Schriesheim im Bild 2023

29.05.2005

Fast wie ein Zugvogel

Fast wie ein Zugvogel

In die Karibik und zurück: Udo Rauh kommt vom "Kakadu" nicht los

Das Schönste daran, ein Gastronom zu sein? "Die Geselligkeit", findet Udo Rauh, der Besitzer der Kakadu-Lounge. Vor drei Jahren mauserte sich der Vogel vom Café zur Lounge. Foto: Dorn

Von Nadja Müller

Schriesheim. Wenn Udo Rauh an die Kakadu-Lounge denkt, tut er das mit gemischten Gefühlen. Seit 20 Jahren gibt es den Kakadu im Erdgeschoss des Fachwerkhauses, Talstraße Nummer 42. Rauh hat ihn gegründet, hat ihn verlassen und ist schließlich wieder zu ihm zurückgekehrt.

Keine reine Erfolgsgeschichte, ein bisschen Resignation klingt schon durch. Angefangen hat alles mit der Altstadtsanierung. Das Fachwerkhaus von Rauhs Großmutter sollte das erste Projekt werden. Der Gastronom hatte damals seine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann abgeschlossen - "eigentlich wollte ich etwas Handwerkliches machen, Schreiner oder Koch" - und bereiste das europäische Ausland. Und träumte den Traum vom eigenen Café. "Das hat mit der Sanierung einfach zusammen gepasst", erinnert er sich. "Ich mochte das Haus, so verwinkelt und alt wie es war". Es wurde komplett umgebaut: Wo im ersten Stock eine Wohnung war, zog das Café Kakadu ein. "Es gab ansonsten in Schriesheim nichts für junge Leute", sagt Rauh. Der sich damals schon als eine Art "Jugendsozialarbeiter" fühlte.

"Ich hatte früher einen Kakadu", sagt er. Der Vogel war laut, dominant und stand immer im Mittelpunkt. Ein guter Name für ein Café fand Rauh. Seinen Traum hat er verwirklicht, musste aber auch einiges einstecken: "Die ganze Vorurteilspalette hagelte damals auf uns ein". Probleme mit den Nachbarn, mit der Stadt, mit der Polizei. "Ich war schon immer eine Art Opposition", fügt er hinzu.

Von Anfang an stand für Rauh fest, dass er das Café nur zehn Jahre lang führen wollte. Hier schlüpften die "Flying Kakadus" sozusagen aus dem Ei, eine Eishockeymannschaft. Freunde trafen sich, machten Pläne, stellten eine Mannschaft auf, mieteten eine Halle. Und spielten erfolgreich in der Hobbyliga. "Wir waren gut", erinnert sich Rauh. Hatten einen Kanadier und einen Tschechen in der Mannschaft. Den Schläger nimmt er jetzt allerdings nicht mehr in die Hand. Das tun andere, beispielsweise die Raubritter. Und auch die gehen auf eine Idee zurück, die in geselliger Runde im Kakadu entstand. Dank Rauhs Bekanntschaft zu Baseballer Martin Helmig. Sie hängten einen Zettel im Café aus, wer daran interessiert sei, Baseball zu spielen. Die Gründung der Raubritter fand dann ebenfalls im Kakadu statt.

Weniger schön: Bei Rauhs Abschiedsfeier vor zehn Jahren schwappte die feucht-fröhliche Stimmung über, die Polizei räumte das Café. Ein einschneidendes Erlebnis: "Wenn sie nicht eingegriffen hätten, hätte sich vielleicht alles von selbst regeln lassen". Für ihn ging es dann erst einmal zweieinhalb Jahre in die Karibik, auf die Insel Pequia. Dort betrieb er einen Autoverleih, "eine super Sache". Sonne, eine schöne Gegend und vor allem viel weniger Bürokratie, mit der Rauh auf Kriegsfuß steht. "Ein lockeres Leben" erinnert er sich und wünscht sich ab und zu auf die Insel zurück. Rauh trat die Rückreise nach Deutschland an, weil sich das Inselleben nicht mit der Familie vereinbaren ließ. "Für mich stand fest: Den Kakadu mache ich nie wieder". Nie hätte er gedacht, dass er einmal wieder hinter dem Tresen stehen und Bier zapfen würde. Mit den Pächtern, die das Café zwischenzeitlich führten, hatte er auch kein Glück. Der erste erhängte sich, der zweite gewann eine halbe Million Mark im Lotto und warf das Handtuch. Seit drei Jahren betreibt Rauh den Kakadu wieder selbst.

Mittlerweile ist aus dem Café eine Lounge geworden. Die alle Altersklassen anzieht. "Die Leute, die kommen, sind zwischen 18 und 60 Jahre alt. Von Metaller bis Müsli", beschreibt Rauh. Er selbst spielt Gitarre und singt - vor seinem Karibik-Trip sogar in der Band "Wash and Polish". Vielleicht holt er auch deswegen gerne Live-Bands in den Kakadu. Was aber wieder Ärger mit den Nachbarn und den Behörden provozieren könnte. Und auch mit anderen Veranstaltungen - zum Beispiel Motto-Parties oder Gourmet-Abende - gab es Probleme. Auflagen wegen der Größe der Küche, Unstimmigkeiten bei der Frage, wie viele Veranstaltungen pro Jahr überhaupt erlaubt sind. Die Tatsache, dass der Gewölbekeller nach zehn Jahren wegen der Auflagen dicht gemacht wurde. Oder die Geschichte mit dem Hoftor, das Rauh wegen der Parkmöglichkeiten im Innenhof wieder abreißen musste.

Und was hat sich in 20 Jahren verändert? "Die Leute haben weniger Geld, das merkt man. Die Geschäftswelt ist härter geworden". Als Rauh den Kakadu vor drei Jahren übernommen hat, war das Café ziemlich heruntergekommen. Jetzt hat sich der Vogel wieder gemausert, ausgeflogen ist er aber noch nicht. Würde er aber gerne: Rauh sucht einen Pächter, der den Kakadu in das dritte Jahrzehnt führt. Er wartet "auf jemanden, der es kann, der bei den Leuten an und mit dem Publikum zurechtkommt". 13 Jahre, auch mit Unterbrechung, sind ausreichend, findet Rauh. "Ich kann mir nicht vorstellen, noch mit 50, 60 am gleichen Fleck zu sitzen". Die letzten drei Jahre empfindet er als Durchgangsstation. Und merkt, wie er langsam älter wird: "Ich saß hier schon vor 20 Jahren mit den gleichen Leuten zusammen, und die bringen jetzt ihre Kinder mit". Sein Fazit: "Es war schön. Aber es reicht".

Dann könnte er sich voll und ganz dem Video-Geschäft zuwenden. Denn Rauh ist auch als Kameramann unterwegs, er hat Schröders Wahlkampf mitgefilmt oder die Hauptversammlung der SAP und arbeitet mit dem Hirschberger Unternehmen MSV Video zusammen. Demnächst geht er zu "Rock am Ring". Sitzt hinter der Kamera, filmt die Auftritte der Stars und wählt die Bilder aus, die dann Hunderttausende auf den Großleinwänden mitverfolgen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung