Schriesheim im Bild 2023

06.06.2004

In Altenbach geht Sachpolitik vor Parteipolitik

RNZ-Kandidatenrunde mit Gemeinderats-Bewerbern aus dem Odenwald-Ortsteil - Was sollte aus dem Ortsmittelpunkt werden?

Manchmal ist es ein Spagat für die Altenbacher Stadträte, die zumeist auch Ortschaftsräte sind: Sie müssen die individuellen Interessen Altenbachs mit den Zielen der Gesamt-Stadt abstimmen. RNZ-Redakteur Roland Kern (vorne) im Gespräch mit Dieter Lucke (SPD), Dr. Herbert Kraus (FWV), Claudia Philipp-Schwöbel (CDU) und Christian Wolf (GL, von links). Alle Fotos: Peter Dorn


Die Altenbacher halten zusammen. Auch deren kommunalpolitische Vertreter. Wenn es um Schriesheims Ortsteil geht, dann kennen sie mehr Einigkeit als Differenzen. Das wurde auch in der RNZ-Kandidatenrunde deutlich, zu der Redakteur Roland Kern bat. An einem Strang ziehen Christian Wolf (GL), Claudia Philipp-Schwöbel (CDU), Dr. Herbert Kraus (FWV) und Dieter Lucke (SPD) etwa in Sachen Gestaltung des Ortsmittelpunktes. Aber: Es gibt auch Themen, die die Kandidaten unterschiedlich bewerteten. Etwa den Neubau einer Friedhofshalle oder die Finanzlage der Stadt.
Normalerweise müsste das hier eine sehr harmonische Gesprächsrunde sein, die Altenbacher sind sich doch immer einig, wenn es um Schriesheim geht...

Wolf: Wenn es um Altenbach geht ...

Naja, auch grundsätzlich. Woher kommt diese Übereinstimmung?

Philipp-Schwöbel: Weil wir am besten wissen, was für Altenbach gut ist. Schließlich stammen wir von dort und wohnen dort.

Kraus: Weil es meistens um Themen geht, die Altenbach betreffen, und die man für das Dorf interfraktionell gar nicht unterschiedlich betrachten kann.

Wolf: Wir haben ja auch zu 80 Prozent in Altenbach das gleiche Wahlprogramm. Das ist ja kein Zufall. In Altenbach geht Sachpolitik vor Parteipolitik.

Lucke: Wenn man aus Altenbach in Schriesheim überhaupt etwas durchsetzen will, geht das gar nicht anders.

Philipp-Schwöbel: Die Probleme betreffen uns ja auch persönlich hautnah.

Kraus: Es liegt aber auch daran, dass wir einen Ortsvorsteher haben, der alles sehr gut vorbereitet.
Aber als Stadträte sind Sie für die ganze Stadt gewählt. Ist es nicht zu wenig, Interessensvertreter für den Stadtteil Altenbach zu sein?

Lucke: So kann man es ja auch nicht sehen. Es ist vielmehr ein ständiger Balance-Akt, denn der Gesamt-Gemeinderat entscheidet ja letztlich über die Themen in Abwägung dessen, was für die Gesamtstadt nötig ist.

Philipp-Schwöbel: Es ist ja nicht so, dass wir einfach nur fordern. Wir Altenbacher Stadträte bevorzugen nicht einen Teil der Schriesheimer gegenüber einem anderen Teil.

Wolf: Naja, einen Unterschied gibt es. Es ist schon so, dass wir als Altenbacher Stadträte auch sehr gut über alle Schriesheimer Belange Bescheid wissen. Aber umgekehrt ist das nicht immer so. Im Gemeinderat gibt es Kollegen, die könnten sich schon mehr darüber informieren, was im Stadtteil passiert. Hat mich doch neulich einer angesprochen und gefragt, wie lange wir schon mit der Altenbacher Liste eine gemeinsame Fraktion bilden ... (Anm. d. Red.: Die Altenbacher Liste bildet seit zehn Jahren mit der FWV eine gemeinsame Liste.)

Kraus: Wir sind ja alle auch Ortschaftsräte. Und als Ortschaftsrat ist es natürlich erst einmal wichtig, was da oben in Altenbach passiert. Als Gemeinderat habe ich natürlich die Aufgabe, das in Einklang zu bringen mit den Gesamtinteressen der Stadt. Zum Beispiel der Ortsmittelpunkt. Das ist in Altenbach Thema Nummer eins. Das muss aber in Schriesheim angesichts der Finanzlage eingereiht werden in andere Schwerpunkte.
Aber in der Regel tragen doch die Altenbacher Stadträte auch die Forderungen des Stadtteils sehr offensiv vor.

Kraus: Das stimmt schon. Aber schon innerhalb der Fraktion wird das oft eingeordnet.

Philipp-Schwöbel: Es gibt im Gemeinderat immer noch Vorurteile. Es mag sein, dass in der Vergangenheit überzogene Forderungen gestellt worden sind. Aber das ist vorbei. Und es ist auch nicht gut, wenn man Altenbach und Schriesheim ständig auseinander dividiert. Wir sind eine Stadt. Alles andere ist eine verzerrte Wahrnehmung. Allerdings kommt es immer noch vor, dass sich manche Ortschaftsräte und auch die Verwaltung in den Sitzungen im Ton vergreifen. Danach hat man es dann immer besonders schwer.

Kraus: Das kommt noch aus der Anfangszeit der Eingemeindung, da mussten natürlich erst einmal Millionen nach Altenbach fließen wegen der ganzen Erschließungen. Das ist 30 Jahre her. Aber heute stellen wir doch wirklich nur maßvolle Forderungen. Wir haben nicht einmal die Kanalsanierung gefordert, obwohl sie nötig war. Das wurde dann angefangen, weil Zuschüsse geflossen sind.

Philipp-Schwöbel: Und es gibt ja auch Sachen, die einfach zwingend notwendig sind. Der Ortschaftsrat kann schließlich nichts dafür, wenn die Mehrzweckhalle undicht ist.

Lucke: Und in der jetzigen Lage sparen wir ja kräftig mit. Im Haushalt haben wir einige Punkte gestrichen, die als Kleinigkeiten angesehen worden sind. Da sind wir runtergegangen bis zum Geht-Nicht-Mehr.

Kraus: Wie zum Beispiel auch beim vierten Gruppenraum im Kindergarten, der nun doch saniert wird. Die Verwaltung plante eine Sanierung für 30 000 Euro. Wir haben gebremst und gewarnt: jetzt ist eine Sanierung für 5000 Euro möglich. Wer sagt, in Altenbach wird zuviel Geld gebraucht, der muss lernen, den Haushalt zu lesen.
Aber manchmal hat man den Eindruck, Altenbach werde beim städtischen Sparkurs ausgeklammert. Oder wie sind die Forderungen nach 50 000 Euro für die Gestaltung des Ortsmittelpunktes zu verstehen?

Wolf: Das ist ja auch nicht für sofort gedacht. Natürlich würde ich mich nicht für die Gestaltung des Ortsmittelpunktes einsetzen, wenn ich als Gemeinderat nicht davon ausginge, dass die Finanzierung in den nächsten zwei oder drei Jahren möglich sein kann.

Kraus: Das verstehe ich jetzt nicht ganz, was Sie da hineingeheimnissen. Die Finanzen der Stadt werden in den nächsten Jahren auch nicht besser werden.

"Schriesheims Innenstadt ist so schön. Warum sollte Altenbach da zurückstehen?"
Wie ist Ihre Haltung zum Ortsmittelpunkt, Herr Dr. Kraus?

Kraus: Ganz klar, im Ortschaftsrat werde ich für die Gestaltung kämpfen, obwohl ich weiß, dass ich im Gemeinderat verliere. Aber ich weiß auch, dass man am Ball bleiben muss, wenn man am Ende Erfolg haben will. Schauen Sie, wie lange wurde im Ortschaftsrat für den Kunstrasenplatz der TSG gekämpft. Und jetzt haben wir ihn.

Lucke: Das war doch mit der Kanalsanierung ähnlich. Seit vielen Jahren habe ich dafür gekämpft und musste mich manchmal sogar auslachen lassen. Und jetzt haben wir den neuen Kanal.

Kraus: Ein Großteil der älteren Bevölkerung versteht die Pläne für den Ortsmittelpunkt nicht. Der Platz dort ist ja sehr begrenzt. Die Leute sagen: warum sollen wir 50000 Euro für so ein winziges Grundstück ausgeben. Die Gestaltung ist sicherlich ein Ziel. Aber angesichts der Finanzlage hat es bei mir jetzt nicht erste Priorität.

Wolf: Aber alle anderen Planungen, die nie realisiert worden sind, haben ja bislang schon so viel gekostet wie die ganze Ausführung, die wir jetzt vorgeschlagen haben. Außerdem haben wir ja Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung vorgesehen, mit denen die Stadt Geld sparen kann.

Philipp-Schwöbel: Das finde ich sehr gut, da bekommen die Grünen meine Unterstützung. Ich bin auch für die Gestaltung des Ortsmittelpunktes. Schriesheims Innenstadt ist so schön. Warum sollte Altenbach da zurückstehen. Vielleicht kommt man auch an günstige Zuschüsse heran.

Lucke: Ich bin auch der Meinung, dass im Ortsmittelpunkt unbedingt etwas geschehen muss.
Die CDU fordert den Neubau einer Friedhofshalle. Ist das nicht völlig unrealistisch?

Philipp-Schwöbel: Das ist natürlich ein Langzeitziel. Dass dies nicht in den nächsten fünf Jahren realisiert werden kann, ist uns natürlich auch klar.

Lucke: Das hat unser Herr Flohr schon in den 70er Jahren gefordert. Unser Antrag auf Umbau wurde von den anderen Fraktionen immer wieder abgelehnt, so ist es schließlich zu dem Kompromiss, einer Teilüberdachung des Vorhofes, als Provisorium gekommen. Ich habe damals schon gesagt: Nichts hält länger als ein Provisorium.

Kraus: Ich war auch etwas überrascht, als ich diese Forderung der CDU hörte, schon in den 80er Jahren wurden Kosten für einen Neubau ermittelt. Sie lagen bei einer Million Mark. Man kann sich ungefähr vorstellen, was das heute kosten würde. In den nächsten fünf Jahren ist das auf keinen Fall zu schaffen.
Was muss sich verändern in Altenbach?

Kraus: Die Mehrzweckhalle muss dicht werden, das ist wohl der wichtigste Punkt. Dann braucht die Hauptstraße endlich ihre neue Straßendecke, das ist teilweise eine Katastrophe, dann müssen die Wege auf dem Friedhof in einen besseren Zustand versetzt werden.

Lucke: Das ist für alte Menschen manchmal lebensgefährlich.

Wolf: Die Gestaltung der Ortsmitte ist natürlich die große Vision für die Zukunft. Es geht dabei ja nicht nur um den kleinen Bereich, von dem wir im Moment reden. Die Ortsmitte ist ja eigentlich zwischen Schulhof und dem Café Flößer. In diesem Bereich muss Altenbach entwickelt werden, das hat auch etwas mit Wirtschaftsförderung der dort ansässigen Geschäfte zu tun.

Lucke: Es gibt ja nur noch ein Lebensmittelgeschäft.

Wolf: Eben. Deshalb muss es dort schöner werden. Die Menschen kaufen nur dort ein, wo sie sich wohlfühlen.

Philipp-Schwöbel: Man darf es auch nicht schlecht reden. Altenbach hat viele sehr schöne Ecken.

Lucke: Ein Bolzplatz für die heranwachsende Jugend ist nötig. Und eine Begegnungsstätte für Senioren. Und natürlich die Anbindung an die Stadt durch öffentliche Verkehrsmittel.

Kraus: Naja, da kommt die alte Frage auf: Wer soll es bezahlen?

Philipp-Schwöbel: Es gibt Modelle. Die Junge Union hat zum Beispiel einen Taxi-Gutschein für Jugendliche gefordert.
Am Ende dreht sich doch alles wieder ums Geld. Gibt es ein Konzept, die Krise zu bewältigen?

Wolf: Es ist ja nicht so, dass die Stadt total pleite ist. Der Bürgermeister wird noch im Juli einen Nachtragshaushalt einbringen müssen, weil die Mittel für die Unterhaltung der städtischen Anlagen nicht reichen. Und dieses Geld kommt dann ja auch irgendwo her. Tatsache ist eben, dass das Neubaugebiet der Stadt viel Geld kostet.

Philipp-Schwöbel: Das gibt es ja wohl nicht, dass sich die Grünen als große Sparer darstellen. Wenn wir alles das verwirklicht hätten, was SPD und Grüne im Gemeinderat schon gefordert haben, wäre die Stadt noch viel höher verschuldet.

Wolf: Naja, die Stadt gibt mit Unterstützung der Gemeinderats-Mehrheit noch immer Geld für Dinge aus, die man anders machen kann. Zum Beispiel gibt es Städte, die mit Festen wie dem Mathaisemarkt so professionell umgehen, dass sie damit Geld verdienen.
Zurück nach Altenbach, finden wir zum Schluss doch nochmal einen gemeinsamen Nenner? Wo liegen Altenbachs Stärken?

Wolf: Es ist einfach schön, dort zu wohnen.

Philipp-Schwöbel: Das sollte man auch betonen. Ich will dort jedenfalls nicht weg.

Lucke: Es passiert immer wieder, dass ich Leute zu Besuch habe, die ins Schwärmen geraten und sagen: Bei Euch ist es wie im Urlaub.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung