Schriesheim im Bild 2023

22.12.2003

Riehl: "Müssen verzichten lernen"

Schriesheimer Gemeinderat schloss das Jahr mit wenig optimistischen Aussichten ab - Prämie für Urban

Von Roland Kern

Schriesheim. Schade eigentlich, dass Metzgermeister Karl Forschner nicht mehr im Gemeinderat ist. Denn dann könnte sich das Schriesheimer Gremium völlig autark ernähren und somit die Finanzkrise ohne entscheidenden politischen Gewichtsverlust überstehen. Am Freitagabend, als der Gemeinderat sein kommunalpolitisches Jahr abschloss, war die Ernährungsfrage jedenfalls geklärt: Von Bauer und CDU-Stadtrat Ludwig Jäck kam der Aperitif: ein "Luisecco", Winzervorstand und FWV-Fraktionschef Friedrich Ewald lieferte drei Sorten Wein. Wenn man jetzt noch weiß, dass Grünen-Stadtrat Hansjörg Höfer Bäckermeister ist, und neben Ludwig Jäck auch noch Waltraut Becker und Karl-Heinz Spieß erzeugende Landwirte sind, dann schließt man daraus, dass Schriesheims Parlament wenigstens nie Hunger zu leiden hat. Wenn auch das Geld noch so knapp ist. Immerhin ein Trost.

Denn allzuviel Hoffnung auf baldige Gesundung der Stadtfinanzen legten die versammelten Stadtmütter und - väter nicht gerade an den Tag, als sie am Freitag Weihnachten und damit den Abschluss des Jahres feierten. "Es wird uns im Jahr 2004 nicht besser, sondern gravierend schlechter gehen", wollte Bürgermeister Peter Riehl in seiner Weihnachtsansprache nichts beschönigen. Zum Sparen, erklärte er zum Beispiel, sei es schon zu spät, die Lage zu schlecht. "Wir müssen lernen zu verzichten", forderte Riehl und meinte damit durchaus nicht nur die Kommunalpolitiker, sondern die Gesellschaft ansich. Und er scheute sich nicht, auf die letzte Sitzung von Altenbach anzuspielen: "Ich hoffe nicht, dass alle sagen: verzichten ja, aber nicht bei mir." Riehl wünschte sich für das neue Jahr, "dass wir wieder mehr kommunale Politik betreiben, denn das ist uns ein Stück weit verloren gegangen". Mit Lob und einer Sonderprämie bedankte sich der Verwaltungschef übrigens bei seinem Bebauungsplanexperten Friedhelm Urban - "einem der sachkundigsten Männer im ganzen Rhein-Neckar-Kreis", so sein Chef.

Vizebürgermeister Siegfried Schlüter war es, der als Ausrichter der Gemeinderats-Weihnachtsfeier versuchte, trotz Krisenzeiten gute Laune zu verbreiten. Es gelang ihm sogar mit witzigen Bonmots. "Ich bin hier die Vorband, wie früher die Jazzer bei den Beatles", grinste er bei seiner eigenen Ansprache, "während alle auf Herrn Riehl als Hauptredner warten". Wie einst Sportreporter Moravetz bei Skilangläufer Behle, so fragte der Stellvertreter in die Runde: "Wo bleibt Riehl?" Der Bürgermeister saß noch im Verwaltungsrat der Sparkasse und eilte mit Verspätung zu seinem Gemeinderatsessen. Gerade als Eintracht-Bassist Peter Brenner das Lied vom "Herrgott" anstimmte. "Das ist Ihnen gewidmet", flachste Schlüter - eine Anspielung, die Riehl nicht wirklich lustig fand. "Wenn ich der Herrgott wäre, müsste ich noch viele schwarze Schafe auf den guten Weg bringen", konterte der Chef des "Vize". Im Verlaufe des Abends vergaßen die Stadträtinnen und -räte die schlechten Zeiten und genossen den letzten Abend in dieser Zusammensetzung: denn im Juni sind Gemeinderatswahlen. Vielleicht bahnen sich ja neue Konstellationen an. Denn die Weihnachtslieder zur Eröffnung spielten die Trompeter Peter und Ludwig Jäck (ausgemachte "Schwarze") gemeinsam mit Peter Brenner und der SPD-Kandidatin Dr. Maria Bullinger-Baier am Klavier. Das Quartett harmonierte ausgezeichnet, was Siegfried Schlüter schon launnig von einer "Großen Koalition" schwärmen ließ.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung