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08.01.2015

Schriesheim: Die Uhr im Alten Rathaus schlägt wieder im Viertelstundentakt

Schriesheim: Die Uhr im Alten Rathaus schlägt wieder im Viertelstundentakt

Voller Stolz präsentierte Helmut Weber (re.) mit Bürgermeister Hansjörg Höfer das Ergebnis seiner Arbeit. 30 Stunden geht die Uhr jetzt, bevor man sie wieder aufziehen muss. Foto: Dorn

Von Stephanie Kuntermann

Schriesheim. Wer alte Möbel mag, dem ist die dunkel schimmernde, barocke Standuhr im Alten Rathaus sicher schon aufgefallen. Sie steht in der Ecke des Trauzimmers auf einem selbst gezimmerten Sockel und passt so gut in das historische Interieur, als hätte sie nie anderswo gestanden. Hat sie aber, und zwar zuletzt bei Waltraud und Günter Knapp auf dem Branich.

Aus Platzgründen wollte die Familie das gute Stück abgeben oder einem Uhrenmuseum zur Verfügung stellen. Dass es anders kam, war VHS-Leiter Frank Röger zu verdanken. Der beschloss, das antike Kleinod für die Stadt zu "erhalten". 2006 war es, als er mit dem damals neu gewählten Bürgermeister Hansjörg Höfer in dessen Campingbus bei Knapps vorfuhr und es abholte - als Dauerleihgabe.

Einige Jahre stand der schwere eichene Uhrenkasten dann im Trauzimmer. Weil dort aber keine einzige Wand gerade ist, bestand die Gefahr, dass er kippte, und auch an das Uhrwerk wollte sich niemand so recht heranwagen. Dann kam ein weiterer Zufall zu Hilfe: Über den holländischen Uhren-Sachverständigen Walther Brouns, der die Turmuhr im Erdgeschoss besichtigte, kam der Kontakt zu Helmut Weber zustande.

Der Schriesheimer ist Ingenieur und restauriert außerdem antike Uhren. Er baute das Werk aus, zerlegte es daheim in seine Einzelteile und spürte seiner Geschichte nach. Die Zinnkartusche über dem Ziffernblatt ist graviert mit der Aufschrift "Gerardus Steffens in Achen". Nachforschungen ergaben, dass der Hersteller aus Stollberg bei Aachen stammte und im Einwohner-Namensregister als "serrurier" (Schlosser) eingetragen war. Der Vergleich mit einer anderen Uhr des Meisters legt ein Herstellungsdatum vor 1787 nahe.

Die Mechanik ist zeittypisch: Ein Zuggewicht an einer endlosen Kette läuft über eine Rolle. Das vermutlich originale Pendel kann man über eine Schau-Öffnung im Gehäuse betrachten. Oben am Uhrenkasten kann man einen Blick auf die Mechanik mit ihren Zahnrädern werfen. Sie war bedeckt mit einer Schicht verharzten Öls, das sich über die Jahrhunderte dort ablagerte. "Durch die natürlichen Fette, die damals verwendet wurden, verklebte die Mechanik", erklärt Weber. Mit der Zeit ging sie schwerer. Das originale Zuggewicht wurde durch ein schwereres ersetzt, damit die Uhr weiter lief. Doch dadurch wurde die innere Reibung verstärkt, die Radzähne der Zwischenräder nutzten sich stark ab. Nach dem Entfetten und Reinigen musste Weber sie zum Teil nachschleifen, ersetzte zwei fehlende Zähne, überprüfte Lager und Zapfen, justierte Hebel und Befestigungen und schmierte Lagerstellen.

Zum Schluss polierte er noch den Ziffernring und brachte eine neue Goldfassung auf die Verzierungen auf. Den Uhrenkasten mit seinem floralen, spätbarocken Dekor, das aus dem massiven Eichenholz geschnitzt ist, konnte er belassen, wie er war: Vermutlich wurde er einst von Waltraud Knapps Vater Otto Hopf, ebenfalls Uhrenliebhaber, hergerichtet. Der erhielt die Uhr vor über 40 Jahren von Verwandten in Küssaberg an der Schweizer Grenze als Geschenk, zusammen mit ihrem Original-Kasten. Schade, bedauert Weber beim Termin mit der RNZ, dass der nicht mehr da sei. "Er hat bei ihm lange als Schirmständer gedient", sagt Waltraud Knapp lachend und verspricht, den hölzernen Kasten vorbei zu bringen. Zwar hat Weber bereits einen Sockel gebaut und den Uhrenkasten oben mit einer langen Schraube an der Wand befestigt. Doch zusammen mit dem Original-Kasten wäre die Uhr dann auch wieder vollständig, freut er sich. Für seine Arbeit will er keinen Lohn. Für ihn und Knapps ist es schon Freude genug, dass das historische Kleinod mittlerweile einen angemessenen Platz gefunden hat.

Zu guter Letzt demonstriert Weber voller Stolz das Ergebnis seiner Arbeiten. Er setzt das Werk in Gang, und die Uhr beginnt zu laufen. 30 Stunden geht sie jetzt, bevor man sie wieder aufziehen muss. Die Viertelstunden werden jeweils mit lautem Schlag angekündigt. Wie schon vor 230 Jahren.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung