Schriesheim im Bild 2023

10.11.2003

Ein Meilenstein im alten Zehntkeller

Schriesheim rockte zum Riesling: Auftritt der Spencer Davis Group wurde lauthals bejubelt - Spätburgunder statt Barolo

"Keep on running": Natürlich war der Zehntkeller "ausverkauft". Foto: Dorn

Von Roland Kern

Schriesheim. Wolfgang Amann, Schriesheims "Mr. Rock'n-Roll", hatte nachmittags schon eine kratzige Stimme. "Zu viel geraucht", zwinkerte der Zigarrillo-Genießer, "bevor er bei der T-Band zur Gitarre griff." Es könnte aber auch sein, dass Wolfgang Amann, neben Harald Weiss der Erfinder der Musikreihe "Rock'n-Riesling", in den letzten Tagen zu viel gesungen hat. "Keep on running" und "Gimme some lovin'". Wahrscheinlich beides, vor lauter Aufregung. Es war für die Schriesheimer Riesling-Rocker ein besonderer Abend am Samstag: die britische Rock-Legenden-Band Spencer Davis Group zur zehnten "Rock'n-Riesling-Nacht". Für Weiss und Amann ein Traum, seit die beiden die Gruppe im letzten Jahr im Lorscher Rextheater gesehen haben. Am Samstag wurde dieser Traum also wahr.

Mittags um drei Uhr kam Spencer Davis mit seinen Männern in Schriesheim an. Dem kräftigen Gitarristen Miller Anderson sieht man den "Rock-Opa" ein bisschen an: Vollbart, die übrig gebliebenen Fusselhaare nach hinten gekämmt, buntes T-Shirt über dem beachtlichen Bauch. Seine Bandkollegen gehen aber auch als Versicherungsverkäufer durch - rein äußerlich, versteht sich. Die wilden Zeiten sind vorbei.

Im Hotel Scheid genehmigte sich der Bandchef erstmal ein ausgedehntes Mittagsschläfchen, während zwei Leute seiner Mannschaft im Zehntkeller schon mal den "Soundchek" vornahmen. Amanns T-Band fetzt schon tierisch ab, als die "Spencers" abends gegen neun Uhr ausgeruht die Kellertreppe heruntersteigen und in die Garderobe schlendern. Von Anspannung oder gar Aufregung natürlich keine Spur, nach 40 Jahren auf den Bühnen der Welt. Anders die Schriesheimer Veranstalter. "Wir glauben erst jetzt, dass alles klappt", atmet Weiss auf. Nicht auszudenken, wenn ein Musiker kurz zuvor krank geworden wäre. Ein Verkehrsunfall: "Es kann doch heute so viel passieren." Aber nichts ist passiert: 400 Fans warten nicht vergebens auf die Spencer Davis Group.

Die T-Band heizt seit kurz nach acht Uhr ein. Klaus Schenk als Sänger und Frontmann zieht alle Register, glüht den Keller mit eingängigen Refrains vor. Der Riesling flößt Mut ein (ein Viertel und ein Schriesecco gab's als Jubiläumsgeschenk für jeden Gast extra), die Erwartungen steigen hoch. Amann plaudert auf der Bühne, dass an diesem Tag für ihn ein Lebenswunsch in Erfüllung gehe. Das sieht man ihm an. Und nach einer Stunde und einer Zugabe räumt er hingerissen die Bühne für Musiker, die zu seinen Idolen gehören.

Mit "Keep on running" als Eröffnungsong lassen die ergrauten Stars keinen Zweifel: Ihre gut zweistündige Show wird ein Parforceritt durch die Rockgeschichte (Besprechung des Konzertes siehe Seite "Rhein-Neckar-Main" der heutigen Ausgabe). Die Fans bekommen mächtig auf die Ohren, manchem klingelt der Gehörgang noch bis zum nächsten Morgen. Aber die Spencer-Davis-Group ist eben keine Vorstadtband mit Hobby-Verstärkern. Die ganze Professionalität und Bühnenerfahrung ist bewundernswert. Die Musiker, vor allem Anderson und Bassist Colin Hodgeson, aber auch Eddi Hardin an den Keyboards: sie scheinen mit ihren Instrumenten wie verwachsen zu sein. Generationen von Schülerbands waren diese Männer Vorbilder. Eine Gänsehaut setzt sich von Reihe zu Reihe fort. So etwas hat der altehrwürdige Zehntkeller noch nie erlebt.

"Das ist nicht mehr zu toppen", lacht Wolfgang Amann nach dem Konzert. "Muss es auch nicht sein", ergänzt Weiss, "das war einmalig". Der clevere Geschäftsführer hat übrigens ganz locker und mit voller Absicht das Kleingedruckte im Vertrag mit der Band zu seinen Gunsten interpretiert. Ziemlich genau stand dort vorgeschrieben, womit die Musiker vor, während und nach des Auftritts zu verköstigen sind. Da wurde auch ein "guter Rotwein" verlangt, "italienischer Barolo oder französischer Bordeaux". Weiss fackelte nicht lange. "Ham' wir nicht", erklärte er und entkorkte dafür einige Flaschen Schriesheimer Spätburgunder und Dornfelder. Nach dem ersten Schluck waren Spencer Davis und seine Leute mit der neuen Schriese-Klausel vollauf einverstanden. Von Barolo redete niemand mehr. Spencer Davis ließ sich sogar vor Weiterfahrt einen Karton in seinen Mietwagen packen. "Für lange Winterabende in Californien." Schwierig wird's jetzt nur, wenn im nächsten Vertrag irgendwo auf der Welt Schriesheimer Spätburgunder verlangt wird.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung