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28.08.2017

Göring-Eckardt lässt sich keine Koalitionsaussage entlocken

Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt ließ sich beim "Town Hall Meeting" nicht aus der Ruhe bringen

25.08.2017, 06:00 Uhr

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Das hier sei gar kein echtes "Town Hall Meeting", beschwert sich ein Mann inmitten der etwa 150 Besucher bei Katrin Göring-Eckardt. Denn bei einem solchen Treffen würden die Bürger ihre Angelegenheiten untereinander regeln. Einige andere Besucher stöhnen genervt, die Grünen-Spitzenkandidatin bleibt gelassen: "Wollen Sie sich ernsthaft darüber beschweren, dass wir mit den Leuten ins Gespräch kommen wollen?", fragt sie zurück. Applaus brandet auf.

Bundestagskandidatin Franziska Brantner moderiert die Fragestunde im Saal des Gasthauses "Zum Goldenen Hirsch", und sie fackelt zu Beginn nicht lange: keine Rede, keine Vorstellung ihrer selbst, nur die Aufforderung, Fragen zu stellen oder kurze Statements abzugeben. Etwas überrumpelt wirken manche Besucher davon, es dauert ein paar Sekunden, bis die ersten Hände in die Höhe gehen. 24 Fragen werden an diesem Mittwochabend in etwa 100 Minuten gestellt.

Es geht um grüne Paradethemen wie die Machenschaften der Autoindustrie, Klimaschutz, Radschnellwege und Menschenrechte, aber auch um kontroverse Positionen im Asylrecht, den Ausbau der Windkraft und die "Ehe für alle". Göring-Eckardt, locker gekleidet mit brauner Jacke und roten Sneakers, geht auf jede Frage und jedes Statement zumindest kurz ein. Brantner geht mit einem drahtlosen Mikrofon durchs Publikum, gibt Göring-Eckhardt während deren Antworten im Rund Rückendeckung.

Rhetorisch bewegt sich die 51-jährige Fraktionschefin der Grünen im Bundestag geschickt zwischen konkreten Antworten, Wahlkampf-Slogans und Allgemeinplätzen wie "Das haben wir intensiv diskutiert" oder "Das liegt mir auch sehr am Herzen". Eine konkrete Koalitionsaussage (Frage Nummer 15) ist ihr auch in Schriesheim nicht zu entlocken: "Sie brauchen ja einen Partner", sagt ein jüngerer Besucher. "Wahrscheinlich", entgegnet Göring-Eckardt. Das Publikum lacht. "Ich sage nicht, mit wem würde ich gerne", fährt sie fort. Aber sie sei sich sicher, dass sie sich sowohl mit den Sozialdemokraten als auch der Union, besonders Horst Seehofer, "gravierend streiten" werde: "Wir machen keine Koalition um jeden Preis."

Zwei Sozialarbeiterinnen aus Ilvesheim und Schriesheim fragen die Spitzenkandidatin zu ihrer Position zum sozialen Wohnungsbau und einer Anhebung der Grundsicherung. "Der Satz muss erhöht werden", antwortet Göring-Eckardt klar, nennt aber keine Zahlen. Eine Bürgerversicherung solle zudem verhindern, dass Armut Krankheit mit sich bringt.

Zwei ausgesprochene Windkraftgegner haben auch im Saal Platz genommen, werfen den Grünen vor, den Schutz bedrohter Tierarten zu vernachlässigen, geben dem Gast aus Erfurt eigenes Infomaterial in die Hand. "Informieren Sie sich besser", gibt einer der beiden Göring-Eckardt dazu noch mit auf den Weg. Die vermeidet eine klare Befürwortung der Windkraft im Odenwald, sagt nur: "Man muss sich in diesem Fall entscheiden, was man den Vorrang gibt."

Klare Kante zeigt sie dagegen in der Asyl- und Familienpolitik: "Wenn man Menschen nach Afghanistan abschiebt, schickt man sie in den sicheren Tod", sagt Göring-Eckardt. Flüchtlingslager in Libyen trotz sexueller Gewalt, Sklaverei und Folter seien "komplett absurd". Und das Recht auf Familiennachzug sei keine Frage des Geldes, betont sie trotz vehementer Gegenworte eines Besuchers, sondern eine der Menschlichkeit.

Als eine frisch bekehrte Adventistin fragt, wie Göring-Eckhardt bei der "Ehe für alle" abgestimmt hat, zitiert diese aus dem ersten Korintherbrief in der Bibel. "Und ich verstehe nicht, warum Liebe zwischen Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen wollen, einen Unterschied machen soll." Als Christin habe sie gern für den Gesetzesvorschlag gestimmt: "Und ich bin wahnsinnig froh, dass wir es hinbekommen haben", sagt sie unter lautem Beifall.

Am Ende des "Town Hall Meetings" sind die beiden Sozialarbeiterinnen zufrieden: "Ich bin beeindruckt, dass sie auf jedes Thema eine fundierte Antwort geben konnte", sagt die eine. Ihre Kollegin fügt hinzu: "Ich bin als ehemaliges Mitglied der Grünen eher skeptisch, aber sie ist fast immer präzise auf die Fragen eingegangen." Göring-Eckhardt steht noch kurz für Fotos zur Verfügung, dann fährt sie in ihrer Hybrid-Limousine davon.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung