Schriesheim im Bild 2023

16.04.2008

Es gab auch Zeichen der Solidarität

Von Karin Katzenberger-Ruf

Schriesheim. Ob sich Schriesheim an der Aktion "Stolpersteine" beteiligen wird, ist immer noch ungewiss. Doch Monika Stärker-Weineck und Prof. Joachim Maier halten die Erinnerung an die ehemaligen Mitbürger jüdischen Glaubens wach, die bis 1939 aus Schriesheim flohen. Die letzten Juden, die die Stadt verließen, waren Nina und Julius Fuld, zuletzt wohnhaft in der Passein 3.

Von dort zog das Ehepaar nach Feudenheim, wurde dann ein Jahr später doch in das südfranzösische Gurs deportiert, aber von der seit langem in Argentinien lebenden Tochter freigekauft. Dass so etwas möglich war, erfuhr eine große Besuchergruppe bei der Führung der Volkshochschule durch das "jüdische Schriesheim", die Maier und Stärker-Weineck leiteten.

Es ging darum, jüdisches Leben in Schriesheim zu erkunden. Erste Station: die Vitrine im Obergeschoss des Alten Rathauses, wo einige Gegenstände zum Thema ausgestellt sind. So etwa ein "Siddur" (Gebetsbuch) oder ein "Talit" (Gebetsschal) aber auch ein Gebetbuch. Und da wären noch die Gebetsriemen und die Samttasche von Herbert Marx, die der inzwischen 89-Jährige der Stadt als Ausstellungsstücke überließ. Das Fragment einer Grabtafel stammt aus dem Anwesen Oberstadt 12. Dort lebten einst Levi und Jette Schröder und betrieben einen Textil- sowie Kurzwarenhandel. Schon 1933 verließ das Paar Schriesheim, zog nach Holland und damit in das Heimatland des Ehemannes. Vergebens. Nach dem Einmarsch der Deutschen folgte die Verschleppung in ein polnisches Deportationslager, wo beide starben. In der Schulgasse 3 wohnte Zacharias Oppenheimer mit seiner Familie, war Mehl- und Futtermittelhändler. Über die Hauptstraße gelangte die Gruppe in eine Scheune im Anwesen des Backhauses Höfer. Als Juden nicht mehr in den Geschäften kaufen und in diesem Fall keinen Brotteig in die Bäckerei bringen durften, wurde ein Fenster zur "Durchreiche", damit die Nachbarn nicht hungern mussten.

Dass jüdische Familien in Schriesheim durchaus wohlhabend waren, wurde bei der Führung immer wieder deutlich. Maier stellte aber klar, dass jüdische Familien bei ihrer Ausreise keineswegs "Vermögen" mitnehmen durften. Zacharias Oppenheimer soll das erste Auto am Ort besessen haben. Der Viehhandel "Marx und Fuld" in der Heidelberger Straße 5 machte seine Inhaber ebenfalls reich. Mit einem Getreidegroßhandel verdienten Heinrich und Henriette Marx in der Heidelberger Straße 29 ihr Geld. Sie wanderten 1938 in die USA aus, lebten zuvor ein Jahr in Heidelberg. Mit einer Textilmanufaktur, die auch Aussteuer aller Art herstellte, hatte Simon Oppenheimer in der Heidelberger Straße 8 geschäftlichen Erfolg und war ihm Gegenzug gemeinnützig tätig. Beim Rundgang geht es auch durch ganz enge Gassen wie das "Mainzer Land." Dort wuchs Karl Heinz Klausmann als Adoptivkind auf. Seine jüdische Herkunft wurde ihm in Frankreich zum Verhängnis.

Wiederholt wurde in der Führung offenbar, dass es Zeichen der Solidarität gab. So sicherten Nachbarn die Versorgung von Fanny Blumenfeld, nachdem diese ihr eigenes Lebensmittelgeschäft in der Heidelberger Straße nicht mehr betreten durfte. Lange waren jüdische Mitbürger in das Gemeinde- und Vereinsleben integriert, und Josef Marx (zuletzt in der Friedrichstraße 18) war vom damaligen evangelischen Pfarrer als Schach-Partner geschätzt.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung