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05.01.2018

SPD-Gemeinderat Cuny im Gespräch: Zu teure Immobilien sind eine "Gefahr" für Schriesheim

SPD-Gemeinderat Cuny im Gespräch: Zu teure Immobilien sind eine "Gefahr" für Schriesheim

Im Jahresgespräch warnt Cuny vor zu teuren Immobilienpreisen und sieht Versäumnisse beim Gemeinderat

"Wenn ich mit Tempomat durch die Talstraße fahre, merke ich: Mit Tempo 30 ist man ein Verkehrshindernis", sagt Sebastian Cuny (SPD), "da müssen stationäre Blitzer aufgestellt werden." Foto: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Teilhabe an der Gesellschaft bedeute auch, mal einen Kaffee trinken gehen zu können, sagt Sebastian Cuny, seit Herbst Fraktionschef der SPD im Gemeinderat, und zeigt auf die Gutscheinwand im Begegnungszentrum "mittendrin". Im Jahresgespräch äußert er sich zu den Ergebnissen des Sozialberichts, bezahlbarem Wohnraum und zur Sanierung der Talstraße.

Herr Cuny, glauben Sie noch an die Fußgängerampel an der Kreuzung von Talstraße und Heidelberger Straße?
Auf jeden Fall. Wegen des kurzfristigen Termins waren wir bei der ersten Verkehrstagefahrt nicht dabei. Das Argument war, dass der jetzige Standort beim ehemaligen Ärztehaus am Schulweg sei. Aber da sind zwei Ampeln mit 20 Metern Abstand. Selbst wenn der Schulweg dort eingezeichnet ist, könnte man ihn verlegen. Die 200 Unterschriften zeigen, dass die Bevölkerung dieses Anliegen unterstützt.

Nach der ersten Verkehrstagefahrt war das Thema eigentlich vom Tisch. Was hat sich in der Zwischenzeit verändert?
Wir wollen die Argumentation bei einer zweiten Fahrt selbst mitbekommen, weil das, was wir als Gegenargument später mitbekommen haben, für uns nicht nachvollziehbar ist. Ich glaube, dass wir das Landratsamt überzeugen können.

Werden dadurch nicht mehr Fahrradfahrer die Heidelberger Straße entgegen der Einbahnstraße nutzen?
Das lehnen wir auch nicht ab. Wir wollen die Heidelberger Straße seit Jahren in diese Richtung für Radfahrer öffnen. Es hat nicht funktioniert, weil die Ausfahrt auf die Talstraße als zu gefährlich angesehen wurde. Aber mit den neuen Fahrtzahlen in der Talstraße und der Umwidmung zur Ortsstraße muss man dieses Thema wieder angehen. Die Heidelberger Straße ist eine der wenigen Einbahnstraßen, die nicht für Radfahrer freigegeben ist - obwohl wir gerade im Stadtkern die Leute haben wollen.

Braucht man nach der Umwidmung der Talstraße zur Ortsstraße dort überhaupt noch Ampeln?
Es werden allein durch die Umwidmung ja nicht weniger Autos, die dort fahren. Die etwa 6000 Fahrzeuge liegen schon unter der Prognose vor der Eröffnung des Branichtunnels. Ich verstehe die Anwohner, die sagen, dass es immer noch zu viele sind. Aber die Talstraße ist eben die Anbindung an Huber-, Burgweg und Branich. Das verschiebt sich höchstens, wenn wir dort - wie im Lärmaktionsplan vorgeschlagen - Schrittgeschwindigkeit vorschreiben. Außerdem ist es die gewohnte Strecke: Selbst für mich ist es eine Überwindung alter Gewohnheiten, mit meinem Sohn von unserem Zuhause in der Ellwanger Straße durch den Tunnel zum Mühlenhof zu fahren.

Sind Sie skeptisch, dass die Wohnsituation in der Talstraße verbessert werden kann?
Sie kann sich durch bessere Geschwindigkeitskontrollen verbessern. Wenn ich mit Tempomat durch die Talstraße fahre, merke ich: Mit Tempo 30 ist man ein Verkehrshindernis. Da müssen stationäre Blitzer aufgestellt werden. In Baden-Württemberg blockiert die Landesregierung, dass die Kommunen darüber selbstständig entscheiden dürfen. Im hessischen Odenwald stehen überall an den Ortseingängen Blitzer.

Das größte Problem beim Wohnen ist der Mangel an bezahlbaren Immobilien. Die Stadt hat selbst im Amtsblatt inseriert, um Wohnungen für Schriesheimer zu finden. Die Resonanz war ernüchternd. Hat Sie das überrascht?
Ernüchternd in absoluten Zahlen, das stimmt. Bei dem Gesamtthema muss man sehen, wo wir zu Anfang der Diskussion standen: 2014 ist mir das Problem erstmals bewusst geworden. Bei der Diskussion um ein neues Feuerwehrhaus hat uns der Kommandant eine Karte mit Wohnorten der Feuerwehrleute gezeigt. Viele sind noch in Schriesheim aktiv, wohnen aber nicht mehr hier. Da ist mir klargeworden, was hier geschieht, ist eine Gefahr für unsere Stadt. Unser damaliger Vorschlag, das Kreisaltenheim zu kaufen, fand keine Zustimmung. Die Flüchtlingsunterbringung kam uns dann zu Hilfe: Auf einmal gab es Druck und einen Zwang für die Kommune, Wohnraum zu schaffen. In der Diskussion wurde dieses Problem in Schriesheim für alle deutlich. Jetzt kaufen und mieten wir Immobilien an. Dafür hätte es 2014 nie eine Mehrheit gegeben. Da muss man sich als Gemeinderat eingestehen: Die Leute, die damals schon betroffen waren, haben kein Gehör gefunden.

Sind Sie froh, dass 2018 ein Neubaugebiet südlich des Schlittwegs diskutiert wird?
Auf jeden Fall. Wir müssen uns überlegen, wie wir Wohnraum schaffen. Ich war vor vier Jahren noch dagegen, weil das unsere einzige Entwicklungsmöglichkeit ist. In den Fensenbäumen und im Neubaugebiet Nord gab es noch Baulücken, die werden jetzt geschlossen.

Obwohl sich die SPD das Thema Wohnraum auf die Fahnen geschrieben hat, hat Ihre Fraktion im Gemeinderat für eine Erhöhung der Grundsteuerhebesätze gestimmt. Warum?
Wir haben einen Haushalt zu konsolidieren. Diese Maßnahme hat die Verwaltung vorgeschlagen, und das wurde heiß diskutiert. Als SPD konnten wir das mittragen, weil die absoluten Zahlen nicht so groß sind. Dadurch wird niemand aus Schriesheim verdrängt. Auch wenn wir die Grundsteuer senken würden, entstünde dadurch kein bezahlbarer Wohnraum. Dafür sind ganz andere Maßnahmen notwendig.

Zum Beispiel?
Die Sozialquote für bezahlbaren Wohnraum, wenn wir als Stadt Fläche zur Verfügung stellen oder Baurecht schaffen. Da sind wir als Fraktion unserem Ortsverein gegenüber noch in der Bringschuld. Wir werden diesen Antrag 2018 stellen. Rechtlich ist das ein sehr komplexes Thema. Mannheim beispielsweise hat schon einen Grundsatzbeschluss gefasst. Dort wird derzeit an der konkreten Umsetzung gearbeitet. Immerhin haben wir es auf Initiative der SPD in Schriesheim bereits geschafft, Vorkaufsrechte bei Bauprojekten durchzusetzen. Das war vor ein paar Jahren noch undenkbar.

Diese Regelung würde aber nur für neuen Wohnraum gelten. Ein mögliches Neubaugebiet im Schlittweg wäre vermutlich nicht riesig. Kann das wirklich der große Wurf sein?
Wir werden als SPD darauf achten, dass in einem solchen Gebiet bezahlbarer Wohnraum entsteht. Das darf kein zweites Neubaugebiet Nord werden. Wenn wir unser letztes Tafelsilber hergeben, muss eine prominente Fläche bezahlbar bebaut werden.

In Sachen Flüchtlingsunterkünfte gab es zuletzt viel Lob: Die meisten Geflüchteten wurden dezentral untergebracht. Im Dossenheimer Weg gibt es seit diesem Sommer eine Gemeinschaftsunterkunft, in der Carl-Benz-Straße vermutlich bald eine zweite. Wird das in Zukunft die Regel sein?
Das hängt davon ab, wie sich die Zahlen entwickeln. Wir haben eine dezentrale Unterbringung schon einmal geschafft und eine riesige Gemeinschaftsunterkunft am Sportgelände verhindert. Die zwei Unterkünfte im Gewerbegebiet sind für niemanden eine Wunschlösung. Aber man muss sich der Tatsache stellen, dass wir keinen anderen Wohnraum finden. Deswegen muss man Kompromisse eingehen. Aber mit dem Neubau in der Talstraße verfolgen wir das Ziel der dezentralen Unterbringung weiter.

Flüchtlinge sind im Sozialbericht nicht aufgeführt, trotzdem war der Bürgermeister vom Anteil niedriger Einkommen überrascht. Sie auch?
Ja. Man ertappt sich selbst, wie man manche Probleme einfach ausblendet. Wenn man mit offenen Augen durch Schriesheim geht, kann man sehen, dass hier Menschen wohnen, die praktisch jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Da müssen wir als Kommune agieren. Teilhabe ist ein Kernanliegen der Sozialdemokratie. Dazu gehört das Wohnen, aber auch das gesellschaftliche Leben, zum Beispiel die Teilnahme an VHS-Kursen. Das sind Kleinigkeiten, aber man zeigt, dass man an diese Menschen denkt und Lösungen sucht. Wir werden als SPD den Antrag stellen, bei den neuen Vergaberichtlinien für den Zehntkeller die Veranstalter zu verpflichten, eine gewisse Anzahl von Karten für ihre öffentlichen Veranstaltungen der Stadt kostenlos zur Verfügung zu stellen. Diese "Sozialtickets" könnte das Sozialamt dann an Menschen weitergeben, die sich eine Teilnahme sonst nicht leisten können.

Im Gemeinderat hat eine Besucherin einen Freizeitpass für Familien und Sozialhilfe-Empfänger vorgeschlagen. In Edingen-Neckarhausen gibt es so etwas. Wäre das auch für Schriesheim eine Idee?
Das Konzept in Edingen-Neckarhausen kenne ich nicht. Bei einer Gemeinde in unserer Größe stelle ich mir das schwierig vor. Es gibt nicht so viele städtische Einrichtungen, zu denen wir freien Zugang gewähren könnten. In Schriesheim helfen beispielsweise viele Vereine jetzt schon bei Mitgliedsbeiträgen aus, wir als SPD-Ortsverein machen das auch.

Um viel Geld geht es bei den Investitionen ins Schulzentrum. Was muss dort als erstes verbessert werden?
Die Kommunikation. So professionell der Schulbauprozess war: Im Nachhinein war er eine Nummer zu groß. Da hätte man zuerst überlegen müssen, wie viel Geld wir eigentlich zur Verfügung haben. Wenn wir früher darüber gesprochen hätten, hätten wir gemerkt, dass wir das ohne Hilfe nicht hinbekommen. Aber ich bin froh, dass wir uns bei der Klausurtagung auf den Weg der Sanierung Schritt für Schritt einigen konnten. Wenn wir die Mittel zur Verfügung haben, muss für jede Schule eine Prioritätenliste erstellt werden. Spontan fällt mir der Teppichboden in der Aula ein. Das wäre etwas, das dem ganzen Schulzentrum zugutekommt.

Für Gemeinschaftsschulen gibt es Fördertöpfe. Wurde darüber nachgedacht, das pädagogische Konzept deshalb weiterzuentwickeln?
Darüber wurde diskutiert. Aber das wird von den Schulen nicht gewünscht.

Worauf freuen Sie sich 2018?
Ich freue mich sehr, dass mein Partner und ich heiraten können. Politisch freue ich mich, dass wir beim Schulzentrum den Startknopf gefunden haben.

Was wird die größte Herausforderung des Jahres?
Das Schulzentrum. Und als Stadt soziale Teilhabe in Schriesheim, Altenbach und Ursenbach zu garantieren.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung