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21.11.2015

Mobbing-Prävention an Schriesheimer Gymnasium: "Gewalt wird nicht akzeptiert"

Katerina Gein und Daniel Hentschel leiten neues Projekt am Heinrich-Sigmund-Gymnasium

Schriesheim. (sk) Besprechung im Lehrerzimmer. Ein mächtiger Schlag bringt die Tür zum Beben, Katerina Gein sieht nach, wer den Lärm verursacht hat. Drei Jungs stehen da, einer sagt: "Wir brauchen den Schlüssel für unser Klassenzimmer." Die Theaterpädagogin bleibt ruhig, sagt: "So, jetzt mache ich die Tür wieder zu, und ihr klopft noch einmal anständig an." Die Kinder gucken verdutzt, die Tür schließt sich. Zaghaftes Klopfen, die Tür geht auf, einer sagt: "Dürften wir bitte den Klassenzimmer-Schlüssel haben?" Er bekommt das Gewünschte, Gein dreht sich grinsend um. Es ist eine spontane kleine Lehrstunde über das neue Projekt am Heinrich-Sigmund-Gymnasium (HSG).

Das beschäftigt sich mit Mobbing-Prävention, und auch wenn es merkwürdig klingt: Gute oder schlechte Manieren haben damit zu tun. "Rüpelhaftes Verhalten auf dem Schulhof und im Gebäude", drückt es Lehrer Daniel Hentschel erfrischend unzeitgemäß aus, "kann schon eine Vorstufe zu Mobbingsituationen sein." Er und Gein leiten das Präventionsprogramm an der Schule, das auf Erkenntnissen des norwegischen Professors Dan Olweus beruht.

Er leistete ab 1970 Pionierarbeit und führte die weltweit erste wissenschaftliche Untersuchung zum Thema durch. Sein Präventionsprogramm wurde an mehr als 20 000 Schülern evaluiert und ist mittlerweile in acht Ländern verbreitet. Nun auch in Deutschland: Das HSG ist eine von zwölf Schulen, die hierzulande mit dem Programm arbeiten wollen. Gefördert wird der Einstieg von der Baden-Württemberg-Stiftung und begleitet mit Erhebungen und Studien vom Uniklinikum Heidelberg.

Zwei Umfragen, berichten Gein und Hentschel, habe es bereits gegeben: In einer wurden die Schüler detailliert zu ihren Erfahrungen mit Gewalt und Quälereien befragt, in der anderen äußerte sich das Kollegium zur Teilnahme am Programm. "Das HSG liegt im europaweiten Durchschnitt", sagt Hentschel zum Ergebnis der Schüler-Befragung. Gein weiß: "Die Schüler sind heutzutage mehr sensibilisiert." Ebenso die Lehrer, Sekretärinnen, Hausmeister und die Verwaltung: Sie stimmten für die Einführung des Programms, so dass die 35 Erwachsenen nun in drei Gruppen an dem Programm arbeiten. Rollenspiele gehören dazu, Diskussionen, ein Präventionskomitee und Supervisionen.

Als erstes stellt das Programm vertraute Denkmuster infrage. Täter-Opfer-Kategorien seien ihm fremd, sagt Hentschel. "Alle Menschen an einem Ort sind verantwortlich für eine Mobbingsituation", erklärt er, "aber besonders die Erwachsenen." Deshalb liege der Schwerpunkt auf deren Schulung und dem Einüben eines "autoritativen" Verhaltens. "Das ist nicht dasselbe wie autoritär", sagt der Pädagoge. Es bedeute, ruhig und freundlich zu bleiben, dafür aber unbedingt konsequent.

Ein Pausenaufsichtsbuch soll es geben. Nach Gewalttätigkeiten oder anderem ist geplant, sofort mit den Beteiligten Gespräche zu führen. Die Botschaft solle klar sein, sagt Hentschel: "Gewalt wird nicht akzeptiert." Zudem gibt es vier Regeln für die Klassen: "Wir werden Schüler nicht mobben; wir werden versuchen, Schülern, die gemobbt werden, zu helfen; wir werden uns Mühe geben, Schüler einzubeziehen, die leicht ausgegrenzt werden", lauten sie und: "Ist uns bekannt, dass jemand gemobbt wird, werden wird das dem Klassenlehrer und zu Hause melden."

Dass das auf Dauer funktioniert, glauben beide. Sie präsentieren noch eine Zahl: Mobbingprobleme an Schulen, die das Programm anwendeten, seien um 50 bis 70 Prozent zurück gegangen, zwei Jahre nach Einführung des Programms habe sich die Wirkung sogar noch verstärkt. Nebeneffekt: Auch anderes antisoziales Verhalten wie Sachbeschädigung, Diebstähle oder Schwänzen seien weniger geworden.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung