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19.12.2014

Schriesheim: Die "Nachtigallen" sangen "auch mal was Schönes"

Und das den ganzen Abend lang: Die Band machte das letzte Konzert in der Geschichte des Hotels "Zur Pfalz" zum großen Finale.

Schriesheim. (sk) "Feiern, bis der Arzt kommt", "Isch werd' zum Hersch": Wortspiele gibt es viele diesseits und jenseits des Tresens, wenn das Thema auf die bevorstehende Schließung des Gasthauses "Zur Pfalz", den Ärztehaus-Bau und den Neuanfang von Wirt Jürgen Opfermann im "Goldenen Hirsch" kommt. Musikalisch wurde das bevorstehende Ende der "Pfalz" mit viel Abschiedsschmerz verarbeitet, als die "Nachtigallen" zum letzten Konzertabend im großen Saal aufspielten. Unterschwellige Melancholie ließ sich schon wegen der großen Zahl langsamer Stücke nicht leugnen, allerdings tat die Combo, allen voran Sängerin Jutta Werbelow, ihr Möglichstes, diesen Eindruck durch selbstironische Anmoderationen und musikalische Gags zu korrigieren.

Als eine der ersten wurde "Praktikantin" Heike Schumacher anmoderiert, die zum ersten Mal mit den "Nachtigallen" musizierte, mit Werbelow allerdings seit 1996 immer wieder auf der Bühne stand; angefangen hatte alles mit Hollaender-Abenden, bei denen die Pianistin sich als kongeniale Ergänzung zu Werbelows glasklaren Chanson-Interpretationen entpuppte und trotz einer Abendgage von (damals) 11,34 Mark zu Wiederholungen bereit war. Aus dieser Historie präsentierten sie den "Neandertaler" von "Insulaner"-Kabarettist Günter Neumann: Das ist ein ganzer Kerl, dem man den Lendenschurz waschen und das Fell auf dem Schulterblatt kämmen darf, bevor man am Schopf in die Höhle gezogen wird. Wer weiß, ob nicht auch Werbelow das ideale Beuteschema des Jägers und Sammlers gewesen wäre, wie sie mit vibrierend lasziver Stimme von den Vorzügen des Mannes mit dem Meisterringerkörper sang.

"Here comes the rain again" geriet dagegen zu einer ernsteren Angelegenheit, mit Synthesizer-Tönen vom Keyboard war dieser verfremdete Song genauso ein Genuss wie das gedehnte Sade-Medley oder "Hide Your Love Away" von den Beatles, und, als eins der rockigsten Stücke, das mächtige "Tie Your Mother Down" von Queen - auch ganz nach dem Geschmack von Gitarrist Martin Haaß. Ihren Spaß an eigenwilligen Interpretationen trieben die "Nachtigallen" mit einem Stück auf die Spitze, das Rolf Schaude als "das intellektuellste in unserem Repertoire" ankündigte. Was man zunächst für ein zart hingetupftes Intro des "Doors"-Hits "Riders On The Storm" hielt, entpuppte sich einige Takte später als schräge Version von Michael Jacksons "Thriller", das Werbelow mit schmutzigem Schurken-Lachen ausklingen ließ. "Man Eater" und "Yellow Submarine" wurden ebenfalls gegen den Strich gebürstet, zuvor gab Schaude noch ein bemerkenswertes, beinahe artistisches Solo von einem transkribierten Nachtigallen-Gesang. "Die Nachtigall hört sich tagsüber das Gezwitscher der anderen Vögel an und baut es in ihren eigenen Gesang ein", bemerkte dazu Singvogel-Fan und Musiker Dieter "Bluesgosch" Reinberger im Publikum. Er war es auch, der die Band gegen Ende des Abends frech aufforderte: "Singt doch mal was Schönes."

Nach ihrer phänomenalen traditionellen Abschluss-Nummer "Hotel California" mit Didgeridoo taten sie ihm den Gefallen: Den Gastgebern widmete Werbelow am Ende eine Zugabe voller Gefühl, Schmalz und garniert mit einem ironischen Sahnehäubchen. Es erklang eine bittersüße Version von Céline Dions "My Heart Will Go On" aus dem Film "Titanic", die das Publikum hingerissen beklatschte. Und die beiden so Besungenen, Opfermann und Lebensgefährtin Katerina Gein, gaben dazu Kate und Leonardo, wie es sich gehört: mit ausgebreiteten Armen und verzücktem Grinsen. Ein bisschen wehmütig und ein bisschen stolz über den würdigen Abschluss.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung