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16.07.2004

Die Grünen haben vor fünf Jahren ganz anders geredet

Fraktionen und Bürgermeister Riehl nehmen Christian Wolf wegen seiner Äußerungen in der Stellvertreter-Diskussion ins Kreuzfeuer der Kritik

Schriesheim. (ron) Die Grünen beharren im Moment auf dem Posten des Zweiten Bürgermeister-Stellvertreters. Ihr Argument, das Amt stehe ihnen als zweitgrößte politische Kraft auch zu, haben sie allerdings noch bei der letzten Wahl vor fünf Jahren selbst nicht gelten lassen.

Der Sinneswandel der Schriesheimer Grünen wurde manchem erst gestern klar, als unter den anderen Fraktionen des Schriesheimer Gemeinderates der Auszug eines Sitzungsprotokolls vom Dezember 1999 zu kursieren begann. Dieses Protokoll liegt natürlich auch der RNZ vor. Damals ging es um die Wahl von CDU-Fraktionschef Siegfried Schlüter zum Ersten Stellvertreter. Die Grünen hatten ihren Stadtrat Hans-Jörg Höfer als Gegenkandidat postiert. Wolf selbst argumentierte damals, dass aus der Stärke der Fraktion nicht bindend der Anspruch auf den Stellvertreter-Posten abzuleiten sei.

Und genau umgekehrt äußerte sich Wolf in der letzten Woche in einer Pressemitteilung. Dort bezeichnete er die Vergabe der Bürgermeister-Posten nach Fraktionsstärke als "ganz normalen demokratischen Brauch". Wörtlich: "Die Menschen haben das Gefühl, dass das Kräfteverhältnis im Gemeinderat auch in den Stellvertretern repräsentiert sein soll."

Nach Bekanntwerden des Protokolls haben CDU und FDP gestern prompt reagiert: "Stehen Sie zu Ihrem Wort, liebe Grüne Liste", stichelt die liberale Stadträtin Dr. Birgit Arnold. Und Adran Ahlers, der Pressesprecher des CDU-Ortsverbandes, fordert den Grünen auf: "Erinnern Sie sich an Ihre eigenen Grundsätze!" Arnold rückt genüsslich noch eine weitere Schwachstelle der Grünen in den Mittelpunkt. Wolf hatte erklärt, in Schriesheim gäbe es durchaus genügend Aufgaben für drei Bürgermeister-Stellvertreter, und außerdem könnten die Aufgaben auch thematisch aufgeteilt werden. Er hatte damit wiederum auf die Zuspitzung des Juli-Sprechers Marc Gnädinger reagiert, der über den "Stellvertreter des Stellvertreters des Stellvertreters" gelästert hatte. Aber Arnold und auch Bürgermeister Peter Riehl haben gestern klar gestellt, dass Gnädinger völlig Recht hatte. Gnädingers Anmerkungen hatte Wolf als Äußerungen eines "kommunalpolitisch unerfahrenen und uninformierten Kandidaten" abgetan. "Und er hat doch Recht!", triumphiert jetzt Arnold.

Auch Riehl hat gestern Wolfs Interpretation der Stellvertreter-Aufgaben als "baren Unsinn" bezeichnet. Die Gemeindeordnung schreibe nämlich vor, dass die Stellvertreter des Bürgermeisters nur in ihrer Reihenfolge eingesetzt werden können. Auch eine Aufgabenverteilung nach Geschäftsfeldern sehe die Gemeindeordnung nicht vor. Dabei sei es jederzeit möglich, einzelne Gemeinderäte je nach Qualifikation als Repräsentanten der Stadt zu beauftragen. Riehl: "Wenn Herr Wolf so stark nach Moral ruft, soll er erst einmal vor der eigenen Türe kehren."

Eindeutig ist Riehls Standpunkt bei der Stellvertreter-Frage. Siegfried Schlüter und Heinz Kimmel sind für ihn die richtigen Stellvertreter, "weil mit ihnen ein effizientes Arbeiten möglich ist." Er sei nicht der Meinung, die Stellvertreter-Posten müssten nach Parteiproporz verteilt werden. Mit Schlüter arbeiter er "in einem idealen Miteinander".

Riehl für Schlüter und Kimmel
Und FWV-Chef Heinz Kimmel sei ein Mann, der "immer für die Stadt da ist". Riehl: "Eine wichtige Arbeitskraft." Allerdings werde er die Entscheidung mittragen, wenn sich der Gemeinderat in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause im September für einen dritten Bürgermeister-Stellvertreter ausspricht. Riehl: "Das wäre nicht unbedingt nötig, aber auch nicht schädlich für die Stadt, also gar kein Problem für mich."

Die Personaldebatte wird die Schriesheimer Gemeinderatspolitik Anfang September beschäftigen. Als einzige politische Kraft der Stadt haben sich die Freien Wähler noch nicht zur Stellvertreter-Frage geäußert.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung