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22.05.2017

Obst-, Wein- und Gartenbauverein Schriesheim "Wir wollen uns nicht bevormunden lassen"

Obst-, Wein- und Gartenbauverein Schriesheim "Wir wollen uns nicht bevormunden lassen"

Winzer wehrten sich auch bei Festabend zum 90-jährigen Bestehen des Obst-, Wein- und Gartenbauvereins gegen zu viele Vorschriften

Beim Festabend wurde im Zehntkeller ein buntes Programm geboten - unter anderem begeisterten die Volkstanzgruppen des MGV Eintracht das Publikum. Foto: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Für Georg Brand begann die große Jubiläumsfeier mit einer Rückkopplung: Als der Moderator des Festabends zum 90-jährigen Bestehen des Obst-, Wein- und Gartenbauvereins (OWG) am Samstagabend im Zehntkeller zum Mikrofon griff, verweigerte ihm dieses zunächst den Dienst - auch der Ersatz erwies sich zeitweise als widerspenstig. "Das ist halt live", sagte OWG-Vorsitzender Thomas Buchwald. Brand hatte damit kein Problem: Trotz technischer Schwierigkeiten moderierte er mit sichtlich viel Spaß eine abwechslungsreiche und kurzweilige Jubiläumsfeier.

Auch die Volkstanzgruppen des MGV Eintracht ließen sich von den kurzen Pausen, die ihre Begleitmusik ab und zu einlegte, nicht aus dem Takt bringen: Jugend- und Erwachsenenformation legten auf der Bühne des Kellers schwungvolle Auftritte hin und brachten das Publikum zum Mitklatschen. Musikalisch umrahmten der Chor der Eintracht und die Jagdhornbläser das Jubiläumsfest. Alle drei Vereine sind eng miteinander verbunden, viele Mitglieder sind auch in einem oder beiden der jeweils anderen aktiv.

Zu ihnen gehört neben Georg Brand (Eintracht und seit zwei Jahren beim OWG) auch Georg Bielig (OWG und Jagdhornbläser), der den Apfelsecco vorstellte, der eigens zum 90-jährigen Bestehen gekeltert worden war und am Eingang des Zehntkellers gereicht wurde - ein "leichter Genuss" vor dem reichhaltigen Festessen, das von Karl Forschner zubereitet worden war.

An all dies hatte Wilhelm Jenne am 6. März 1927 vermutlich überhaupt nicht gedacht, als er im Gasthaus "Zum Adler" zum ersten Vorsitzenden des Bezirksobstbauvereins Schriesheim gewählt wurde. Damals war das Hauptziel der beteiligten Landwirte hauptsächlich eine bessere Vertretung ihrer Interessen bei der Vermarktung ihrer Produkte. Innerhalb von 19 Tagen wuchs der Verein auf 88 Mitglieder, heute sind es stolze 266.

Ehrenvorsitzender Werner Merkel erinnerte in seiner Rede am Jubiläumsabend an diese Zeiten: "Es wurde damals noch jahreszeitgerecht gegessen, das war gar nicht so schlecht." Später verschwand vieles von dem ursprünglichen Ackerland im Gebiet der Weinstadt, so zum Beispiel am heutigen Festplatz oder in den Fensenbäumen. "Die Zeiten haben sich geändert, und viele Kleinbetriebe sind auf der Strecke geblieben", so Merkel.

Umso wichtiger sei es, nach den Landwirten nun den Winzern keine zusätzlichen Vorschriften aufzubürden. "Wir wollen uns nicht bevormunden lassen", sagte Merkel unter Applaus der Mitglieder auch an die Adresse von Sven Stein und Hans-Peter Nagelpusch, die zuvor Glückwünsche des Kreis- und Landesverbands ausgerichtet hatten. Lobende Worte fand Merkel für seinen Nachfolger Buchwald: "Die Vorstandschaft, die wir haben, ist grandios."

Deren Aufgaben haben sich mit der Zeit stark verändert: Naturschutz und Landschaftspflege spielen heute eine wesentlich größere Rolle als in den Anfangszeiten des Vereins. Statt Äpfel in der ehemaligen Obsthalle in der Bahnhofstraße zu versteigern, wollen die Mitglieder den Schriesheimern den Wert regionaler Erzeugnisse und der Kulturlandschaft an der Bergstraße nahebringen. "Wer seinen eigenen Apfelsaft trinkt, tut etwas für die Gesundheit und den Naturschutz", so Hans-Peter Nagelpusch vom Landesverband: "Außerdem stärkt die Betätigung im Garten die Sinne wieder, die am Fernseher und Computer abgestumpft sind."

So ganz den technischen Neuerungen verweigern will sich aber auch der OWG nicht. "Unser Beitrittsformular können wir auch über WhatsApp weiterschicken", sagte Georg Bielig, der dafür plädierte, neue Mitglieder zu werben: Eine Mitgliedschaft koste wenig, die Tätigkeit im Verein mache zudem einfach Spaß. "Und Thomas, unser Vorsitzender, sprüht nur so vor Ideen und zieht alle mit", so Bielig. Trotz seines hohen Alters wolle der OWG jünger werden: "Das 90. soll nicht das letzte Jubiläum gewesen sein."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung