Schriesheim im Bild 2023

24.12.2003

Es ist Zeit, mit einem Vorurteil aufzuräumen

Menschen mit Trisomie 21 können ein ganz "normales" Leben führen - Hirschberger Selbsthilfegruppe trifft sich regelmäßig in Schriesheim

Genießen gemeinsam das adventliche Beisammensein: (v. l. n. r.) Nathalie Eichler, Meike Schulz, Elke Schulz, Beathe Keller, Sebastian Keller, Diana Geiß, Pascal Geiß, Richard Schulz

Hirschberg/Schriesheim. (stm) Die 19jährige Meike Schulz aus Großsachsen wünscht sich zu Weihnachten CDs und eine große Stehlampe für ihr Zimmer. Sie wohnt bei ihren Eltern und geht noch zur Schule. Aber etwas, das unterscheidet Meike von anderen Menschen. Meike hat Trisomie 21.

Das ist keine Krankheit und erst recht kein Leiden. Normalerweise hat ein Mensch in jeder Körperzelle zweimal 23 Chromosomen. Bei Menschen mit Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt, ist das Chromosom 21 statt zwei- dreifach vorhanden. Es handelt sich bei Trisomie um eine genetisch bedingte Veranlagung, die nicht vererbbar ist. Die Ursache dieser Gegebenheit ist heute noch weitgehend unbekannt. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang auch, gleich mit anderen Vorurteilen auszuräumen: Der Ausdruck "Mongoloide" ist nicht nur für die Betroffenen äußerst verletzend, er ist zudem falsch, weil Menschen mit Trisomie 21 natürlich nichts mit Mongolen zu tun haben. Nicht mehr zutreffend ist, dass Menschen mit Down-Syndrom früh sterben, nie Lesen und Schreiben lernen können oder, dass ihnen gar die Fähigkeit zu denken fehlt. Es hat sich heute eine ganze Menge geändert: Die früher häufig zum Tode führenden Schädigungen im Magen-/Darmbereich, die Infektionen und Herzerkrankungen, die zweifelslos bei Menschen mit Trisomie 21 häufiger auftreten können, werden heute (wie bei anderen Kindern auch) erfolgreich behandelt. Im schulischen Bereich haben diese Menschen viele Fähigkeiten, Krankengymnastik und Frühförderung geben für die motorische Entwicklung spezielle Hilfen.

Meike geht zur Zeit noch in die Graf-von- Galen-Schule in Heidelberg-Pfaffengrund. Das ist eine Sonderschule mit sehr kleinen Klassen bestehend aus vier bis acht Schülern. Einige Jahre ging sie in die Fröbelschule in Wieblingen. Sie war dort in einer sogenannten "Kooperationsklasse", in der sowohl nichtbehinderte, als auch behinderte Schüler unterrichtet werden. Elke Schulz, Meikes Mutter sagt, das funktioniere in der Regel sehr gut. Wenn die nichtbehinderten Schüler von Eltern und Lehrern richtig aufgeklärt würden, hätten Behinderte meistens positive Auswirkungen aufs Klassenklima. Meike war bereits im Kindergarten mit Nichtbehinderten zusammen. Für den Kindergarten in Leutershausen war es das erste Mal, dass dort alle gemeinsam untergebracht wurden. In Großsachsen sei dies damals, so Richard Schulz, Meikes Vater, nicht möglich gewesen. Auch der acht Jahre alte Pascal Geiß hat das Down-Syndrom. Er geht derzeit in die zweite Klasse der Heiligenbergschule, ebenfalls in eine Kooperationsklasse. Pascal ist glücklich, in eine ganz "normale Schule gehen zu dürfen". Er kann bereits seinen Namen und einige Wörter schreiben. Mit dem Lesen hapere es aber noch ein wenig, so seine Mutter Diana Geiß.

Die Entwicklung der Kinder mit Down-Syndrom triftet sehr weit auseinander. Die Unterschiede unter den Kindern mit Down-Syndrom seien, so Richard Schulz, ganz beträchtlich, vielleicht noch größer als bei den übrigen Menschen. Seit Mai 1988 leitet Familie Schulz eine Selbsthilfegruppe für Eltern, die Kinder mit Down- Syndrom haben. Richard Schulz sagt, das Bedürfnis sei bei vielen Eltern vorhandern, sich über die Probleme bei der Kindererziehung auszutauschen. Derzeit sind in der Gruppe 50 Familien aus dem gesamten Rhein-Neckar-Raum organisiert. Man trifft sich jeden zweiten Donnerstag im Monat um 20 Uhr in der Gaststätte "Zur Pfalz" in Schriesheim (ohne Kinder) zum Stammtisch. "Wir erreichen immer noch viel zu wenig Leute und wünschen, dass sich das in Zukunft ändert", so Richard Schulz. Es habe sich in den vergangenen 20 Jahren vieles positiv gewandelt. "Die Eltern verstecken ihre Kinder nicht mehr zu Hause."Aber dennoch bleibt viel zu tun. Denn: "Es ist natürlich bequemer die Betroffenen in eine Behindertenwerkstatt abzuschieben, als sich den ganzen Tag mit ihnen zu beschäftigen." Von einer Behindertenwerkstatt hält auch Meike wenig: "Ich will nicht den ganzen Tag Röhrchen zusammenschrauben", sagt die Neunzehnjährige. Mit Berufsaussichten sieht es leider immer noch sehr schlecht aus.

Weihnachten steht vor der Tür und natürlich haben auch die Kinder große Wünsche. Pascal hat sich bereits festgelegt: "Ich will ein Motorrad." Die etwas schüchterne Nathalie überlegt eine Weile, dann sagt sie: "Zu Weihnachten wünsche ich mir ein Pferd." Menschen mit Down-Syndrom haben, wie alle anderen auch, Wünsche. Sie brauchen nicht unser Mitleid, sondern wir sollten ihnen Respekt entgegenbringen und sie als vollwertige Menschen akzeptieren.

INFO: Selbsthilfegruppe "Down-Syndrom", Ansprechpartner Familie Schulz/ Großsachsen: Tel.: 06201/52963. Arbeitskreis Down Syndrom e.V. in Bielefeld: Tel.: 0521/44 29 98. www.down-syndrom.org

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung