Schriesheim im Bild 2023

08.10.2004

Kaiserwetter zum Lesebeginn

Schriesheimer Winzer starteten mit beachtlichen Öchslegraden und blauem Himmel in den Herbst

Von Roland Kern

Schriesheim. Schöner hätte der Auftakt zur Weinlese gestern nicht sein können: Kaiserwetter und beachtliche Öchlsegrade. So kann es weitergehen.

Da gab es Leute wie Willi Kirschenlohr, einer der erfahrensten Nebenerwerbswinzer der Schriesheimer Winzergenossenschaft. Der Rentner pflegt überwiegend alte Weinberge, die älter als 30 Jahre alt sind. 60 Ar sind in Arbeit - und ein Gutteil bearbeitet Kirschenlohr mit der Hand, weil die Lagen zu steil sind. Aber gerade so "Schaffer" wie er sind die feste Bank der Genossenschaft. In seinen Bottichen lagen kerngesunde zuckersüße Müller-Thurgau-Trauben. "Optimal", bescheinigte Genossenschaftsgeschäftsführer Harald Weiss. Die Mostgewichtwaage log nicht: 90 Öchlse wiesen Kirschenlohrs Trauben auf. Das ist zwar etwas weniger als im Rekordjahr 2003. Aber mehr als 2002. Beachtlich in jedem Fall.

Kirschenlohr war gestern zum Leseauftakt in Schriesheim der erfolgreichste Winzer, aber er war nicht allein auf weiter Flur. Nach den Regenwochen der letzten Zeit hatten die Winzer mit diesen Werten und dem Geschmack ihrer Beeren gar nicht gerechnet. Jetzt strahlten sie gestern mit der Sonne um die Wette.

Heute Nacht wurden die ersten 100 000 Kilo frisch gekelterten Traubenmostes bereits nach Breisach in die Tanks des Badischen Winzerkellers gekarrt. "Das wird ein großer Herbst, wir kommen sicher über eine Million Kilo", schätzte Harald Weiss, der ganz glücklich in den Wiegescheinen blätterte: die Müller-Thurgau-Trauben lagen fast alle zwischen 80 und 90 Grad Öchsle.

Dabei hatte der erste Lesetag ganz ruhig begonnen. Um 12 Uhr brieten sich die Leute der Keltermannschaft um Uwe Hölzel und die Brüder Rell aus Leutershausen im Backofen der kleinen Kelterhaus-Küche erst einmal drei Hühnchen zum Mittagessen. Die Winzer nutzten die Sonnenstrahlen nach der feuchten Nacht, um ihre Trauben trocknen zu lassen. Erst dann zogen sie in die Weinberge. So war die Stoßzeit am Kelterhaus erst gegen Abend - und hielt an bis in die Nacht. "So einen Tag muss man auskosten bis zum Schluss", empfahl der Leutershausener Winzer Friedrich Merx.

Der neue Sauvignon blanc
Mit dabei war übrigens auch Weinprinzessin Ariane Merkel, die mit ihrem Vater Gerhard zur Lese zog. Die junge Dame kam extra wegen des Herbstens und natürlich wegen des 90. Geburtstags ihrer Großmutter Gretel Merkel nach Schriesheim gejettet. Denn eigentlich befindet sie sich gerade auf einem Au-Pair-Aufenthalt in Kopenhagen.

Für die Schriesheimer Winzergenossenschaft kann es so weitergehen in den nächsten Tagen. Einige Neuerungen gibt es übrigens (s. auch Leseplan auf dieser Seite). So wird vermutlich in der nächsten Woche eine neue Traubensorte geerntet: der erste Sauvignon blanc. Unterdessen warten die Winzer auf die ersten abgefüllten Flaschen des Chardonnay, er wird in den nächsten Tagen auf den Markt kommen. Überhaupt gehen Geschäftsführer Weiss die Ideen nicht aus. Noch vor Weihnachten will er neue Etiketten herausbringen, um das Image der Winzergenossenschaft weiter aufzupolieren. "Unsere Geschäfte laufen gut, da darf man nicht müde werden", schmunzelte er.

Neben der Winzer genossenschaft haben gestern und in den letzten Tagen auch andere Schriesheimer Weingüter die erste Ernte eingefahren. "Ich habe das gute Wetter der letzten Tage genutzt", erklärte Georg Bielig, der übrigens mit dem Genehmigungsverfahren für sein neues Weingut im Westen der Stadt ein Stück weitergekommen ist. Allerdings will auch er in den nächsten Wochen flexibel bleiben.

Die Genossenschaft beginnt in der nächsten Woche mit den Rotwein-Trauben und voraussichtlich übernächste Woche mit dem Riesling. Jetzt muss nur noch das Wetter so bleiben, wie es gestern war.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung