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24.09.2004

Mit Fingerspitzengefühl in den Weinberg

Die Weinlese bei der Schriesheimer Winzergenossenschaft beginnt am 7. Oktober und soll flexibel gehandhabt werden

Schriesheim. (ron) Die Winzer der Bergstraße schauen mit bangen Blicken zum Himmel. Der Regen tut den Trauben gar nicht gut. Eigentlich bräuchten sie dringend noch Sonne, bis am 7. Oktober bei der Schriesheimer Winzergenossenschaft die Weinlese startet.

"An diesem Tag nehmen wir zum ersten Mal die Trauben an, wie es danach weitergeht, können wir noch nicht genau sagen, wir müssen flexibel sein." So bereitete Harald Weiss, der Geschäftsführer der Schriesheimer Winzergenossenschaft, am Mittwochabend seine Winzer bei der Herbstversammlung schon mal auf eine knifflige Lese vor. "Wenn's brennt, müssen wir mal schnell einen Weinberg ernten, ein anderes Mal können wir auch ein paar Tage eine Pause einlegen, wenn es schönes Wetter ist."

Weiss knüpfte dort an, wo am Montag sein Freiburger Önologen-Kollege Dr. Volker Jörger schon eine "Weinberg-Predigt an die Schriesheimer Winzer erhoben hatte: die Weinberge befinden sich nach seinen Beobachtungen noch in sehr unterschiedlichem Zustand. "Es gibt perfekte Anlagen", lobte Weiss und goss gleich einen Wermutstropfen nach, "und es gibt Anlagen, in denen besteht dringender Handlungsbedarf".

Teilweise seien die Mostgewichte noch im Keller, bisweilen fast 25 Grad unter den Vergleichswerten des letzten Jahres. "Einzelne Trauben haben erst 50 Grad Öchlse, wenn man da reinbeißt, zieht es einem alles zusammen", schüttelte sich der Geschäftsführer. Der Grund fast allen Übels: Manche Winzer muten ihren Weinbergen zuviel Last zu, das laugt den Rebstock aus und verhindert die besonderen Qualitäten. "In manchen Weinbergen hängt manchmal die Hälfte zuviel", ärgerte sich Weiss. Deutlich führte er den Winzern das Problem mit einem mitgebrachten Zweig Spätburgunder-Trauben vor. Statt dunkelblau waren die Beeren eher blassgrau. "Was jetzt nicht durchgefärbt ist, gehört auf den Boden geschnitten", forderte er die Winzer zum Ausdünnen aus. "Es ist keineswegs zu spät", spornte er an. Denn eigentlich seien die Voraussetzungen für einen guten Jahrgang, der immerhin ein würdiger Nachfolger des Jahrhundertjahrgangs 2003 werden könnte, gegeben. "Wir können 2004 sehr aromatische und fruchtige Weine machen, wenn wir uns anstrengen", spornte der Geschäftsführer an. Auch wollte er nicht nur von "schwarzen Schafen" reden sondern lobte: "Die allermeisten haben verstanden."

Schließlich liege die Messlatte der Genossenschaft mittlerweile hoch. "Wir sind gut im Rennen und haben in der ganzen Region Auftritte", berichtete Weiss von guten Geschäften und einer Medaillenflut bei den Weinprämierungen.

"Keine Lesehektik"
Der bevorstehende Herbst fordere das Fingerspitzengefühl der Winzer. Insgesamt geht der WG-Vorstand von 20 Lesetagen aus, die so flexibel wie möglich gestaltet werden sollen. Manche Sorten und Anlagen sollten in jedem Fall mehrmals und sortiert gelesen werden, vor allem beim Grauburgunder und beim Spätburgunder. "Es kann auch bis weit in den November hineingehen", kündigte er an. Es bestehe keinerlei Anlass, "in Lesehektik zu verfallen". Weiss: "Gesunde Trauben sollen so lange weiterreifen wie es geht." Und der Geschäftsführer machte deutlich, dass für ihn beim schlechten Wein die Freundschaft aufhört: "Wir sind gut ausgerüstet, um jede Anlieferung zu kontrollieren."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung