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27.07.2016

Vortrag bei "Gegenwind Schriesheim": Windräder als Gesundheitsgefahr?

Hirschberger Arzt hielt Vortrag bei "Gegenwind Schriesheim" - Wissenschaft uneins über Risiken

Schriesheim. (fjm) Können Windkraftanlagen die Gesundheit von Anwohnern schädigen? Livio Slesina, berufsgenossenschaftlicher Arzt aus Hirschberg, ist davon überzeugt. "Wir werden seit Jahren falsch über Windkraftanlagen informiert", sagte Slesina kürzlich bei seinem Vortrag "Gesundheitsgefährdung durch Windkraftanlagen". Dazu hatten die Bürgerinitiativen "Gegenwind" aus Hirschberg und Schriesheim ins "Neue Ludwigstal" eingeladen.

Mehr als 200 Studien zu diesem Thema habe er selbst gelesen und verglichen, sagt Slesina. Sein Fazit: "Wir wollen eine Energiewende bewirken, aber das geht zulasten unserer Gesundheit." Der Stein des Anstoßes: Windkraftanlagen produzieren besonders an den Spitzen der Rotorblätter durch Luftverwirbelungen sogenannten Infraschall. Dass dies tatsächlich der Fall ist, hat die baden-württembergische Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LBU) in einer von 2013 bis 2015 erarbeiteten Studie bestätigt. Dieser Infraschall liegt unter den für Menschen hörbaren Frequenzen, ist aber dennoch vorhanden, mess- und wahrnehmbar.

Seit längerer Zeit bringen Gegnerinnen und Gegner der Windkraft diesen Infraschall mit verschiedenen Gesundheitsbeschwerden in Verbindung: Dazu gehören Bluthochdruck, Konzentrations- und Schlafstörungen, Schwindel sowie teilweise auch Menstruationsstörungen oder Atembeschwerden. "Wir spüren diesen Infraschall als Vibration, ähnlich wie Bässe in einer Diskothek", erläuterte Slesina (Foto: Kreutzer).

In Deutschland mangelt es an belastbaren Studien

Allerdings geht das LBU nach wie vor davon aus, dass "schädliche Wirkungen durch Infraschall bei Windenergieanlagen nicht zu erwarten" seien. Andere Studien machten für die erwähnten Symptome teilweise eine Art umgekehrten Placebo-Effekt verantwortlich: Die Erwartung, durch Infraschall Beschwerden zu erleiden, führte zu einer tatsächlichen Wahrnehmung dieser Symptome. Überzeugend findet Slesina dies nicht.

Er verwies in seinem Vortrag auf Studien und Erfahrungsberichte aus Dänemark, Kanada und Australien. Einige davon genügen wissenschaftlichen Standards. Andere, zum Beispiel von Nina Pierpont, wurden im Forschungsdiskurs wegen gravierender Fehler bei der Durchführung regelrecht zerpflückt. "Sie kommen aber alle zu dem gleichen Ergebnis", sagt Slesina. Das ist aus seiner Sicht eine "Gesundheitszerstörung" der Anwohner. Abstandsgrenzen würden "willkürlich" festgesetzt, Gesundheitsrisiken "fahrlässig" ignoriert.

Einig ist sich die Forschung zu dieser Thematik nur darin, dass in Deutschland ein Mangel an belastbaren Studien herrscht. Strittig ist der tatsächliche Effekt von Windkraftanlagen auf die menschliche Gesundheit nach wie vor. Die LBU kam zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass Verkehrswege wie Straßen oder Eisenbahnlinien deutlich mehr Infraschall verursachen als jedes Windrad.

Einig war man sich bei dem Vortragsabend, dass Abwarten keine Option sei. "Wir müssen alle gemeinsam kämpfen", sagte Karl Brand, Initiator der Bürgerinitiative in Hirschberg, der sich nach Slesinas Vortrag so richtig in Fahrt redete. Wenn nötig, müsse man auch auf die Straße gehen: "Wir müssen aus der freundlichen Zuschauerecke rauskommen und Widerstand leisten."

Die Besucher sahen das ähnlich. Brand gebühre "Dank und Anerkennung", sagte einer unter aufbrandendem Applaus. "Wir dürfen nicht nur regional Widerstand leisten. Wir müssen an den Kern, nach Europa", meinte ein anderer. Doch zunächst wollen die Unterstützer der Bürgerinitiativen ihre Mitmenschen in Schriesheim und Hirschberg überzeugen, nicht zuletzt die Mitglieder der Gemeinderäte.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung