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07.03.2017

Festzelt kann sie nicht: Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut beim Mathaisemarkt

Viel Lob für den Mittelstand - Wenig Lust an der Attacke

Von Sören S. Sgries

Schriesheim. 3700 Mitarbeiter. 600 Millionen Euro Umsatz. Gegründet 1866. Das ist der familienunternehmerische Hintergrund, mit dem Nicole Hoffmeister-Kraut punkten könnte bei den Mittelständlern im Land. Ja, punkten müsste.

Kaum ein Festredner bei der traditionellen Mittelstandskundgebung des "Bunds der Selbstständigen" (BDS) konnte auf dem Schriesheimer Mathaisemarkt in den vergangenen Jahrzehnten so begründet auf ein "Wir-Gefühl" zielen wie die junge, frisch gebackene Landes-Wirtschaftsministerin. Nicht Sigmar Gabriel, der SPD-Chef, der im vergangenen Jahr als Bundeswirtschaftsminister am gleichen Ort auftrat. Nicht CDU-Mann Guido Wolf, den sie hier 2015 bereits als künftigen Ministerpräsidenten bejubelten. Und auch nicht Winfried Kretschmann im Jahr zuvor ("Wenn wir im globalen Forschungswettbewerb nicht bestehen, geht’s uns an den Kragen.").
Doch was macht CDU-Frau Hoffmeister-Kraut? Liefert sie "neuen Wind", wie es der Schriesheimer Bürgermeister Hansjörg Höfer hoffte? Leider nein. Vielleicht kann sie Wirtschaft. Vielleicht kann sie Ministerin. Festzelt kann sie nicht. Das bezeugt schließlich ein müder Applaus in den recht lichten Reihen des Hamel-Zelts.

Dabei war die CDU-Ministerin vorbildlich in ihre Rede eingestiegen. "Ein ganzes Zelt voller Schaffer und Macher" hatte sie begrüßt. Männer und Frauen, "die nicht nur schwätzen, sondern anpacken". Genau darauf gründe die Stärke Baden-Württembergs. Auf Fleiß, Innovationskraft, Verantwortungsbewusstsein, kurz: "Wenn es unserem Mittelstand gut geht, geht’s auch unserem Land gut." Nirgendwo sonst, berichtet sie von ihren ersten Delegationsreisen ins Ausland, könne sich die Gesellschaft auf solche Unternehmer stützen wie hierzulande. "Mittelstand ist eine Haltung", schmeichelt sie weiter.

Hach, da leuchten die Augen, da erwärmen sich die Herzen. Nur: So eine intensive Lobhudelei trägt leider nicht über eine 43-minütige Rede, wie sie Hoffmeister-Kraut mitgebracht hat. Da braucht es schon ein bisschen mehr Feuer - zumal in einem Wahljahr.

Unglücklich nur, dass sich die 44-Jährige dazu nicht unbedingt berufen sieht. Tatsächlich entschuldigt sie sich sogar, als sie zu einer der seltenen Attacken ansetzt. "Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel", packt sie die wirtschaftsliberalen Hassthemen Fassadenbegrünung und überdachte Fahrradstellplätze an - und scheint fast zu erschrecken, als spontan Jubel ausbricht. Weg mit den Vorschriften, nieder mit der Bürokratie: Das funktioniert bei Selbständigen. Natürlich. Sie nutzt die Gunst der Stunde jedoch nicht, legt nicht weiter nach, sondern wendet sich wieder der Erklärung ihrer Wirtschaftspolitik zu.

Auch SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz kommt sehr gut weg. "Er will in einer Rolle Rückwärts die Zukunft gewinnen", wirft sie ihm die Abkehr von der Agenda 2010 vor. Dabei müssen man doch unbedingt an einem festhalten: "Sozial ist, was Arbeit schafft." Ja gut - aber wen soll das auf die Bierbänke treiben?

Die Spritzigkeit, die Hoffmeister-Kraut im vorherigen Messe-Rundgang erahnen ließ, etwa als sie mit leuchtenden Augen auf einen Motorrad-Oldtimer kletterte, die blieb sie vor großem Publikum schuldig.

"So viele Rednerinnen waren noch nicht hier", hatte die Ministerin bei Pressegespräch vorab festgestellt. Nur Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, 2013) und Herta Däubler-Gmelin (SPD, 1999) finden sich in den letzten fast fünf Jahrzehnten. Zumindest insofern lockerte sie die Traditionsreihe ein wenig auf.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung