Schriesheim im Bild 2023

03.01.2005

Neun Stunden täglich im Dienst der guten Sache unterwegs

Am Samstagnachmittag hat die traditionelle Sternsingeraktion in Schriesheim begonnen - Spenden kommen auch den Opfern der Flutkatastrophe in Thailand zu Gute

Unter dem Motto "Kinder haben eine Stimme" sammeln die Sternsinger noch bis zum 6. Januar für Not leidende Kinder in der ganzen Welt. Foto: Dorn

Von Nadja Müller

Schriesheim. "Jule, sitzt der Turban auch richtig?" Bevor die Klingel am ersten Haus in der Bismarckstraße gedrückt wird, versichern sich die fünf "Sternsingerinnen" noch einmal, dass ihre Kostüme nicht verrutscht sind. Betreuerin Juliane nimmt die letzten Korrekturen vor - hier wird ein Schleier zurecht gezupft und da ein Stirnband in die richtige Position gebracht. Dann drängen sich alle vor der Tür und warten gespannt darauf, dass ihnen jemand öffnet. Doch im Hausflur bleibt es dunkel. Fehlanzeige. "Na ja, dann kriegen sie eben einen Handzettel", sagt Anna Katharina und steckt einen Flyer mit dem Motto der Aktion in den Briefkasten.

In fünf Gruppen sind die Sternsinger seit Samstagnachmittag in Schriesheim unterwegs, und sammeln Geld für Not leidende Kinder in aller Welt. Bis zum sechsten Januar werden sie von Haus zu Haus ziehen. Auch wenn die katholische Kirche die Aktion organisiert, die Konfession der Sternsinger spielt keine Rolle. Sowohl katholische als auch evangelische Kinder marschieren gemeinsam für einen guten Zweck. Schwerpunktthema des diesjährigen Dreikönigssingens ist Thailand.

Das stand schon vor der Flutkatastrophe fest und erscheint jetzt fast wie ein makaberer Zufall. Das gesammelte Geld kommt aber nicht ausschließlich Bedürftigen in Thailand zu Gute, sondern fließt überall dort hin, wo die Not groß ist. Die Spenden helfen Kindern, die an Aids erkrankt sind oder ihre Familie verloren haben, die an Hunger leiden oder mit einer Behinderung zu kämpfen haben und solchen, die auf der Straße leben oder keine Möglichkeit zur Schulbildung haben.

Schwerpunkt Thailand

"Kinder haben eine Stimme" lautet das Motto der Aktion und so ziehen die Sternsinger im Namen all dieser Hilfsbedürftigen von Tür zu Tür, erinnern an die Not überall auf der Welt und sprechen für Kinder, die selbst dazu nicht in der Lage sind.

Laura Katharina, Karoline, Myriam, Anna Katharina und Katja stehen mittlerweile vor dem zweiten Haus und klingeln, und diesmal haben sie Glück. Durch das Tor und hinein in den Hof. Mit klaren Stimmen singen die Mädchen "Tragt in die Welt unser Licht" und gruppieren sich vor der Tür. Dem Lied folgt ein Gedicht: "Die Welt, in der wir leben, die hat für alle Brot, wir müssen nur recht teilen, dann gibt es keine Not". Insgesamt fünf Strophen, jeder trägt eine vor. Brunotte Schmitt steht lächelnd in der Tür und hört zu.

"Einige von Euch kenne ich ja schon", sagt sie. "Das habt Ihr wieder toll gemacht." Sie legt ihre Spende in die rote Kasse und fragt Juliane anschließend, ob sie noch etwas nachreichen kann. Dann schreibt Juliane, ausgerüstet mit Schwamm und Kreide, den Haussegen an. Als Betreuerin ist sie die Größte der Gruppe, doch manchmal braucht auch sie einen Stuhl, um den oberen Türrahmen beschriften zu können. "C+M+B" steht nicht nur für Caspar, Melchior und Balthasar sondern bedeutet auch "Christus mansionem benedicat" - Christus segne diese Wohnung.

Wie viele dieser Wohnungen die Sternsinger in den sechs Tagen tatsächlich besuchen, wissen sie nicht genau. Jede Gruppe bedient mehrere Gebiete, so dass sie am Ende ganz Schriesheim abgedeckt haben werden. Da kommen für jeden Einzelnen schon einige Kilometer zusammen. Man muss nur an den weitläufigen Branich denken, um sich ungefähr vorstellen zu können, wie anstrengend Sternsingen sein kann. Oder an das Wetter. Bei strömendem Regen um die Häuser ziehen, ist nicht Jedermanns Sache. Und so kommt es, dass es die Kinder sind, die ihre Eltern überreden, sie bei den Sternsingern mitmachen zu lassen. Juliane erklärt die Vorbehalte mancher Eltern. Immerhin opfern die Kinder einen Großteil ihrer Ferien, während dem sie nichts mit der Familie unternehmen können.

Dann ist es oft kalt und nass und man fängt sich leicht eine Erkältung ein. "Und außerdem müssten manche ja auch ein bisschen was für die Schule tun". Doch die Sternsinger lassen sich nicht abschrecken und sind mit Feuereifer dabei. Einige schon seit fünf Jahren, die Betreuer noch länger. "Ich habe in der ersten Klasse angefangen", erzählt Karoline. "Da mussten mir die anderen die Sprüche vorlesen, weil ich es selbst noch nicht konnte".

Wer schon so lange dabei ist, hat schon einige Erfahrungen sammeln können. Die sind überwiegend positiv, so dass am Ende eines Tages - der für die Sternsinger übrigens um 10 Uhr morgens beginnt und um 19 Uhr endet - nicht nur eine volle Spendenkasse sondern auch zwei Rucksäcke voller Süßigkeiten zu verzeichnen sind. Manchmal werden sie auch hereingebeten und mit warmen Tee versorgt. Doch nicht jeder ist so großzügig. "Wir haben schon alles erlebt", seufzt Juliane. Vor der Nase zugeschlagene Türen, drohende Hundebesitzer und tatsächlich Ausreden wie "wir sind nicht da". An diesem Abend kommt noch eine neue groteske Variante dazu: ein Fauchen und Zischen aus der Sprechanlage. Dann erscheint ein Mädchen im Hof und erklärt, die Familie sei evangelisch und sie würden da nicht mitmachen.

Also ziehen die fünf "Sternsingerinnen" weiter: Einige Schleier sind mittlerweile abgenommen, weil sie einfach nicht halten wollten. Hinein geht es in Flure und Treppenhäuser, schmale Stiegen hinauf, wo sie singend ihre Botschaft bis in den letzten Stock und zu mancher Wohnungstür tragen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung