Schriesheim im Bild 2023

24.05.2004

"Weil da Welten aufeinander prallen"

Deshalb wird die Jugendarbeit in Schriesheim so kontrovers diskutiert - RNZ-Tischrunde mit den jungen Gemeinderatskandidaten

Von Roland Kern

Schriesheim. Ob sich im Schriesheimer Gemeinderat am 13. Juni ein Generationswechsel anbahnt, kann heute noch keiner genau sagen. Tatsache ist, dass zumindest so viele junge Menschen auf allen Listen kandidieren wie nie zuvor. Warum ist das so? Was motiviert die Jungen, sich einzumischen? Ist es gar die Unzufriedenheit mit den Amtsträgern? Fragen wie diese diskutierte RNZ-Redakteur Roland Kern mit den jungen Kandidaten jeder Liste bei der ersten RNZ-Kandidatenrunde zur Kommunalwahl.
Außergewöhnlich viele junge Leute engagieren sich in diesem Jahr im Kommunalwahlkampf, welche Gründe kann das haben? Wächst die Unzufriedenheit mit den etablierten Kommunalpolitikern?

Cuny: Es ist nun mal so, dass die jugendpolitischen Themen in letzter Zeit aufs Tableau gekommen sind. Das liegt sicherlich an der Diskussion über die Sozialarbeiterfrage. Deshalb werden die Themen ja auch im Wahlkampf von allen Parteien besetzt.

Schrade: Es ist allgemein auch so, dass sich junge Leute immer mehr engagieren. Wir in der Jungen Union zum Beispiel haben seit ein paar Jahren einen enormen Zulauf, das ist der allgemeine Trend.

Molitor: Es gibt keine große Unzufriedenheit der Jugendlichen mit dem Gemeinderat, keinen Hass oder so. Auch keinen Zwang dazu, dass sich etwas dringend ändern müsste.

Bielig: Als Vereinsvorsitzender kann ich das bestätigen, dass sich junge Leute immer mehr ehrenamtlich engagieren wollen. Ich finde nur, dass die Ehrenämter in der Öffentlichkeit noch mehr anerkannt werden. Schließlich sind die Ehrenamtlichen die Stütze unserer Gesellschaft.

Hahn: Es wird zu wenig honoriert, wir Julis fordern schon lange, dass ehrenamtliche Arbeit in der Kommune als Bürgerpraktikum bescheinigt werden soll. Das könnte man dann zum Beispiel in einen Lebenslauf reinbringen. Aber da tut sich nichts.

Cuny: Unsere Vereine in Schriesheim leisten wirklich sehr viel. Wir finden auch, dass dafür die Anerkennung fehlt. Eine Sportlerehrung einmal im Jahr wäre das Mindeste.

Bielig: Das braucht man nicht noch zusätzlich, die meisten Gemeinderäte sind ja aktiv in Vereinen eingebunden und honorieren das Engagement. Eine große Ehrung kostet bloß wieder Geld. Die Zuschüsse fallen ja sowieso schon so knapp aus. Die Stadt muss sparen.
Das Thema Jugendpolitik ist in Schriesheim eines der umstrittensten überhaupt. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?

Cuny: Weil da Welten aufeinander prallen. Das ist der Fehler in der ganzen Diskussion, dass offene Jugendarbeit und Vereinsarbeit auseinander dividiert werden. Das wird viel zu viel als Konkurrenz betrachtet. Jugendarbeit wird in beiden Bereichen geleistet. Deshalb brauchen wir ja die ganze Stelle für die Sozialarbeiterin.

Bielig: Ich sehe da noch keinen Handlungsbedarf. Ich erkenne die Leistung von Frau Michelmann durchaus an, aber der Zeitpunkt ist noch zu früh. Wir brauchen keine ganze Stelle, wenn zwei oder drei Jugendliche angesprochen werden. Ich finde auch, dass die Forderungen nach 20 000 Euro für den Ausbau des Busch-Geländes zu viel waren, da muss eine alte Frau lange dafür stricken.

Schrade: Da kann ich mich nur anschließen, in Zeiten knapper Kassen kann man nicht das Personal ausbauen, wenn man gleichzeitig an anderen Stellen streichen muss.

Molitor: Aber jeder sieht doch, dass eine halbe Stelle nicht reicht. Alleine die Aufräumaktion, die wir neulich gemeinsam rund ums Juts gemacht haben, da waren locker mal so acht oder neun Stunden weg. Kathrin Michelmann braucht eine ganze Stelle, damit sie handeln kann.

Cuny: Was ich das Schlimmste an der Diskussion fand: auch der Jugendgemeinderat hat doch die ganze Stelle gefordert. Und keiner von denen, die den Antrag im Gemeinderat abgelehnt haben, hat sich die Mühe gemacht, den Jugendgemeinderäten die Entscheidung zu erklären. Das war eine katastrophale Leistung.
Wie schätzen Sie die Qualität der bisherigen Schriesheimer Jugendarbeit ein?

Schrade: Im Vergleich zu anderen Städten bietet Schriesheim gute Voraussetzungen, wir müssen uns wegen unserer Jugendarbeit nicht verstecken.

Hahn: Ich finde, sie wäre durchaus ausbaufähig.

Molitor: Ich finde schon, dass etwas fehlt. Schon wegen der Problemjugend, wie ich sie jetzt mal nenne. Das hat auch mit einem Verein gar nichts zu tun. Die Jugendlichen gehen an einem oder zwei Nachmittagen für eine Stunde in ihren Verein, aber was stellen sie mit dem Rest ihrer Zeit an?

Cuny: Die Jugendlichen wollen sich nicht mehr so binden. Aber die Sozialarbeiterin könnte ja allen helfen: in den Vereinen und außerhalb.

Schrade: Wer im Verein engagiert ist, der hat auch genügend Kontakte und Möglichkeiten, um sich außerhalb der Trainingszeiten sinnvoll zu beschäftigen.
Warum würden mehr junge Leute dem Schriesheimer Gemeinderat gut tun?

Cuny: Das kommt auf die Leute an. Die jüngste Gemeinderätin hat ja bei dieser Frage ein schlechtes Bild abgegeben.

Schrade: Vorhin haben wir von Problemjugendlichen geredet: Diese Jugendlichen wird Frau Michelmann kaum wegbekommen.

Molitor: Das Problem sind die fehlenden Räumlichkeiten.
Hat der Jugendtreff, der Juts, den Jugendlichen der Stadt eher geholfen oder eher geschadet? Es gibt ja seither leider eher mehr Ärger als weniger?

Bielig: Die Problematik Juts gibt es woanders doch auch, ich kenne das auch von Städten in den neuen Bundesländern. Dort positioniert sich immer die Unruhe. Bleibt nur die Frage, ob man das verlagern kann.

Schrade: Das ist auch keine Lösung.

Molitor: Ich finde, es könnte auch viel schlimmer sein mit den Belästigungen, die vom Juts ausgehen. Man soll bitte nichts übertreiben: wir haben Müll und wir haben Lärm. Woanders sieht das schlimmer aus.
Braucht Schriesheim ein Jugendzentrum und eine Sozialarbeiterin?

Schrade: Das wird von der finanziellen Lage bestimmt. Und die sagt eindeutig: die Forderungen müssen den Finanzen untergeordnet werden. Die Schulden, die wir aufnehmen, müssen wir doch selbst wieder abtragen. Es bringt nichts, Forderungen zu stellen. Wenn wir den status quo halten können, können wir zufrieden sein.

Cuny: Das ist doch nur eine Frage der Prioritäten. Für eine Fußgängerampel am Stammberg hätte die CDU auch plötzlich Geld übrig gehabt.

Bielig: Moment, die Ampel könnte Verkehrstote verhindern, das ist kein guter Vergleich.

Hahn: Wenn es weitergehen soll mit der Jugendarbeit und mit dem Busch-Gelände reichen auch keine 5000 Euro, damit würgt man eher Engagement ab.

Bielig: 5000 Euro sind eine Menge Geld. Das ist als Startkapital gedacht. Jetzt wollen wir erst einmal ein Konzept sehen, wofür das Geld verwendet wird. Es kann nicht sein, dass jetzt jedes Jahr wieder Geld fließt. Andere Vereine müssen sich auch selbst tragen.

Cuny: Der Push e.V. ist kein Verein, sondern ein Dienstleister für die Stadt, er übernimmt Aufgaben für die Stadt.

Bielig: Wenn man es so sieht, übernimmt jeder Verein Aufgaben für die Stadt.

Molitor: Die Leute vom Push-Verein steigern den Wert der Immobilie, das muss ein Geben und Nehmen sein.

Schrade: Es ist keine Pflichtaufgabe der Stadt, offene Jugendarbeit zu organisieren.

Cuny: Sehr wohl!

Bielig: Schriesheim steht jedenfalls zu seiner Verantwortung als Schulstadt, meine ich.
Bei diesem Thema wird es wohl keine Einigung geben, andere Frage: Wie ist es denn mit den Jungkandidaten innerhalb ihrer Listen, werden Sie akzeptiert und gehört?

Schrade: Wir sind völlig im Ortsverein integriert.

Hahn: Es ist das Urwesen des Liberalismus, junge Leute und neue Strömungen anzuerkennen.

Bielig: Die Freien Wähler sind doch dafür bekannt, unabhängig und offen zu sein. Bei uns wird Tacheles geredet, egal wie alt jemand ist.

Cuny: Bei der SPD ist das sowieso kein Thema.
Wie kann es gelingen, am 13. Juni junge Wähler, zur Wahlurne zu bringen?

Cuny: Indem Jugendpolitik in Schriesheim so diskutiert wird, dass die Jugendlichen den Eindruck haben, sie werden gehört.
Trotz der vielen jungen Leute auf den Listen, ist der Wahlkampf ja bislang nicht besonders peppig...

Cuny: Das kann man von der SPD wohl kaum behaupten.

Schrade: Man muss sich an Spielregeln halten, das ist wichtig.

Bielig: Der Kommunalwahlkampf wird wohl auch ein bisschen überschätzt. Die Freien Wähler setzen auf ihre Köpfe, das ist wichtiger.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung