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11.03.2014

Kretschmann beim Mathaisemarkt: "Man kann es nicht allen recht machen"

Ministerpräsident Winfried Kretschmann war Festredner der Mittelstandskundgebung auf dem Mathaisemarkt. Seine Rede war alles andere als mitreißend.

Von Carsten Blaue
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Schriesheim. Vielleicht lag es daran, dass er das Cannstatter Volksfest am liebsten mag. Vielleicht lag es auch an seiner dicken Erkältung. Oder vielleicht ist er einfach so. Mitreißen konnte Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Festredner der gestrigen Mittelstandskundgebung des Bundes der Selbstständigen (BDS) auf dem Schriesheimer Mathaisemarkt jedenfalls nicht. Er merkte es offenbar selbst: "Man kann es nicht allen recht machen", sagte er am Ende seiner knapp 40-minütigen Rede. Da lag er richtig. Eine knappe Minute freundlicher Applaus, das war's.

Die Abteilung Attacke fuhr ein anderer, BDS-Präsident Günther Hieber. Er kritisierte Kretschmann für die Abschaffung der Leistungsschauförderung, was bei kleinen und mittleren Betrieben gleich zu Beginn der Legislaturperiode den Eindruck gemacht habe, sie würden von der neuen grün-roten Landesregierung nicht ernst genommen. Zudem stünden Rekordeinnahmen ebenso rekordverdächtige Ausgaben im "Ländle" gegenüber. Und dabei werde noch Geld liegen gelassen, bezog sich Hieber auf nicht verbaute Bundesmittel für den Straßenbau. Der BDS-Präsident forderte eine Beteiligung des Landes an der Klage zum Länderfinanzausgleich und warnte vor der geplanten Lockerung des Gemeindewirtschaftsrechts: "Warum diese Wettbewerbsverzerrung? Es ist nicht Aufgabe der Kommunen, privatwirtschaftliche Unternehmen zu führen." Immerhin sei die Arbeitslosigkeit niedrig, "und Autos werden bei uns auch noch gebaut", ätzte Hieber. Keine gute Vorlage für den grünen Ministerpräsidenten, der schon zu Beginn seiner Rede stolperte, als er Bürgermeister Hansjörg Höfer als "OB" ansprach. Gelächter im warmen Festzelt, in dem Wein- und Wurstdunst hing.

Kretschmann fing sich mit allgemeinem Dank an den Mittelstand, auf dessen Schultern der Wohlstand ruhe. Gleichwohl sei das Land arm an Kindern. Eine Folge sei der Fachkräftemangel: "Wir werden also auch auf Zuwanderung angewiesen sein." Wohl eine Begründung für eine großzügige Doppelpass-Regelung, die Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein am Freitag in den Bundesrat einbringen wollen. Danach plätscherte Kretschmanns Rede weiter. Festzelttauglich, also mitreißend, überraschend und unterhaltsam, war sie nicht.

Hier sprach der bodenständige Landesvater, der den Technologietransfer in die Betriebe und die Entwicklung Ressourcen schonender Premiumprodukte forderte. Seinen Dienstwagen führte er als Beispiel dafür an: "Eine Daimler-S-Klasse". Auf das Raunen im bis zu den Stehlplätzen gefüllten Festzelt reagierte Kretschmann gut: "Ich kann als Ministerpräsident von Baden-Württemberg ja nicht Fiat fahren." Der einzige Lacher an diesem Nachmittag. Der Ministerpräsident war geradezu ernst: "Wenn wir im globalen Forschungswettbewerb nicht bestehen, geht's uns an den Kragen." Wie sollte da das Viertele noch schmecken? Dass Bundesgelder für den Straßenbau nicht genutzt wurden, sei Berlins Schuld. Die Mittel seien am Jahresende gekommen. Außerdem sei ihre geplante Verwendung nicht akzeptiert worden. Legenden solle hier also niemand stricken, so Kretschmann, der den Investitionsstau bei der Infrastruktur gar nicht leugnen wollte. Den sprudelnden Steuereinnahmen setzte er die Notwendigkeit zur Balance zwischen Sanierung, Investition und Konsolidierung der Finanzen entgegen: "Und wir können nicht sparen, ohne dass es jemand merkt." Und schließlich die Klage gegen den Länderfinanzausgleich. Hiebers Forderung konterte Kretschmann mit einer Warnung: "Da kann man auch verlieren, und dann zahlen wir noch mehr." Immerhin bei der Förderung der Leistungsschauen, von denen es auch beim Mathaisemarkt eine gibt, kam der Landesvater dem BDS-Präsidenten entgegen: "Wegen 150.000 Euro will ich's mir mit euch nicht verderben. Da reden wir noch mal drüber." Aber besser in einem anderen Rahmen als gestern.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung