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09.05.2017

"Poetry Slam" begeistert Schriesheim

Junge Künstler begeisterten in Majer’s Weinscheuer - Texte zu Sprache, Beziehungen und Politik

Energisch gegen Langsamkeit: Julie Kerdellant aus Landau bekam für ihren literarischen Beitrag viel Applaus. Für den Sieg in der ausverkauften Weinscheuer reichte es am Sonntagabend aber nicht. Foto: Dorn

Von Karin Katzenberger-Ruf

Schriesheim. Den Kopf im Nacken schreit Julie Kerdellant aus Landau ihren Ärger über langsame Menschen hinaus. Schließlich verursachen sie Staus und Warteschlangen, sind im Reden und im Denken einfach immer hinterher. Nein, Julie mag sie nicht, weil das Leben dafür zu kurz ist.

Beim ersten Poetry Slam in Schriesheim bekommt sie für ihren Vortrag viel Applaus von den rund 150 Zuhörern in Majer’s Weinscheuer, aber etwas weniger als Stefan Unser aus Malsch, der sich unsere amerikanisierte deutsche Sprache vorknöpft und das Wort "Facility Manager" einfach mit "Hausmeister" übersetzt.

In der Endrunde begeistert er nochmals mit ausgefeilten Wortspielen über das Wollen und das Wünschen, spricht von "Wunschexekution durch Sofortbefriedigung" heute und stellt dies Kindheitserinnerungen gegenüber, zum Beispiel an seinen Klassenkameraden Kalle, der mit seinem neuen Fahrrad im Schulhof seine Angeberrunden drehte. Ihm habe er damals gewünscht, "auf die Fresse" zu fallen. Der Wunsch geht erst 30 Jahre später in Erfüllung, als Kalle als Rennradler im bunten "Strampelanzug" vor seinen Augen einen Sturz hinlegt. "Das hab ich echt nicht gewollt", so das Schlusswort der Geschichte.

Christian Glocker, Vorstandsmitglied im Kulturkreis Schriesheim (KKS), hatte die Idee zu der Veranstaltung. Genauer gesagt ist seine Frau daran schuld: Sie hatte mehrere Poetry Slams besucht und konnte ihren Mann schließlich dazu bewegen, mit zu einem der literarischen Wettbewerbe im Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) in Heidelberg zu kommen. Er war begeistert und machte sich fortan selbst für die Sache stark.

Ein "Applausometer" gibt es in der Weinscheuer nicht. Das Publikum entscheidet ohne elektronische Hilfe mit lautem Klatschen und Rufen darüber, wer der neun Kandidaten aus den drei Vorrunden die Eintrittskarte für die Endrunde erhalten soll.

Da haben die leiseren Töne offenbar die schlechteren Karten. Leticia Wahl aus Marburg erzählt in Reimen, wie sie sich in die Unschuld verliebt. Diese ist für sie der Sturm, der in ihr ruht, aber auch Ebbe und Flut. Sie spricht von Texten, die sich verdichten. Zuviel Poesie?

Letztendlich macht Jean-Philippe Kindler aus Tübingen das Rennen. Der Student der Rhetorik kennt keine Versprecher, hat überdies schauspielerisches Talent. Das kommt an. Egal, ob er über Beziehungen spricht oder über Politik. Kindler wollte was über Innenminister Thomas de Mazière und die Flüchtlingspolitik schreiben, aber nichts Ernstes, sondern was Witziges, und das ist auch gelungen. Beim Vortrag ist er gegenüber seinen Mitstreitern aufgrund seiner Ausbildung klar im Vorteil.

"Kopf aus, abschalten, einschalten, umschalten" - damit fordert die Mannheimer Sängerin Mori die Gäste in den Pausen zum Mitsingen auf. Ihre Texte passen gut zur literarischen Mischung, die die neun Kandidaten mit in die Weinscheuer bringen. Applaus gibt es am Ende des Abends aber nicht zuletzt auch für die wortgewandten Moderatoren Kathrin Rabus und Frank Habrik.

Letzterer ist als Chef der Agentur "Word up!" dafür verantwortlich, dass der erste Poetry Slam in Schriesheim dem Publikum eine abwechslungsreiche Mischung bietet. "Ein großartiger Abend auf sehr hohem Niveau", bilanziert Dieter Weitz, Pressesprecher des KKS, nach dem Ende der Veranstaltung. Man habe sich im Vorstand bereits für eine Neuauflage des Formats entscheiden.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung