Schriesheim im Bild 2023

29.12.2004

"Ich bediene gerne"

Seit mehr als 40 Jahren bedient Irma Schiemer beim "Franke Doktor" - Ans Aufhören denkt sie nicht


Auch mit 80 Jahren trägt die rüstige Bedienung das Tablett mit Getränken sicher durch die Gaststätte. Auch die Computerkassen bedient sie ohne Probleme. Foto: Dorn

Von Anke Ziegler

Schriesheim. Wenn Irma Schiemer einmal nicht in der Gaststätte Frank arbeitet, fragen die Stammkunden immer gleich: "Ist die Irma krank?" Denn die Bedienung serviert schon seit 44 Jahren den Gästen beim "Franke Doktor" die Speisen und Getränke. Das ist schon eine beachtliche Leistung, doch viel beachtlicher ist: Schiemer wurde am 4. November diesen Jahres 80 Jahre alt.

Der rüstigen Dame sieht man ihr Alter aber keineswegs an. Sie nimmt Bestellungen auf, trägt Essen und Getränke an die Tische im Restaurant, unterhält sich mit dem einen oder anderen Gast und kassiert. Man merkt, dass sie Freude dabei hat. "Ich bediene gerne", sagt Schiemer und das ist auch der Hauptgrund, warum sie immer noch arbeitet. "Man bleibt fit dabei, geistig und körperlich", erzählt sie weiter und ihre Erscheinung bestätigt dies.

Sie ist eine Institution in der Gaststätte Frank und es gab schon Stammgäste aus Großsachsen, die sich in die Bahn gesetzt und nur gesagt haben, "wir wollen eine Fahrkarte zur Irma" und schon war klar, wohin es gehen sollte.

Der Spaß an der Arbeit bis ins hohe Alter liegt bei den Schiemers in der Familie. Irma Schiemers Schwester Aurelia Frank werkelt mit 78 Jahren ebenfalls immer noch im Gasthof mit und auch die dritte im Bunde, Paula Amann, steht noch häufig in der Küche des Restaurants. Sie ist sogar schon 84. Der "Franke Doktor" ist schon seit jeher ein Familienbetrieb. Von 1959 bis 1965 war die Gaststätte eine Pachtwirtschaft, in der Schiemer immer wieder bediente. 1965 kauften die Franks dann das Restaurant in der Bismarckstraße, die Schriesheimerin half auch da regelmäßig im mit. "Man hat geschafft, wenn man gebraucht wurde", erinnert sich die 80-Jährige. Und weiter: "Man hat gearbeitet und nicht geklagt."

Heute bedient sie meist mittwochs und am Wochenende oder eben wenn sie gebraucht wird. Mit dem Auto wird sie abgeholt, um 15 Uhr beginnt ihre Schicht. Die dauert bis 23 oder 24 Uhr, manchmal auch länger. Mit der späten Uhrzeit hat die fitte Dame jedoch keine Probleme. Auch das Tragen von Tellern und Gläsern ist für sie keine Anstrengung. "Ich bin es doch gewohnt. Ich habe das jahrelang gemacht", sagt Schiemer unbeeindruckt. Von Krankheiten und Gebrechen will sie gar nichts wissen. Das kennt sie nicht und wenn es nach ihr geht, wird es auch eine ganze Weile noch so bleiben. Die Bestellungen merkt sie sich ebenfalls noch ohne Probleme. Da ist sie sogar den jüngeren Kolleginnen weit voraus. "Sie weiß meist sogar eine Woche später noch, welcher Gast was getrunken und gegessen hat", betont Aurelia Frank. Früher habe es eben noch keine Computerkassen gegeben, die alles abspeichern, da musste man sich alles im Kopf merken, ein Block war das höchste der Gefühle. Das trainiert das Gedächtnis. Schiemers schnelle Auffassungsgabe zeigt sich auch daran, dass sie die neue Computerkasse, die vor zwei Jahren eingeführt wurde, einwandfrei bedienen kann.

Schiemer hat eine Tochter, einen Enkel und zwei Urenkel. Die Tochter hilft ebenfalls zweimal die Woche im Familienbetrieb mit. Doch so lange wie ihre Mutter möchte sie nicht arbeiten. Dass die aber weiter Bier und Schnitzel beim "Franke Doktor" serviert, ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit. "Gehst wieder arbeiten", fragt ihr Urenkel, wenn sie aus dem Haus geht und meist ist das auch so.

Bei ihrer Arbeit erfährt Schiemer auch so manch persönliche Geschichte von den Gästen, doch die behält sie meist für sich: "Man darf nicht alles so an sich ran lassen und am besten still sein, wenn einem etwas erzählt wird", weiß die 80-Jährige aus langer Erfahrung. Damit ist die Schriesheimerin immer gut gefahren und so wird sie es auch weiter halten. Denn aufhören zu bedienen wird Schiemer erst, wenn es gar nicht mehr geht. Und bis dahin ist es hoffentlich noch lange hin.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung