Schriesheim im Bild 2023

24.11.2003

Daran hätte auch Luther seine Freude gehabt

"Lange Lesenacht" in der Stadtbibliothek mit "Luther"-Autor Guido Diekmann - Das Mittelalter zog ins Schulzentrum ein

Schriesheim. (fr) Ganz im Zeichen des "Historischen Romans" stand die zweite "Lange Lesenacht" in der Schriesheimer Stadtbibliothek. Die Organisation der "Langen Lesenacht" teilten sich die VHS Schriesheim und die Mitarbeiter der Stadtbibliothek. Kräftig unterstützt wurden sie von den "Ohrwürmern", die für die Musik sorgten und der Theatergruppe "Palette".

Ein Glücksgriff der Organisatoren - auf Vorschlag von Utes Bücherstube - war die Lesung des Autors Guido Diekmann. Der las vor rund 100 Gästen aus seinem Buch "Luther". Der Roman diente als Vorlage, zu dem jetzt angelaufenen, gleichnamigen Film über den großen Reformator.

Empfangen wurden die Besucher im Foyer des Gymnasiums. Passend zum Thema waren die Organisatoren in mittelalterliche Gewänder gekleidet. Zur Begrüßung führte "Ohrwurm" die Teilnehmer mit mittelalterlicher Musik in die Bibliothek. Eine Gruppe junger Frauen tanzte dazu in anmutigen Schritten um die Musiker herum. Aus einem in Leder gebundenen Buch führte der Zeremonienmeister die Gastgeber den Schriesheimer vor. Jeder der "geadelten" Akteure des Abends wurde aufgerufen und gab ein kleines Gedicht zum Besten.

Schnell wurde deutlich, was das Herzensanliegen der "Langen Lesenacht" sein sollte: Nach den desaströsen Ergebnissen der PISA-Studie im letzten Jahr, solle der Mensch wieder öfter zum Buche greifen und sich bilden: Es muss mehr gelesen werden! Um die Qual der Wahl um das richtige Buch zu erleichtern, wurde in der Bibliothek ein Tisch mit historischen Romanen aus dem Bestand der Schriesheimer Stadtbücherei aufgebaut. Im Foyer hatte Utes Büchstube einen Stand mit den Werken des Schriftstellers Dieckmann errichtet. Nach der amüsanten und intelligent gemachten Begrüßung in der Bibliothek zogen die Teilnehmer, allen voran die Musiker von "Ohrwurm", in die Aula des Gymnasiums. Das Foyer war liebevoll im historischen Kontext dekoriert. Sofern es möglich war, die tristen Betonwände des Schulgebäudes überhaupt vor den Augen der Zeitgenossen zu verbergen. Keine Mühen wurden gescheut: Sogar einen voll beladenen Heuwagen hatten die motivierten Organisatoren in das Foyer geschafft.

In der Aula hob dann der Star des Abends zu seiner Lesung an. "Dass wir Dieckmann vor einem dreiviertel Jahr verpflichteten, das war echtes Glück. Wir wussten ja nicht, dass er jetzt durch den Film so bekannt werden würde", schmunzelte Thomas Michael, Leiter der Stadtbibliothek, unter seinem gefederten Hut. Für den ersten Teil seiner Lesung in zwei Akten wählte Diekmann die Passage, in der Luther nach seiner Reise zum Heiligen Stuhl erste Zweifel an der Praxis und dem Weltbild der katholischen Kirche kommen: "In Rom regiert der Wucher". Gelassen und mit ruhiger Stimme trug der Autor aus seinem Werk vor. Dabei saß er auf einem altertümlichen Stuhl, mit Armlehnen und Polster, wie er nur Hochwohlgeborenen vorbehalten war.

Dass sich die immense Arbeit, die sich die Gastgeber für die Schriesheimer gemacht hatten, "auf viel Schultern verteilte", war einer der Gründe, der den Abend so gelingen ließ. "So macht es mehr Spaß, weil es nicht ganz so viel zu tun gibt und außerdem macht es die Sache auch vielfältiger: es gab so viel tolle Ideen!" schwärmte Regine Hindorf von der Theatergruppe "Palette". Es ist den Veranstaltern gelungen, mit ihrer Freude an Kultur und Bildung ihr Publikum mitzureißen. Die "Lange Lesenacht" war ein rundum gelungener und inspirierender Abend.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung