Schriesheim im Bild 2023

23.11.2016

Nordmanntannen aus dem Schriesheimer Wald - Viele Familien schlagen ihren Baum selbst

Mit seinem privaten Christbaumverkauf füllte er Emil Kling vor 13 Jahren eine Lücke

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Auch dieses Jahr dürften die Deutschen zum Weihnachtsfest wieder um die 28 Millionen Christbäume kaufen, schätzt der Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger (BVWE). 3000 davon wird Emil Kling aus Wilhelmsfeld an seinen beiden Verkaufsstellen in Schriesheim absetzen. Vor allem Nordmanntannen. Weder muss er sie aus Dänemark importieren, noch muss er Bäume bei den bis zu 400 Hektar großen Produzenten in Norddeutschland zukaufen. Klings "Nordmänner" wachsen auf Schriesheimer Gemarkung. Und darauf ist der Pensionär stolz: "Meine Kunden schätzen das. Sie wissen, wo ihr Weihnachtsbaum herkommt. Viele schlagen ihn sogar selbst."

Kling ist geschäftstüchtig. Er macht den Kauf des Baumes zum Erlebnis. Da rücken ganze Familien im Gewann Rinnbach im Schriesheimer Wald an. Es gibt Stockbrot am Lagerfeuer, während über die Größe und den Wuchs diskutiert wird. Dann geht’s ans Sägen. Kling gehören hier draußen rund 1,5 Hektar Fläche. Darauf stehen schon seit den 1960ern Nordmanntannen. Im Moment sind es hier um die 10.000 Stück. Im Jahr 2003 ging Kling in Rente. Von 1972 bis 1978 war er Schriesheimer Revierförster und danach im Vertrieb bei der BASF. Bei seinen Weihnachtsbäumen ist Chemie allerdings tabu, wie er behauptet. Kling sagt: "Ich weiß als ehemaliger Förster, wie man naturnah anbaut. Im Wald wird nie gespritzt." Und was an Nährstoffen fehle, gebe er nach Nadelanalysen gezielt hinzu - biologisch, mit Mischungen aus dem Raiffeisenmarkt. Bei der Plantagenpflege setzt er überdies auf Schafe. Seine Bäume knabbern sie nicht an: "Denn die fressen nach PH-Wert. Die Bäume sind zu sauer", erklärt Kling.

Nicht wenige trauen ihm nicht so recht. Zumal er damit wirbt, seine Tannen bei zunehmendem Mond oder Vollmond zu schlagen, was diese länger frisch halte und das Nadeln wesentlich verzögere. Denn die Gravitation des Mondes helfe dem Baum beim Einlagern von Wasser. "Belächelt, aber richtig": Kling bleibt bei seiner Linie. Und hat damit Erfolg. Zumal die Kunden mit seinen Bäumen wirklich gute Erfahrungen gemacht haben. So musste Kling vor vier Jahren noch 2,5 Hektar landwirtschaftliche Fläche in der Ebene dazupachten, um der Nachfrage gerecht zu werden. Mit seinem privaten Christbaumverkauf füllte er vor 13 Jahren eine Lücke. Bis dahin bot die Stadt Schriesheim ihren Bürgern alljährlich zur Weihnachtszeit Fichten aus dem eigenen Forst an. Der damalige Bürgermeister, Peter Riehl, habe damit aufhören wollen, erzählt Kling: "Riehl wollte von den Kosten runter." Zumal die Fichte seinerzeit "out" war: "Und modernere Baumsorten hatte die Stadt nicht." Blau- und Rotfichte sind bis heute eher Waldhüter: Nach Angaben des BVWE hat die trockenresistentere und nadelfestere Nordmanntanne inzwischen einen Marktanteil von 80 Prozent. Zudem würden 53 Prozent der Verbraucher Wert darauf legen, dass der Baum aus der unmittelbaren Region kommt.

Darauf haben auch die Produzenten reagiert, etwa mit Herkunftskennzeichen wie "Bayerischer Christbaum" oder "Christbaum aus Baden-Württemberg". Landesverbände wie der Christbaumverband Baden-Württemberg e. V. versprechen umweltschonenden Anbau in heimischen Kulturen ohne klimaschädliche Ferntransporte. Auch Kling ist hier Mitglied und setzt mit seiner Werbung für "Christbäume aus dem Schriesheimer Wald" noch einen drauf. Keiner seiner Transportwege ist länger als drei Kilometer. Lokaler geht es eigentlich nicht. Und doch ist das nicht die ganze Wahrheit.

Denn Kling gibt zu, dass auch die Samen für seine Nordmanntannen 3000 Kilometer weit weg, in den Weiten des georgischen Kaukasus geerntet werden. Hier stehen die bis zu 300 Jahre alten und 50 Meter hohen Baumriesen, die der finnische Biologe Alexander von Nordmann vor genau 175 Jahren entdeckte. Sie liefern auch für deutsche Christbäume die Gene. Der Import von Samen und deren Verkauf an Baumschulen ist ein Geschäft. Auch Kling muss jährlich nachpflanzen. Er holt seine Bäumchen übrigens aus der österreichischen Steiermark. Der Lieferant seines Vertrauens züchte nämlich sogenannte Ballenware: "Die hat mehr Wurzelspitzen", schwärmt Kling. Also doch nicht alles nur regional oder lokal bei ihm.

Aber unter Umwelt- und Transportaspekten immer noch besser als das Angebot eines Produzenten aus Schleswig-Holstein. Dieser wirbt damit, seine Tannen europaweit auszuliefern. Im Online-Shop bekommt man sie sogar im Einzelversand: "auswählen, bestellen, fertig!".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung