Schriesheim im Bild 2023

10.08.2016

Auch Schriesheimer Betriebe leiden unter dem Mangel an Lehrlingen

Gute Azubis sind auch in der Region Bergstraße schwer zu finden - Praktika könnten jedoch dabei helfen

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Wie es läuft? "Schlecht", sagt Ursula Höfer von der gleichnamigen Bäckerei. "Wir suchen seit einem halben Jahr, aber haben bis jetzt niemanden gefunden." Auszubildende sind selbst kurz vor dem Beginn der Lehrzeit Mangelware, auch in Schriesheim.

Rolf W. Edelmann, Vorsitzender des Schriesheimer Bunds der Selbstständigen (BDS), sagt: "Ich glaube nicht, dass Schriesheim außergewöhnlich betroffen ist. Aber in ganz Deutschland werden ja noch über 40 000 Lehrlinge gesucht." Die Ursache des Problems sieht er in mangelnder Berufsberatung. "Früher war das verpflichtend, auch mit Einzelgesprächen. Heute ist es schwierig, künftigen Lehrlingen zu vermitteln, wie vielfältig ihre Aufgabenbereiche sind."

Höfer sieht das Hauptproblem bei ihrer Suche nach Auszubildenden dagegen bei den Arbeitszeiten im Bäckerberuf: "Das geht von 4.30 Uhr bis 18.30 Uhr - nicht gerade Traumarbeitszeiten." Für die Backstube und den Laden sucht die Bäckerei, doch bis jetzt hat sich für keine der beiden Stellen ein Bewerber gefunden.

Die Vorzüge der Ausbildung sieht Höfer in der Tätigkeit selbst und der Größe des Betriebs: "Es ist ein schöner, kreativer Beruf und keine Fließbandarbeit wie in den Großbäckereien." Die Atmosphäre sei familiärer, jeder mache alles. "Unseren Lehrmädchen hat es bisher immer super gefallen", sagt sie.

Willi Krämer, Inhaber des Gasthofs "Neues Ludwigstal", sucht ebenfalls zwei Auszubildende - zum Koch und zur Hotelfachkraft. Seit einem Vierteljahr ist er auf der Suche nach einem qualifizierten Azubi. An Bewerbungen mangelt es nicht, aber: "Die Zeugnisse sind meist viel zu schlecht: Die Bewerber haben dann eine Vier oder eine Fünf in Mathe und wollen Hotelfachkraft werden. Da haben wir lieber keinen Lehrling."

Edelmann sieht

Flüchtlinge als "große Chance"

Die Situation sei schwieriger als früher, ist sich Krämer sicher: "Früher konnte man noch aussieben." Die Vorteile der Ausbildung in seinem Betrieb lägen in der geringen Größe und der qualifizierten Anleitung vor Ort: "In einem großen Betrieb ist man im Zweifelsfall ein halbes Jahr lang auf derselben Etage. Bei uns ist das viel abwechslungsreicher." Zudem seien seine Kinder, die den Betrieb leiten, jeweils auch Prüfer für Köche und Hotelfachkräfte.

Auch in den Pflegeberufen ist man händeringend auf der Suche nach neuen Auszubildenden, zum Beispiel bei der Kirchlichen Sozialstation Bergstraße-Steinachtal. "Wir bezahlen nach dem Tarifvertrag des Öffentlichen Diensts und bieten ein gutes Umfeld", wirbt Vorstandsvorsitzender Günter Warth. Vor allem Frauen werden gesucht, denn an Pflegerinnen mangelt es momentan in der Sozialstation: Als einer der wenigen Pflegedienstleister beschäftigt sie mehr Männer als Frauen. "Die Konkurrenz mit den großen Kliniken im Umfeld ist natürlich groß", sagt Warth.

Bei der Suche nach qualifizierten Auszubildenden sieht BDS-Vorsitzender Edelmann den Zuzug von Flüchtlingen als große Chance. "Integration ist etwas, das von beiden Seiten kommen muss", sagt er. Deswegen freue er sich, wenn Schriesheimer Betriebe Praktika für die Geflüchteten anbieten: "Wenn jemand das macht, kann er das auch gern an mich weitergeben."

Überhaupt sieht Edelmann Praktika als probates Mittel, um Lehrlinge zu finden: "Gerade im Handwerk oder im Dienstleistungssektor sollte das kein Problem sein." Viele Realschüler würden sich einfach der Bequemlichkeit halber für eine weiterführende Schule entscheiden. "Da ist Erfahrung in einem Betrieb das A und O."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung