Schriesheim im Bild 2023

30.10.2003

Nord-Quartier nur "ökologisch orientiert"

Aber Freie Wähler und CDU setzen das letzte Stückchen des Neubaugebietes trotz seiner dichten Bebauung durch - Heftige Diskussionen

So soll das "Öko-Quartier" im Neubaugebiet "Nord" aussehen. Repro: Dorn

Schriesheim. (ron) Das "Öko-Quartier" im künftigen Schriesheimer Neubaugebiet "Nord" ist nicht mehr "ökologisch". Von diesem Etikett rückte der Gemeinderat gestern Abend einhellig ab. Das dicht bebaute 1,6 Hektar große Gebiet ist höchstens noch "ökologisch orientiert", mehr aber nicht. Dafür wurde aber um die Sozialverträglichkeit des Quartiers am Ratstisch heftig diskutiert.

Mit den Stimmen von FWV und CDU wurde das Gebiet als letzter Teil des Neubaugebietes trotzdem auf den Weg gebracht. Ökologische Nachbesserungen, die von den Grünen beantragt worden waren, lehnten die andere Gemeinderats-Fraktionen mit Hinweis auf steigende Kosten weitgehend ab.

Riehl hatte vor der Debatte die "Irritationen" (Riehl) der letzten Tage gestreift, in deren Zuge Umwelt-Gutachter Dr. Michael Gagelmann seine Beratertätigkeit für die Stadt niedergelegt hatte (wir haben berichtet). "In der Güterabwägung ist das Quartier nicht hundertprozentig ökologisch", gestand der Bürgermeister zu und warb für das neue Etikett: "Familienfreundliches Bauen mit einer ökologischen Orientierung." Gagelmann, der die Sitzung übrigens verfolgte, habe die Stadt "gut beraten, aber wir haben eine andere Intention".

Mit dieser Meinung versammelte der Rathauschef die Mehrheit aus Freien Wählern und CDU hinter sich. "Familienfreundliches Bauen ist eben nur auf diesen kleinen Parzellen möglich", bewertete FWV-Chef Heinz Kimmel und Fraktionssprecher Friedrich Ewald gab zu Bedenken: "Die Wohnqualität hängt nicht nur mit der Größe des Hauses zusammen." CDU-Stadtrat Paul Stang hieb in die gleiche Kerbe: "Kinder- und familienfreundliches Bauen anzubieten", formulierte er, "ist besser als eine übertriebene Ökologie". Als Schulstadt müsse Schriesheim den jungen Familien die Möglichkeit geben, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Soziale Konflikte, wie von der SPD wegen der geringen Häuserbreite befürchtet, wollte er nicht sehen.

"Ist eine Wohnung in einem großen Wohnblock vielleicht sozialfreundlicher als so ein Haus", lautete seine Frage an SPD-Rat Frieder Menges, der schwere Verbalgeschütze auffuhr: "Wer solche Häuser baut und verkaufen will, der gehört eingesperrt", schimpfte er. Soziale Konflikte seien programmiert, wenn die Menschen "wie Ölsardinen in der Dose" leben. Außerdem werde das Wort "Öko" im geplanten Quartier "nur missbraucht". Grünen-Stadtrat Hansjörg Höfer verstand die Welt nicht mehr: "Öko ist es nicht mehr, jetzt soll es auf einmal ein kinderfreundliches Gebiet sein, nur weil es klein und günstig ist".

Mit dem Wegfall der Ökologie hätte FDP-Stadträtin Dr. Birgit Arnold noch leben können, heftig kritisierte aber auch sie die " mangelnde Sozialverträglichkeit" des dicht bebauten Gebietes. "Wir müssen eben auch die Menschen schützen und nicht nur die Umwelt", so die Liberale, die das Fehlen von Spielplätzen und Grünflächen bemängelte. Riehl warnte: "Planen Sie doch nicht den Krach in diesem Gebiet als Dogma." Größere Bauplätze seien doch gar nicht vermarktbar, und schließlich sei Schriesheim als Schulstadt auf Familien mit Kindern angewiesen.

Vor allem Menges' Äußerungen sorgten am Ratstisch teilweise für Befremden. "Eine Wortwahl, die unter die Gürtellinie geht", erregte sich FWV-Rat Dr. Wolfgang Metzger. Und CDU-Stadträtin Claudia Philipp-Schwöbel konterte: "Wenn die SPD hier junge Familien mit Kindern als asozial hinstellt, dann ist nicht die Etikettierung des Öko-Gebietes falsch, sondern jene der SPD." Ähnlich argumentierte ihr Fraktionskollege Peter Seubert, der leicht triumphierend erklärte: "Wenn es die SPD schon nicht macht, dann erkläre ich mich eben zum Stadtrat des kleinen Mannes." Menges Fraktionschef Hans-Jürgen Krieger sprang seinem Genossen zur Seite: "Solche Äußerungen sind doch nur aus der Sorge entstanden, dass dort unten nicht besonders menschenfreundliche Dinge geschehen."

Der in der Sitzung anwesende Conceptaplan-Architekt beschrieb das "Öko-Quartier" eingangs der Sitzung als Gebiet mit "einer eigenen Charakteristik". Er legte Wert auf die Bezeichnung "durchgrüntes Baufeld" und stellte eine "hochwertige Landschaftsgestaltung" zwischen den Häuserzeilen in Aussicht. Seiner Meinung nach, sind die Reihenhäuser keineswegs zu klein: "Eine mittelgroße Familie kann darin bequem leben." Im nicht-öffentlichen Teil der Gemeinderats-Sitzung beriet das Gremium den Verkauf der geplanten 12 000 Quadratmeter im "Quartier" an die Dossenheimer Firma Conceptaplan. Wie es heißt, bezahlt das Unternehmen dafür rund fünf Millionen Euro, allerdings offenbar in weit gefächerten Raten.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung