Schriesheim im Bild 2023

16.08.2004

Mit Italienern will sie gar nicht konkurrieren

Jutta Becker in Schriesheim verkauft Pfirsiche und Nektarinen von der Bergstraße - Hier können die Früchte ihr Aroma voll entfalten

Die Gartenbauingenieurin und künftige Schriesheimer Stadträtin Jutta Becker erntet auf ihrem Schriesheimer Obsthof Pfirsiche und Nektarinen von der Bergstraße. Im Moment ist Hauptsaison für die süßen und saftigen Früchte, die in der Region gerade zum richtigen Zeitpunkt geerntet werden können. Fotos: Dorn

Von Caroline Hoffmann

Schriesheim. "Dieses Jahr haben wir besonders viele Pfirsiche" freut sich Jutta Becker. Mit ihrem Mann Peter und ihrer Schwiegermutter Waltraud bewirtschaftet sie einen Obsthof zwischen Dossenheim und Schriesheim.

Pfirsiche an der Bergstaße? Das mag den einen oder anderen stutzig machen, stammen doch die meisten Pfirsiche auf dem deutschen Markt von Europas Pfirsichgarten Italien. Dass auch an der Bergstraße Pfirsiche gedeihen, vermuten die wenigsten. Dabei "sind wir hier klimatisch bevorzugt", so Jutta Becker. An der Bergstraße herrscht gemäßigt warmes Klima, der Odenwald schützt vor kalten Ostwinden. Familie Becker baut hier auf viereinhalb Hektar Land Tafelobst an, neben Kirschen und Zwetschgen seit den 70er Jahren auch Pfirsiche. Zuerst waren es nur einige wenige Bäume, inzwischen wachsen auf dem Hof etwa zehn verschiedene Sorten, die so klangvolle Namen wie "Red Heaven" oder "Red Wing" tragen.

Gerade ist Hauptsaison: Jutta Becker erntet "ihre" Pfirsiche größtenteils alleine, die Schwiegermutter und der Ehemann sind für die anderen Obstsorten zuständig. In diesem Jahr hat sie besonderns viel zu tun, da es ein sehr ertragreiches ist: Für den sonst so kritischen Blütenfrost war es zu warm. Als Folge hingen die Bäumen derart voll kleiner Früchte, dass sogar ausgedünnt werden musste, da andernfalls die Pfirsiche nicht groß genug geworden wären. Sobald die Früchte ganz reif sind, pflückt sie die studierte Gartenbauingenieurin von Hand.

Man muss sie wie "rohe Eier" behandeln, da sie empfindlich sind und schnell Druckstellen bekommen. "Das ist der einzige Nachteil, wenn man die Pfirsiche länger am Baum hängen lässt. Aber nur so können sie auch ihr volles Aroma entfalten.", meint die angehende Stadträtin, "Die Pfirsiche schmecken dann besser, auch wenn sie nicht immer perfekt aussehen." In den südlichen Ländern wird das Obst meist unreif geerntet, da es den langen Transport ins Ausland überstehen muss und auch im Supermarkt noch gut aussehen soll. Der Geschmack bleibt oftmals auf der Strecke. Geerntet kommen die Pfirsiche sofort in den sechs Grad kalten Kühlraum und werden dann ab Hof verkauft.

Auf den Geschmack gekommen sind auch Ohrenklammern und Bienen, die gerne an den Pfirsichen knabbern. Der amtliche Pflanzenschutzdienst gibt deshalb einmal in der Woche ein Fax heraus, in dem er vor aktuellen Schädlingen warnt. Fungizide und Pestizide werden dann gezielt eingesetzt. Erstaunlicherweise müsste man die Früchte trotzdem nicht unbedingt waschen: Es gibt eine festgelegte Wartezeit bevor das Obst verkauft werden darf, in der das Pflanzenschutzmittel wieder abgebaut wird.

Stammkunden und Kenner
Danach sind so gut wie keine Rückstände mehr zu finden. Wer auf Pfirsiche allergisch reagiere, sollte es einmal mit den glatten und haarlosen Nektarinen versuchen, rät die Pfirsichbäuerin, denn Schuld sei meistens der feine Flaum auf den Pfirsichen.

Über den Erzeugergroßmarkt kann Jutta Becker ihre Pfirsiche nicht vertreiben, da dieser nur an großen Paletten interessiert ist. Auch kann und will sie gegen die Billigware aus dem Ausland nicht konkurieren: "Die Kunden kaufen getreu dem Motto "Geiz ist geil" und sparen bei den Lebensmitteln.", beklagt sie sich, "Wenn der Großhandel Pfirsiche für 79 Cent pro Kilo bekommt, verdient der Bauer in Italien sicherlich nicht mehr viel. Gegen solche Preise haben wir keine Chance." Auch schlagen die Supermärkte die Preise manchmal zu sehr auf, so dass es bei den Erzeugern zu einem Warenrückstau kommt.

Ihre Pfirsiche bekommen die Beckers aber trotzdem gut los: Am Hof weist ein Schild auf den Obstverkauf hin. Mund zu Mund-Propaganda ist aber doch die beste Werbung. Abnehmer sind dann entweder "Gelegenheitskäufer", Spaziergänger, die zufällig vorbeikommen und Pfirsiche kaufen, oder Stammkunden und Kenner. Die unterscheiden bei dem ursprünglich aus China stammenden und dort als Symbol der Unsterblichkeit geltenden Mandelbaumgewächs zwischen weiß- und gelbfleischig, auch das Steinlösungsvermögen spielt eine Rolle. Außerdem schätzen sie den Pfirsich wegen seines hohen Provitamin-A-Gehalts. Deshalb kommen sie auch jedes Jahr gerne wieder, wenn es Pfirsiche an der Bergstraße gibt.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung