Schriesheim im Bild 2023

13.09.2004

Die Mühle klapperte am Kanzelbach

Tag des offenen Denkmals: Bei einem Besuch in Heinrich Rufers historischer Ölmühle blickt man in die Vergangenheit eines alten Gewerbes

So manche Anekdote von früher gab Heinrich Rufer (2. v. l.) vor den interessierten Besuchern zum Besten. Sein Großvater kaufte die Ölmühle im Jahr 1890, er selbst bewahrt nun das historische Erbe. Foto: Kreutzer

Schriesheim. (Si) Dass reines Pflanzenöl gesund ist, ist keine Neuigkeit. Zwar haben sich die Verarbeitungsmethoden im Lauf der Jahrhunderte gewaltig gewandelt, das Produkt selbst, aus dem das Öl destilliert wird, ist aber immer noch aktuell. Alles über das Öl und seine Gewinnung erfuhren die Besucher der historischen Ölmühle am Tag des Denkmals.

Das Müllergewerbe an der Kanzelbach ist nur noch in der Ölmühle nachvollziehbar, alle anderen Schriesheimer Mühlen sind längst Vergangenheit. Die Geschichte wird schnell wieder lebendig, wenn Heinrich Rufer vom Raps erzählt oder vom Bucheckernöl, das sehr begehrt aber schwer zu bekommen ist. Mohnöl wird schnell ranzig, Rapsöl dagegen ist sehr haltbar und stellt den Hauptanteil bei der Gewinnung in der alten Ölmühle. Die Mahlanlage ist über 400 Jahre alt. Erstmals erwähnt wurde sie 1623, wusste Rufer zu berichten. Nach dem Brand von 1857 wurde sie wieder aufgebaut, aus dieser Zeit stammt auch der alte Kollergang. 1890 kaufte Rufers Großvater das Gebäude.

Nach dem zweiten Weltkrieg nahm der Rapsanbau rapide ab, da er sehr aufwendig ist. Und auch das Mahlen ist problematisch, erklärt Rufer weiter. Ist der Raps zu reif, fallen die Schoten schon vorher aus den "Buscheln" heraus. 1963 wurde die Ölmühle endgültig stillgelegt, doch Enkel Heinrich wollte das Gebäude zumindest als Denkmal erhalten. In der Ölmühle stehen zwar momentan (noch) die Räder still und es wäre eine enormer Aufwand erforderlich, um sie wieder zum Laufen zu bringen, doch die Teile sind alle noch vorhanden und gepflegt. Aber allein der Blick in die Vergangenheit der Ölmühle ist für die Besucher reizvoll und lohnt den (finanziellen) Aufwand. Schließlich wird hier ein Stück Zeitgeschichte veranschaulicht. 1982 wurden das Mühlrad und der Mühlkanal restauriert und vor vier Wochen wurde das letzte Schriesheimer Mühlrad, an dem der Zahn der Zeit ordentlich genagt hatte, durch ein neues aus Schiffsaluminium ersetzt. Der Vorteil: Der moderne Werkstoff nimmt nach kurzer Zeit die Farbe von Holz an.

Rufer kümmert sich bis heute sorgsam um den alten Hof, die Mühle und den Bachabschnitt. Er kennt zahllose Anekdoten über die Öl-Gewinnung in früheren Zeiten. Etwa die von den Arbeitern, die mal eben in eines der nahen Gasthäuser verschwanden, um dann recht fröhlich zur Arbeit in die Mühle zurückzukehren. Öl war damals schon sehr teuer, erläuterte Rufer. Pro Arbeitstag in der Mühle wurden etwa 10 Zentner Raps in 200 Liter Öl "verwandelt". Man wartete, bis genug Raps angeliefert worden war, damit sich die Arbeit lohnte, dann wurde eine ganze Woche durchgearbeitet.

In Säcken wurde die Saat angeliefert, gewogen anhand des Gewichts ermittelte der Müller wie viel Öl der Erzeuger zurückbekam. Der Schlaglohn betrug 10 Mark pro Zentner. Das Mahlgut fiel erst in die Putzmühle und wurde dort mittels Sieb und Gebläse gereinigt, die Körner wanderten durch die Schrotmühle in den unteren Kollergang wo sie durch die Gewichte der Steine zermahlen wurden. Zuvor wurde die Saat auf 40 bis 50 Grad erwärmt, um das Öl besser herausholen zu können. Schichtweise wurde die Saat in einen "Seier", einen Zylinder mit durchlöcherten Mantel, eingefüllt und mit einer Hydraulik nach oben gedrückt. Danach wurde das Mahlgut in Eisenblechen gelagert, damit sich der "Trub" absetzen konnte und am Schluss wurde das Öl.

Ein ganzes Geschichtsbuch würde allein die Ölmühle am Kanzelbach füllen, das Mühlenbuch von Dr. Hermann Brunn indessen ist eine Fundgrube für alle , die an der Geschichte der Schriesheimer Mühlen und dem ältesten Schriesheimer Gewerbe, der Müllerei, interessiert sind.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung