist seit Januar dieses Jahres der Fraktionssprecher der CDU im Gemeinderat. Foto: Dorn
Von Carsten Blaue

Schriesheim. In seinem ersten RNZ-Jahresgespräch als CDU-Fraktionschef musste sich Michael Mittelstädt gleich unangenehmen Themen stellen. Dabei ging es etwa um einen Windkraftantrag und einen Bürgermeisterkandidaten namens Michael Becker.

Herr Mittelstädt, haben Sie die Bürgermeisterwahl mit dem peinlichen Becker-Desaster schon in der Partei verarbeitet?
Ja, wir haben uns viele Gedanken gemacht, was schiefgelaufen ist. Es sind sicher Fehler passiert. Wir haben an die Ehrlichkeit von Herrn Becker geglaubt, und die Realität hat uns eingeholt. Es war die richtige Entscheidung, sich von ihm zu distanzieren.

Fürchten Sie, dass das ein Thema im Kommunalwahlkampf wird oder sich auf die Wahl auswirkt?
Mit der Frage habe ich gerechnet. Ich hoffe, dass die Sachthemen im Vordergrund stehen werden. Aber ausschließen kann ich es nicht. Ich hoffe aber, dass sich das eher in den Diskussionen vor der Wahl auswirken wird und nicht im Wahlergebnis für die CDU.

Sie müssen bei der Wahl ohne Ihre Stimmenbringer Paul Stang, Isolde Nelles und Siegfried Schlüter auskommen. Welches Ziel hat die CDU für die Kommunalwahl?
Die Zahl der Sitze zu halten. Alles andere wäre falsch.

Treten alle Stadträte der CDU wieder an?
Stand heute, ja. Unsere Liste steht in weiten Teilen. Ich bin sehr guter Dinge, dass wir eine gute Liste haben werden, mit Erfahrenen und Jungen, mit Männern und Frauen. Wir sind ja schon die jüngste Fraktion im Gemeinderat. Daher setzen wir im Wahlvorschlag gerne auch auf Erfahrung. Im Januar wollen wir die Liste vervollständigen.

Oft hört man: Die jungen Stadträte der CDU, die kennt man gar nicht. Müssen Sie sich bekannter machen?
Den Vorwurf muss man sich gefallen lassen. Aber: Es ist schwer, solche Präsenz zu zeigen wie die Selbstständigen in anderen Fraktionen. Bei uns sind fast alle Angestellte. Da ist es schwer mit der Zeiteinteilung. Aber sicher müssen wir unsere Präsenz steigern. Ich denke, es ist ja auch schon besser geworden.

Sie sind erst seit diesem Jahr Fraktionssprecher. War es schwer am Anfang?
Nein, denn meine Fraktion hat es mir leicht gemacht. Wir haben intern eine sehr gute Diskussionskultur, wir argumentieren kontrovers, erzielen letztlich aber große Einigkeit. Es ist nicht so, dass bei uns der Fraktionschef alleine entscheidet. Fraktionszwang gibt es bei uns nicht.

War es rückblickend richtig von Ihrer Fraktion, den Haushalt 2013 abzulehnen?
Fangen wir mal mit dem Haushalt 2012 an. Der war komplett mit Schulden und Rücklagenentnahmen geplant. Daher haben wir ihn abgelehnt. Und dann müssen wir jetzt den Jahresabschluss 2012 mit einem lachenden Auge zur Kenntnis nehmen, weil es doch viel besser gekommen ist, und mit einem weinenden, weil man das auch vorher so hätte planen können. Im Haushaltsjahr 2013 lief es genauso. Dabei müsste man mit dem richtigen Maß planen. Für den Haushalt 2014 werden wir eine Debatte führen in dem Wissen, was auf uns zukommt. Wir hatten zwar 2013 erstmals eine Prioritätenliste. An dieser war aber weder ablesbar, was 2012 liegen geblieben ist, noch, was 2014 und 2015 kommen soll. Extrem schwer ist doch alleine die Frage, wie wir die Sanierung des Schulzentrums finanzieren sollen. Da brauchen wir Augenmaß, denn vor uns steht auch ein Kindergartenneubau, die Umgestaltung des Festplatzes und die Entwicklung der Talstraße für die Zeit mit dem Branichtunnel.

Welche Variante für die Sanierung des Schulzentrums favorisieren Sie?
Schwer zu sagen, auch weil wir zwei Punkte diskutieren müssen. Erstens: Wollen wir uns die Schullandschaft weiter so leisten, wie sieht die Schullandschaft künftig aus, und welche Räume brauchen wir dafür? Zweitens: Wie erhalten wir den Schulstandort, und wie sieht er dann aus? Man muss zumindest mit den Nachbargemeinden Hirschberg, Dossenheim und Ladenburg über eine Beteiligung reden.

Machen Sie sich Sorgen um die Innenstadt für die Zeit nach der Tunnelöffnung?
Nein, ich teile die Sorge nicht, dass die Innenstadt dann "ausblutet". Wenn etablierte Betriebe ihre Qualität haben, dann halten sie auch ihre Kundschaft. Wer hier heute gerne einkauft, der tut das auch morgen. Über die Zukunft des Festplatzes muss man ebenfalls reden - auch mit Blick auf den Mathaisemarkt.

Wie meinen Sie das?
Der Mathaisemarkt ist doch ein Tabuthema. Aber er hat sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren verändert. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Das Fest ist heute ganz anders. Früher fand der Mathaisemarkt in den Straußwirtschaften statt, heute immer mehr auf den Straßen. Außerdem muss man sich fragen, ob man wirklich jedes Jahr alle Fahrgeschäfte braucht. Da wird sich vielleicht etwas bewegen müssen. Und damit könnten auch neue Chancen für die Entwicklung des Festplatzes entstehen.

Die CDU hat dieses Jahr einen etwas unverständlichen Antrag zum Stopp weiterer Gutachten in Sachen Windkraft gestellt. Was haben Sie gegen Windräder?
Ich persönlich finde Windräder einfach nicht schön. Sie stören oftmals das Landschaftsbild, da sie an herausragenden Stellen stehen. Aber man muss das emotionslos angehen. Die Hangkante an der Bergstraße ist im Windkraftatlas nicht ausgewiesen, ökonomisch sind Windräder bei uns nur ab 150 Metern Nabenhöhe, und in Frage kommen bei uns sowieso nur Gebiete an der Hohen Waid und am Weißen Stein. Und ob die Erschließung hier so attraktiv ist? Die Frage unseres Antrags war, ob man vor diesem Hintergrund überhaupt weiterplanen und Geld für Gutachten ausgeben muss.

Welchen Eindruck machen die Neubauten auf dem OEG-Areal auf Sie?
Es war immer klar, dass es massiv wird. Aber ein Ziel war ja auch der Lärmschutz für die Schillerstraße, was die B 3 angeht. Noch stehen hier Gerüste und Kräne. Es gibt kein Grün. Also wirkt es jetzt massiver als es später sein wird. Außerdem hatten wir einen Architektenwettbewerb, und alle Planer kamen zu ähnlichen Lösungen.

Bleibt die CDU eigentlich bei ihrer Skepsis gegenüber der Schul- und Jugendsozialarbeit?
Alte Zeiten kann ich nicht beurteilen. Für uns bleibt die Frage, ob wir uns beides leisten wollen oder müssen. Da fehlt uns die offene Diskussion. Ich halte die Schulsozialarbeit inzwischen für fast unstrittig. Und dafür wird ein Weg erarbeitet, genau wie die CDU und andere Fraktionen es vorgeschlagen haben. Bei der Jugendsozialarbeit tue ich mich weiterhin schwer, denn sie wird nicht so viele Jugendliche erreichen wie die Schulsozialarbeit.

Bürgermeister Höfer will zwei Schulsozialarbeiter.
Die Studie könnte das durchaus zeigen, und dann wäre es konsequent. Es ist aber auch eine finanzielle Frage, und wir brauchen kompetente Leute dafür. Das ist ganz wichtig. Es ist uns aber ebenso wichtig, dass dieses Thema ergebnisoffen diskutiert werden kann.

Der Rathauschef fühlte sich von Ihrer Kritik im Bürgermeisterwahlkampf persönlich angesprochen. Man unterstelle ihm, zu wenig zu arbeiten.
Das haben wir doch nie gesagt, sondern teilweise seine Amtsführung kritisiert! Es ging nicht um die Arbeitsmenge, sondern um die Art und Weise. Er muss offen kommunizieren, den Gemeinderat frühzeitiger einbinden. Und das sagt ja nicht nur das "bürgerliche Lager", auch die SPD hat das gesagt. Und die Grünen waren ja auch nicht immer zufrieden. Es ging nie gegen Herrn Höfer persönlich und übrigens auch nicht gegen die Amtsleiter. Sie haben teilweise einfach zu viel zu tun. Man darf die Ämter aber nicht überlasten, etwa das Bauamt. Vielleicht wäre da weniger manchmal mehr. Wir jedenfalls werden weiterhin sachorientiert mit dem Bürgermeister weiterarbeiten, gar kein Problem.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung