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21.02.2004

Wenn "Die paar Kröten" nicht mehr reichen

Was kann man sich leisten, wenn der Vater arbeitslos wird? - Regina Rusch hat ein Jugendbuch darüber geschrieben und las in der Stadtbibliothek

Regina Rusch lieferte in der Stadtbibliothek eine beeindruckende Autorenlesung ab: "Die paar Kröten". Foto: Dorn

Schriesheim. (anzi) Kindgerecht und einfallsreich stellte sich die Jugendbuchautorin Regina Rusch am Mittwoch den beiden sechsten Klassen der Kurpfalzrealschule in der Stadtbibliothek vor. Sie war von Bibliothekleiter Thomas Michael zu einer Lesung eingeladen worden.

Zunächst fragte sie nach der Bedeutung einiger Vornamen, klärte, dass Felix "der Glückliche" heißt und Maximilian "der Größte". Ihr eigener Vorname, Regina, bedeute auf Latein "Königin". Königinnen seien mächtig und das sei sie auch, so Rusch. Sie könne einen Armen im Lotto gewinnen lassen, jemanden, der schlecht in Mathe ist, gut rechnen lernen und sogar jemanden sterben lassen könne sie, "doch das habe ich erst einmal getan". Die Kinder waren zunächst erstaunt, doch stellte sich schnell heraus, was die Autorin meinte: "Wenn man sich Geschichten ausdenkt, kann man all diese Dinge tun", so Rusch über ihren Beruf. Sie sei eine "Geschichtenausdenkerin" und manchmal schreibe sie diese auf und es entsteht ein Buch daraus.

So war das auch bei ihrer neusten Erzählung "Die paar Kröten!", die im Bertelsmann Omnibusverlag erschienen ist. Es handelt von Vivi deren Vater plötzlich arbeitslos wird, weil seine Abteilung der Firma, ins Ausland verlagert wird. Rusch erzählte und beschrieb feinfühlig die damit zusammenhängenden Veränderungen in der Familie Vivis und denen in ihrem sozialen Umfeld. Vivis Familie muss aus der schönen Wohnung wegziehen, in einen Hochhauskomplex, in dessen Gegend sich Vivi früher nicht einmal aufgehalten hätte. Sie teilt nun ein Zimmer mit ihrem Bruder und ihr Leben ist permanent von der Frage bestimmt: "Was kann ich mir noch leisten". "Sie vergleicht Sonderangebote, extra Ausgaben sind nicht drin, wie ins Kino gehen oder ähnliches", erzählte Rusch und las dann einen Auszug vor, als Vivis Klasse einen Schulausflug macht, man aber dafür sieben Euro zahlen muss. Vivis Mutter meldet ihre Tochter krank, da sie das Geld nicht zahlen kann.

Nachmittags geht Vivi aber ins Kinderhaus, um dort einen kostenlosen Film zu sehen. Dort trifft sie auf eine Klassenkameradin mit dem Namen Emine, befürchtet erst, dass ihre Lüge auffliegt. Doch merkt sie bald, dass Emine wohl ein ähnliches Problem hat.

Noch einige weitere Erlebnisse und Empfindungen Vivis erzählte und las Regina Rusch den Kindern vor. Wie der Kunstlehrer erwartet, dass jeder in der Klasse sich einen Malkasten für fünf Euro besorgt, wie Vivis Freundin Anna, sich ihr entfremdet, sie beleidigt und keinerlei Verständnis für ihre Situation aufbringt. Doch in Emine findet Vivi eine neue Freundin und Vivi erfährt von einer Frau, dass sie mächtig sei, denn sie besitzt ein Stück Samttuch, was nur Königinnen besitzen. Dieses Tuch gibt Vivi immer wieder Kraft.

Um zu demonstrieren, wie sich echter Samt anfühlt hatte Rusch ein Stück Samt für die Kinder mitgebracht. Auch eine große Muschel (Vivi hat sie von ihrer Oma), in der man das Meer rauschen hört, wurde durch die Reihen gereicht. Eineinhalb Stunden hörten die beiden sechsten Klassen der Autorin begeistert zu und hatten hinterher noch viele Fragen.

Regina Rusch wurde 1945 in Hamburg geboren. Nach ihrem Studium der Literaturwissenschaft gab sie als freie Journalistin und Autorin Anthologien von Kindern für Kinder heraus. Von 1980 bis 1992 leitete sie in Frankfurt am Main eine Kulturinitiative, für die sie Schreibwettbewerbe und lokale Kinderbuchmessen organisierte. Für ihr Engagement wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz und dem "Göttinger Lesezeichen" ausgezeichnet. Seither schreibt Rusch Romane für Kinder und Jugendliche - neben ihren zahlreichen Tätigkeiten als Schulschreiberin in Wiesbaden, Leiterin von Schreibwerkstätten und Organisatorin literarischer Projekttage.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung