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06.01.2004

Der "Philosoph" im rechten Licht

Aus dem Schriesheimer Jahrbuch: Alt-Bürgermeister Wilhelm Heeger, seine Leistungen, seine Wirkung

Alt-Bürgermeister Wilhelm Heeger wird in der Schriesheimer Öffentlichkeit zu Unrecht als zu lasch, technokratisch und wenig entscheidungsfreudig wahrgenommen. Zu diesem Urteil kommt jedenfalls ein Aufsatz im Schriesheimer Jahrbuch 2003.

Foto: BK

Schriesheim. (ron) In zwei Jahren endet die Amtszeit von Schriesheims Bürgermeister Peter Riehl, und über das schillernde Wirken dieses Mannes, ist das seines Vorgängers Wilhelm Heeger ein bisschen in Vergessenheit geraten. Aber hat der gelernte Steuerberater, der von 1954 bis 1974 amtierte, deshalb "nichts getan"? Weit gefehlt, meint der Historiker Konstantin Groß, der sich im neuen Schriesheimer Jahrbuch mit Heeger beschäftigt.

Auch Konstantin Groß kennt das Vorurteil, das über Schriesheims Stammtischen wabert. Heeger sei zu zögerlich gewesen, heißt es da. Zu technokratisch, zu umständlich, zu spröde. Kein "Macher", wie man seinen Nachfolger charakterisiert. Der Autor, in Schriesheims Geschichte ja bestens bewandert, macht gleich im ersten Kapitel seines Aufsatzes eine Diskrepanz zwischen "Rezeption und Realität" aus und kündigt an, ein "differenziertes Bild" des ersten regulären Schriesheimer Nachkriegsbürgermeisters zeichnen zu wollen. Seine These im Klartext: Heeger war besser als sein Ruf.

Wer die Schriesheimer Nachkriegsgeschichte und ihr wohl skurrilstes Kapitel jener Bürgermeisterwahlen kennt, der weiß, wie Heeger ins Amt gekommen ist. Er war - auch wenn der Autor das nicht so deutlich sagt - eine Art Notlösung, der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich, nach den Querelen um den ehemaligen Nazi-Bürgermeister Fritz Urban, alle politischen Parteien einigen konnten. Zumindest fast alle. Die Freien Wähler standen noch isoliert; sie hatten bis zuletzt Urban wieder ins Amt hieven wollen. Vielleicht wurde Heeger ja gerade diesen Ruf nie los. Er selbst wird übrigens mit dem Satz zitiert: "Ich hatte nie im Leben daran gedacht, einmal Bürgermeister von Schriesheim zu werden." In einem ausführlichen Zitat, das er der RNZ von 1997 entlehnt hat, geht Groß auf die alten Seilschaften ein, die Heeger hinter den Kulissen auf den Schild hoben. "Wie Bürgermeister gemacht werden", so hieß damals die RNZ-Geschichte, die erzählt, wie der heutige Ehrenbürger Peter Hartmann seine in der Ortspolitik einflussreichen Freunde der Reihe nach abklapperte und Heeger ins Gespräch brachte. Eine lesenswerte Textstelle! Nächstes Vorurteil: Heeger könne eine Marionette werden an den Fäden seiner "Macher".

Aber des Autors Urteil ist ein gänzlich anderes: "Die Amtszeit Heegers war für Schriesheim und seine Menschen weit prägender, als es der nach seinem Ausscheiden aus dem Amt bestehende Eindruck erscheinen lässt", so fasst Groß zusammen. Bleibende Verdienste Heegers sieht er vor allem in der Bekämpfung der Wohnraumknappheit durch den Bau gemeindeeigener Häuser (Ladenburger Straße) und das schnelle Umsetzen von Baugebieten (Süd, Sautrieb vor dem Heidelberger Tor), im Ausbau des Schulwesens und der Konzeption des Kurpfalz-Schulzentrums (dessen Realisierung später seinem Nachfolger vorbehalten blieb) und nicht zuletzt in den integrativen Fähigkeiten. Beweis: Schon bei der zweiten Wahl Heegers 1962 gab es keine politischen Gegner mehr. Heeger wurde mit 99 Prozent gewählt. Und gegen Ende seiner Amtszeit stellte er auch noch die Weichen für ein eigenständiges Schriesheim, das einer Eingemeindung nach Weinheim oder gar Heidelberg trotzte. Heute weiß man, wie wichtig das für die Entwicklung der Stadt war. Der Autor lässt deutlich herauslesen, was er für ein großes Versäumnis hält: Heeger erhielt im Gegensatz zu vergleichbaren Bürgermeistern aus der Nachbarschaft, nie die Ehrenbürgerwürde.

Die Tatsache, dass Heegers Wirken später wenig gewürdigt wurde, führt der Autor auch auf den impulsiven Politikstil seines Nachfolgers Peter Riehl zurück, der die "technokratische und unspektakuläre Amtsführung" Heegers bald überlagert habe. Außerdem sei der intellektuelle Bildungsbürger Wilhelm Heeger, der nach seiner Pensionierung unter anderem religionsphilosophische Schriften verfasste, "den die öffentliche Meinung prägenden Protagonisten der Weinstadt und ihrem Naturell im Grunde stets fremd gewesen".

INFO: Schriesheimer Jahrbuch 2003, mit dem Aufsatz zum Leben und Wirken von Alt-Bürgermeisters Heeger u.a. ,zum Preis für 12 Euro erhältlich in Utes Bücherstube.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung