Schriesheim im Bild 2023

29.06.2004

Die Sandows wollen nicht in den Container

Aber die Stadt hat keine andere Bleibe zur Verfügung für Familien, die keine richtige Wohnung finden - Zwangseinweisung diese Woche

Schriesheim-Altenbach. (lue) Günter Sandow wohnt mit seiner Familie seit vielen Jahren in Altenbach. In der Hauptstraße hat er von der Stadt ein Haus gemietet. Doch seit eineinhalb Jahren hat der 64-jährige Rentner ein Problem. Genauer gesagt seit Dezember 2002. Damals teilte ihm die Stadt mit, dass das Mietverhältnis ausläuft. Die Wohnungssuche blieb bislang ergebnislos. Spannend wird es aber am Donnerstag. Dann nämlich läuft die Frist für die Sandows ab, aus der Wohnung auszuziehen. Falls sie sich weigern sollten, droht ihnen die Zwangsräumung durch einen Gerichtsvollzieher.

In diesen Container für Obdachlose werden die Sandows wohl noch in dieser Woche eingewiesen. Foto: Dorn

Hintergrund der Geschichte: Die Stadt ist selbst nur Mieter des Hauses, das der private Eigentümer anderweitig nutzen will. Seit Dezember 2002 sucht der ehemalige Fernfahrer also für sich und seine Familie eine neue Bleibe. "Ich habe noch nichts gefunden", schwingt im RNZ-Gespräch auch ein wenig Resignation in seiner Stimme mit. Zuletzt hat er eine Wohnung in Nieder-Liebersbach im Odenwald besichtigt. Auf annähernd 200 Annoncen hat er sich beworben und nur Absagen bekommen. Bis zu eintausend Euro wären die Sandows -Vater Günter, Mutter Roswitha und die vier Söhne - bereit, für eine Wohnung zu bezahlen. "Das können wir uns gerade noch leisten", so Roswitha Sandow.

Ganz einfach ist die Wohnungssuche aber nicht, denn Sandow ist seit einem schweren Verkehrsunfall im vergangenen Jahr zu einhundert Prozent schwerbehindert und sitzt im Rollstuhl. Damit aber noch nicht genug: Er hat lediglich eine Niere, die außerdem nur noch eingeschränkt arbeitet. Drei Mal die Woche muss er zur Dialyse ins Mannheimer Theresienkrankenhaus.

Bereits im Januar diesen Jahres sollte Sandow mit seiner Familie aus dem Haus in Altenbach ausziehen. Da aber seiner Familie die Obdachlosigkeit drohte, musste die Stadt als zuständige Behörde für entsprechenden Wohnraum sorgen. Und das gestaltete sich schwieriger als zunächst gedacht. Die Familie durften in " ihrer liebgewonnen Wohnung" in Altenbach bleiben. Mit anderen Worten: Sie wurden in das Haus, so der amtliche Ausdruck dafür, "wieder eingewiesen". Die "Einweisung" wurde zwischenzeitlich zweimal verlängert.

Ab 1. Juli steht aber eine Wohnung bereit, und zwar in den Obdachlosenunterkünften im Wiesenweg. "Da wollen wir aber in keinem Fall hin", beklagen sich Günter Sandow und seine Frau über die "unverständliche Entscheidung der Stadt". Zumal nach ihrer Ansicht dort "nur Ausländer und Asoziale leben". Einfach ausziehen wollen sie jedenfalls nicht. "Wir werden kämpfen", kündigte Roswitha Sandow an, sich dem Beschuss der Stadt notfalls widersetzen zu wollen. Mittlerweile hat das Ehepaar auch juristischen Beistand genommen und die Angelegenheit einem Rechtsanwalt übergeben.

Bei der Stadt versteht man die ganze Aufregung nicht. "Wir mussten doch handeln", verdeutlichte Bürgermeister Peter Riehl auf RNZ-Anfrage. "Die Ausgleichswohnung im Wiesenweg ist völlig ausreichend", bringt der Verwaltungschef auch kein Verständnis für die Argumente der Familie auf. "Wir bewegen uns absolut auf dem Boden der gültigen Rechtsvorschriften", so der Bürgermeister kurz und bündig. Das Obdachlosenrecht sieht pro Person acht Quadratmeter Wohnfläche vor. Zwei Zimmer, Küche und Bad sollen die Sandows, die Eltern und ihre vier Söhne, bekommen. Auf ingesamt 50 Quadratmetern. Rechnerisch gesehen, ist somit für die Stadt alles in Ordnung. Zumal die Wohnung auch behindertengerecht ist und damit auch der schlechte Gesundheitszustand von Günter Sandow berücksichtigt wird.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung