Schriesheim im Bild 2023

09.06.2004

"Im Moment verändert sich etwas"

"Elefantenrunde" zur Kommunalwahl am Sonntag: die Spitzenkandidaten beim Streitgespräch in der RNZ-Geschäftsstelle

Von Roland Kern

Schriesheim. Endspurt. Wenige Tage vor der Wahl versammelten sich die Spitzenkandidaten gestern in der Schriesheimer RNZ-Geschäftstelle zum Streitgespräch, das von RNZ-Redakteur Roland Kern moderiert wurde. Damit endet auch die Reihe der RNZ-Kandidatenrunden zur Kommunalwahl.

Hat ein Wahlkampf, in dem es offensichtlich an großen Themen mangelt, in den letzten Wochen eigentlich Spaß gemacht?
Krieger: Das war gar nicht schwierig, weil wir die Wahlen immer nutzen, um ein Stück Bilanz zu ziehen und Visionen zu wagen. Deshalb haben wir ja auch kein Wahlprogramm, sondern eine Wahlplattform.

Arnold: Ich finde überhaupt nicht, dass der Wahlkampf arm an Themen war, ich fand ihn sogar spannender als beim letzten Mal, vor allem weil so viele junge Kandidaten dabei sind. Es war ein sehr lebendiger Wahlkampf. Wir haben doch Themen wie Jugendpolitik oder das Baugebiet Nord.

Höfer: Naja, Nord wird mittlerweile in der Stadt ja weitreichender diskutiert und spielt viel in die Finanzpoltik rein. Und da muss man zum Thema Nord den Leuten schon klar sagen: Was Geld bringt, kostet auch etwas.

Schlüter: Ich will mal auf die Frage nach dem Wahlkampf und seinen Themen zurückkommen. Es sind doch auch die Themen wichtig, die sich in den letzten fünf Jahren entwickelt haben, da gebe ich Herrn Krieger Recht. Es ist doch unheimlich viel passiert: Wenn ich zum Beispiel an die Privatisierung des Wasser- und Abwassernetzes denke. Das sind doch Errungenschaften zum Wohle der Stadt.

Krieger: Dass sich so viele Jugendliche engagieren hat ja einen Hintergrund: es ist enorm, was sich in den letzten fünf Jahren im Jugendbereich in Schriesheim getan hat: Jugendgemeinderat, Sozialarbeiterin, Busch-Gelände.

Ewald: Eben. Und dafür, dass dies alles entstehen konnte, hat der Gemeinderat mit einer großen Mehrheit gesorgt. Es wird nämlich immer wieder versucht, Teilen des Gemeinderates eine jugendfeindliche Politik vorzuwerfen. Dagegen wehre ich mich. Diese Entscheidungen für die Jugend sind auch mit unseren Stimmen getroffen worden.

Schlüter: Es ist ja auch schade, dass die Jugendarbeit immer an dieser halben Sozialarbeiter-Stelle gemessen wird. Das geht doch viel weiter.

Krieger: Wir haben Ihnen die Ablehnung der halben Stelle im Wahlkampf nie verletzend vorgeworfen.

Ewald: Und die Jusos?

Krieger: Das ist eine Frage, die in die eigene Zukunft der jungen Leute gerichtet ist und von daher dürfen von dieser Seite Äußerungen auch stärker zugespitzt werden.

Schlüter: Was soll überhaupt diese Definition freie Jugendarbeit, das suggeriert doch, als sei die andere Jugendarbeit etwas gezwungenes. Die Jugendarbeit in den Vereinen ist auch frei.

Arnold: Das sehe ich genauso. Im Grunde sind wir uns doch alle einig, dass die Jugendarbeit im Ganzen weiter gefördert und unterstützt werden muss.

Höfer: Der Gemeinderat hat eine halbe Stelle geschaffen und sie nicht genau definiert, das war ein klares Versäumnis. Das hat dazu geführt, dass öffentlich an Frau Michelmanns Arbeit herumkritisiert worden ist. In der Wirtschaft nennt man das Mobbing.

Gelingt es, mit Sparappellen und der Androhung von Kürzungen das Wahlvolk zu mobilisieren? Eigentlich verprellt man damit ja eigentlich die Wähler.

Arnold: Nein, ich war überrascht darüber, wie die Leute damit umgehen. Sie sind eigentlich schon weiter als wir Politiker.

Krieger: Das kann ich bestätigen. Die öffentlichen Haushalte sind seit einiger Zeit so stark in der öffentlichen Diskussion, dass es relativ leicht fällt, wenn man erklärt, dass auf kommunaler Ebene möglicherweise vorübergehend einige Leistungen nicht zu erbringen sind. Deshalb braucht keiner Angst zu haben, dass er am Sonntag nicht gewählt wird.

Höfer: Es verändert sich etwas im Moment. Die Menschen sind bereit, mehr für das Allgemeinwohl zu tun. Schade nur, dass die Verwaltung dass nicht immer so unterstützen kann.

Ewald: Das Bewusstsein wächst. Jetzt liegt es auch an uns Kommunalpolitikern, vorauszugehen. Schließlich können wir ja in entscheidenden gesellschaftlichen Gruppen etwas bewegen.

Krieger: Ich kann das für die Schulen bestätigen, da gab es für den Sparkurs eine sehr schnelle Verständigung, auch bei den Lehrern und Eltern. Dass ist auch ein Stück Dankbarkeit für das, was die Stadt in den letzten Jahren alles gegeben hat. Wir sind sehr gut ausgestattet.

Schlüter: Jetzt muss ich aber doch mal sagen: Die finanzielle Situation war noch nie so dramatisch. Und sie wird auf absehbare Zeit nicht besser werden. Deshalb darf es auch keine Tabuthemen geben: ich nenne zum Beispiel das zweite OEG-Gleis nach Weinheim. Wenn ich nur wüsste, wie wir da wieder rauskommen? Auch der Anbau der Schule muss diskutiert werden.

Hat die Stadt noch Sparpotential? Wenn ja, wo?
Ewald: Die Gemeinde kann ihre Finanz-Probleme nicht selbst lösen, das können nur die Parteien in Berlin und Stuttgart. Die müssen etwas ändern, sonst ist dieser Staat auf Dauer nicht handlungsfähig.

Krieger: Selbst wenn wir die ganzen freiwillilligen Leistungen der Gemeinde nehmen und überall zehn Prozent kürzen, sind wir darauf angewiesen, dass die Konjunktur wieder anspringt und sich die Rahmenbedingungen verändern.

Arnold: Und so lange wollen Sie hier sitzen und die Hände im Schoß falten?

Höfer: Frau Arnold, so wie Sie reden, müssten Sie täglich städtische Mitarbeiter entlassen. Verbal entlassen Sie täglich Leute, wenn Sie davon sprechen, dass man bei Musikschule, Bibliothek oder VHS kürzen könnte. Das könnte man so massiv nur übers Personal.

Aber wo kann man denn sparen?
Arnold: Das kann man so aus dem Bauch heraus natürlich nicht sagen, da muss man sich zuvor die Kostendeckungsrade ansehen. Ich will keine Leute entlassen. Aber unser Verwaltungshaushalt ist jetzt schon so zusammengestrichen. Nur der Bereich der freiwilligen Leistungen blieb bisher verschont. Wir müssen auch hier versuchen, zu sparen.

Schlüter: Wir haben Rezepte. Zum Beispiel eine Ausleihgebühr für die Bücher, oder eine Erhöhung mancher Kursgebühren bei der VHS. Das macht vielleicht nur 10 000 Euro aus, aber unser Problem sind doch gerade so kleine Posten, die sich häufen: Kliba, Geo-Park und so weiter.

Höfer: Oder ein Bildband für 25 000 Euro. Da muss ich doch sagen: solange der Gemeinderat dem Bürgermeister so etwas bewilligt, fehlt doch noch der gemeinsame Sparwille.

Arnold: Ich habe in der letzten Haushaltsberatung schon gesagt, dass ich nicht den Buckel hinhalte für eine über Jahre verfehlte Haushaltspolitik.

Schlüter: Moment, was Sie da sagen, ist eine Ohrfeige an uns alle.

Ewald: Dann hätten ja alle Kommunen, alle Länder und der Bund im Moment ja eine verfehlte Haushaltspolitik.

Schlüter: Außer Walldorf vielleicht.

Arnold: Aber wir haben über Jahre einen Sanierungsstau aufgebaut, wo ist denn das ganze Geld geblieben, das nicht ausgegeben worden ist?

Ewald: Machen Sie doch mal die Augen auf, wenn Sie durch die Stadt laufen. Sie reden, als würde hier jemand Geld nehmen und es in den Wald tragen. Was ist mit dem Schulzentrum? Da haben alle Prioritäten gesetzt, Millionen sind da hineingeflossen.

Krieger: Oder die Schulturnhalle, zu deren heftigsten Forderern Sie damals gehört haben.

Schlüter: Wir haben in den letzten Jahren die Schulden von 5,3 auf 3,6 Millionen Euro gesenkt. Da kann man wohl kaum von einer verfehlten Haushaltspolitik reden.

Höfer: Man muss aber auch Fehler zugeben können. Wir haben viel neues gebaut, un manche Dinge dabei vielleicht vergessen mitzunehmen.

Arnold: Aber es gab auch eine Reihe von Luxusprojekten. Zugunsten von deren Finanzierung haben wir notwendige Sanierungsmaßnahmen unterlassen. Aber es muss auch wenigstens ein Teil der Einnahmen auf die hohe Kante gelegt werden.

Höfer: Das Bekenntnis zum Schulstandort ist wichtig, auch im Sinne einer kommunalen Wirtschaftsförderung. Die Leute kommen zum Beispiel deshalb von Hirschberg und Dossenheim nach Schriesheim, weil ihre Kinder dort zur Schule gehen, oder die Bibliothek besuchen, oder die Musikschule.

Aber das Tempo der Sanierung wurde in diesem Jahr stark gedrosselt, Herr Schlüter sprach eben schon davon, den Anbau mit den Fachräumen nochmal zu überdenken. Steht der Ruf Schriesheims als Schulstadt auf dem Spiel?

Ewald: Nein. Die Sanierung wird im Moment etwas gestreckt. Wir stehen nach wie vor zur Sanierung. Da wird auch kein Geld verplempert, sondern da wird der Wert eines städtischen Gebäudes vermehrt.

Krieger: Die Schulen haben dieses Jahr keine Mittel für die Sanierung erhalten. Mit dieser Situation kann man ein Jahr leben, vielleicht auch zwei. Aber auf keinen Fall länger. Bei der Mobilität der Menschen heutzutage und bei dem großen Angebot an Schulen in der Region, müssen wir um jeden Schüler werben.

Was soll mit dem Erlös aus dem Neubaugebiet Nord passieren?
Krieger: Für die SPD ist das völlig klar: die Mittel müssen reinvestiert werden, der Gemeinderat hat ja den Beschluss mit den Schulräumen schon gefasst.

Schlüter: Bei jeder neuen Investition müssen wir aber mehr auf die Folgekosten achten als früher.

Belassen wir es mal bei dem Thema Finanzen. Im Wahlkampf hat sich gezeigt, dass viele Schriesheimer mit der Regelung des Verkehrs nicht zufrieden sind. Gibt es eine Lösung?

Schlüter: Das Gutachten, das uns neulich gezeigt wurde, weist jedenfalls keinen Königsweg aus. Es gibt kein Konzept für eine dauerhafte Verbesserung der Situation als den Branichtunnel.

Ewald: Das sehen wir genauso.

Arnold: Aber es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass der Tunnel überhaupt noch kommt. Ich glaube nicht mehr dran. Deshalb wollen wir endlich einen Bebauungsplan oder wenigstens einen Häuserfluchtenplan, damit man bei Neubauten oder Abrissen in der Talstraße die Möglichkeit hat, die Verkehrssituation zu verbessern.

Ewald: Das sehen wir nicht so. Es gibt mittlerweile Konzepte einer privaten Finanzierung, die den Tunnel durchaus ermöglichen könnten.

Wie stehen denn die Grünen zum Tunnel, vor Jahren haben Sie einen Tunnel ja noch rundweg abgelehnt, Herr Höfer?

Höfer: Das hat sich geändert. In den letzten Jahren sind im vorderen Odenwald so viele Neubaugebiete erschlossen worden, dass der Tunnel zur Entlastung der Talstraße nicht vermeidbar ist.

Es gibt aber auch Verkehrsprobleme in Schriesheim, die nichts mit dem Tunnel zu tun haben. Zum Beispiel die Wege ins Gewerbegebiet.
Ewald: Wir wollen trotzdem weiter die zweite Einfahrt auf Höhe von Duscholux, auch wenn sich die Behörden im Moment stur stellen. Auch muss die Verkehrsleitung so sein, dass der Hauptweg die B 3 ist.

Höfer: Das Gutachten zeigt aber auch vor allem, dass es in Schriesheim einen großen Nachholbedarf an sicheren Rad- und Gehwegen gibt.

Krieger: Wir fordern einen Runden Tisch, der die Situation in der Heidelberger Straße berät, wenn beide Seiten - Kunden und Geschäftsleute - darin einen Gewinn sehen, sind wir dafür, die Straße an Samstagen zu sperren.

Arnold: Das ist noch nicht sinnvoll, solange die Menschen noch mit ihrem Auto direkt vors Geschäft fahren wollen.

Höfer: Egalb, ob der Tunnel kommt oder nicht, für die Talstraße müssen Sofortmaßnahmen ergriffen werden. Ein Nachtfahrverbot.

Schlüter: Vorsicht, die Talstraße ist immerhin eine Haupterschließungsstraße in den Odenwald.

Krieger: Es geht doch um Dinge, die keinen allzu großen Aufwand bedeuten. Wenn die Gehwege gemacht werden, hilft das den Menschen in der Talstraße schon sehr.

In diesem Jahr kandidieren ja auffällig viele junge Menschen auf allen Listen. Wagen Sie eine Prognose: schlägt sich das im Wahlergebnis nieder?

Schlüter: Ich gehe davon aus, dass bei uns wieder zwei junge Leute reinkommen, wir haben den Gemeinderat schon bei der letzten Wahl verjüngt.

Krieger: Unser Ziel ist, einen Sitz mehr zu gewinnen, dann wäre ein Platz für eine Frau oder einen jungen Kandidaten in jedem Fall sicher.

Höfer: Wir wollen den sechsten Sitz, und den hätte dann sicher ein Jugendlicher.

Ewald: Bei uns scheiden zwei aus, und die werden sicher durch jemanden aus der Gruppe der Neulinge ersetzt. Ich hoffe, dass sich niemand von den Neueinsteigern entmutigen lässt, wenn er nicht gleich beim ersten Mal gewählt wird.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung