Schriesheim im Bild 2023

13.08.2004

Sie können sich mit Worten wehren

Sich selbst behaupten: Zwölf Kinder im Grundschulalter entwickelten Stärke im "WSD Pro Child"-Programm

Von Anke Ziegler

Schriesheim. Ursprünglich fing die "WSD Persönlichkeitstraining GmbH" mit Selbstverteidigungskursen vor rund 20 Jahren an. Ein Programm für Kinder gibt es von Seiten der WSD (Womens Self Defense) nun seit fast sieben Jahren. Allein in Deutschland haben bisher über 40000 Kinder daran teilgenommen. Seit Januar dieses Jahres werden die altersspezifischen Kurse im Rhein-Neckar-Raum angeboten. Auch in Schriesheim gab es einen.

"Nein" brüllt Lisa, stößt mit ihrem Ellenbogen nach hinten, schüttelt dabei Leiterin Jutta Heck ab, die sie festhält, und läuft davon. "Sehr gut", lobt Heck. Dann ist Alicia an der Reihe, auch sie weiß sich zu wehren, wenn sie jemand festhält. Ihr "Nein" hallt durch den gesamten Pavillon der Strahlenberger Grundschule.

Die Schüler der ersten bis vierten Klasse der Strahlenberger Schule lernten über mehrere Wochen in dem sechsstündigen WSD "Pro Child"-Kurs, sich selbst zu behaupten, auch einmal "Nein" zu sagen, wenn ihrem Gefühl nach etwas nicht stimmt oder ihnen etwas nicht gefällt. Der Kurs trägt dazu bei, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken, denn selbstbewusstes Auftreten wirkt als Schutzschild vor kriminellen Übergriffen. Untersuchungen von Kriminalpolizei und Psychologen belegen, dass gerade Sexualtäter bevorzugt Kinder als Opfer aussuchen, die unsicher und schüchtern wirken. So steht in diesem Kurs grundsätzlich immer das Vermitteln von selbstbewusstem Auftreten im Vordergrund.

Training im Pavillon

Leiterin des Kinderschutzprojekts für Grundschulen ist Jutta Heck aus Hirschberg, die auch mit der Strahlenberger Grundschule in Kontakt getreten ist. Insgesamt zwölf Kinder hatten sich in Schriesheim für einen sechsstündigen Kurs (eine Stunde pro Woche) gemeldet und lernten im Pavillon der Grundschule Verteidigungsmethoden und Verhaltensweisen kennen und entdeckten so ihre eigenen Stärken. Die Jungen und Mädchen lernten, sich in kritischen Situationen richtig zu verhalten. Neben ausgesuchten Selbstverteidigungstechniken bilden Rollenspiele und Übungen den Schwerpunkt aller Pro-Child-Kurse.

"Blickkontakt halten"

Jede der sechs Kursstunden ist einem bestimmten Thema gewidmet. Angefangen vom einfachen "Blickkontakt halten" bis hin zu Übungen, über die Wirkung der Körpersprache. So stellte Heck mit den Grundschülern eine typische Szene dar. Ein Mann oder eine Frau in einem Auto hält an und fragt ein Kind nach dem Weg.

Dieses antwortet zunächst, doch der Autofahrer versteht es nicht und bittet es näher zu kommen. "Was würdet ihr da machen", erkundigte sich Heck bei den Kleinen. "Ich würde weglaufen", so Lisa. "Eine gute Idee", so die Leiterin. "Ich würde meine Hände als Trichter verwenden und den Weg noch einmal lauter beschreiben". "Sehr gut", lobte Heck. Doch der Autofahrer versteht immer noch nicht, bietet dem Kind Geld, wenn es ins Auto steigt und ihm den Weg zeigt. "Nein", kam es da klar und laut auch von den Kleinsten.

Mit abwehrender Handbewegung verdeutlichten sie ihre Aussage und deuteten an, davonzulaufen. "Am besten nach Hause oder zur nächsten Vertrauensperson", unterstrich Heck. Wer im Bekanntenkreis Vertrauensperson ist, hatten die Kinder als Hausaufgabe bereits mit ihren Eltern abgeklärt.Die Beteiligung der Eltern ist bei diesem Programm sehr wichtig.

So mussten die Eltern, bevor sie ihre Kinder zum WSD-Kurs angemeldet haben, ein eineinhalb stündiges Seminar besuchen, in dem sie nicht nur über typische Merkmale des Täte/Opferprofils informiert wurden, sondern auch über präventive Möglichkeiten, um ihre Kinder zu schützen und über Erziehungsregeln zum Aufbau von Selbstbewusstsein.

Heck hat mit den Grundschülern fünf Selbstverteidigungstechniken einstudiert, damit sie sich bei einem eventuellen Zugriff losreißen und fliehen können. Die Techniken üben die Schüler unter anderem mit einem Schlagkissen.

Tobi boxte mit dem Knie einmal dagegen und stieß seinen rechten Ellenbogen nach vorne auf das Kissen. "Nein", brüllte er. Dann kickte er dreimal mit dem Fuß und ruft "Ich bin stark". Und das sind die Schüler der Strahlenberger Grundschule nach dem Kurs gewiss. Sie wissen sich inzwischen zu wehren und ein Gefühl zu entwickeln, was richtig ist und was falsch.

Wenn ihnen etwas nicht gefällt, haben sie nun den Mut, dass auch zu sagen. Und noch etwas haben die Kinder gelernt: Starke Kinder wehren sich mit Worten. Die WSD-Techniken sollten sie nur im Notfall anwenden.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung