Schriesheim im Bild 2023

04.08.2005

Ein Gang durch die Apotheke zwischen den Reben

Vom Baldrian bis zum Johanniskraut: Naturkundliche Führung mit der Diplom-Biologin Birgit Dörffel-Hemm im Umfeld der Strahlenburg

Schriesheim. (kaz) Man mag‘s nicht glauben: Doch die Esskastanien befinden sich schon im Reifeprozess und tragen kleine Stachelhäuschen. Ist der Herbst also gar nicht mehr fern? Auch wenn im Wald beziehungsweise auf dem Parkplatz der Strahlenburg schon manches auf die nächste Jahreszeit hindeutet, bleiben wir erst Mal im Hochsommer.

Die Diplom-Biologin Birgit Dörffel-Hemm hat zu einem Spaziergang durch die Weinberge eingeladen. Mal gespannt, was da so alles am Wegesrand wächst, möglicherweise essbar ist oder heilsame Wirkung hat.

Essbar ist zum Beispiel die „wilde Möhre“. Nach dem weiß blühenden Gewächs mit den rosettenartigen Blättern erkundigt sich eine Teilnehmerin der Führung schon gleich zu Beginn. Die Wurzel der Pflanze duftet intensiv nach „Möhre“ und soll ganz gut schmecken. Natürlich müsste man für einen Gemüseeintopf Dutzende aus der Erde ziehen.

Zunächst bekommt die Gruppe ein bisschen Nachhilfe in Bio. Die Diplom-Biologin erklärt den Aufbau von Blütenpflanzen mit allem, was dazu gehört. Wozu dient die Blüte? Nicht nur zu unserer Freude, sondern auch als attraktive Landefläche für Insekten, die die Bestäubung vornehmen sollen. Erste Pflanze, die genauer begutachtet wird: das gelbe, schon leicht verblühte Schöllkraut.

Der Saft im Stängel hinterlässt auf Kleidungsstücken Flecken, die man kaum mehr weg bekommt, soll aber – regelmäßig aufgetragen – gegen Warzen auf der Haut wirken. Vor allem bei abnehmendem Mond. „Ich dachte, bei Sonnenaufgang“ wirft eine Kursteilnehmerin ein. Doch das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Die Samen des Schöllkrauts haben übrigens einen „Ölkörper“, den Ameisen gerne fressen. Wieder was dazu gelernt. Clematis auf Rubinie: Diese Kombination ist zu entdecken, wenn man beim Spaziergang entlang von Rebflächen auch Sinn für anderes hat. Wir erfahren einiges über die „Signaturenlehre“ von Paracelsus, der sein Wissen schon im 15. Jahrhundert verbreitete. Demnach müsste die Pflanze gegen Haarausfall gut sein.

Der Stachellattich am Wegesrand soll der Vorläufer unseres Kopfsalates sein? Man lernt nie aus. Ausleseprozesse bei Züchtungen haben dem Lattich offenbar den Weg in die Salatschüssel geebnet. An anderer Stelle beugt sich die Gruppe schnuppernd über das Sommergewürz „Beifuß“. Da muss man einfach was mitnehmen und im Bündel zu Hause trocknen. Das Gewürz soll gut zu Gebratenem passen. Das gleiche Spiel wiederholt sich dort, wo der weiße Gänsfuß wachst. Dabei handelt es sich um eine Art Wildspinat, reich an Mineralstoffen und Eisen. Nur ist es für die Ernte fast schon zu spät. Der wilde Spinat könnte inzwischen bitter schmecken.

„Vitaminbomben“ auf dem Teller

Die Schlehe: Sie wirkt gegen Entzündungen der Mundschleimhaut, wenn man ihren Saft gurgelt. Doch ihre reifen Früchte ergeben auch ein schmackhaftes Schnäpschen. Ähnliches gilt für die „Kratzbeere“. Sie sieht aus wie eine mit weißem Schimmel überzogene Brombeere, wächst niedriger, kann aber bedenkenlos „frisch vom Strauch“ verzehrt werden. Hübsche herzförmige Blätter kennzeichnen die Gewürzpflanze „Gundermann“. Statt am Wegesrand zu sammeln, könnte man ihn auch im Blumenkasten wachsen lassen. Dörffel-Hemm und eine Teilnehmerin der Führung geben zu: Ein Käsebrot ohne die grüne Beigabe, die sie so nebenbei auf dem Balkon ernten, ist für sie nur noch die Hälfte wert. Derweil lernt die Gruppe auch das mit dem Waldmeister verwandte Wiesenlabkraut mit seinen sternenförmigen Blättern kennen.

Auch der weiß blühende Baldrian wächst am Weg. Den Extrakten seiner Wurzel schreibt man bekanntlich eine beruhigende Wirkung zu. Die Blüte duftet allerdings nicht gerade gut. Johanniskraut: Auch das wächst in den Weinbergen. Wer jetzt noch Blüten und Knospen sammelt, kann daraus mit Olivenöl und Weingeist ein Hautpflegemittel herstellen. „Rotöl“ nennt es sich wegen seiner Farbe und ist nach etwa drei Wochen gebrauchsfertig. Für einen „Brennnessel-Salat“ ist es jahreszeitlich gesehen zu spät. Doch wer die Blätter im Frühjahr erntet und sie kurz in warmes Wasser taucht, hat später echte „Vitaminbomben“ auf dem Teller. Die kann übrigens auch gut „in ein Rührei einarbeiten“, wie Dörffel-Hemm weiß. Sie selbst ist Dozentin an Volkshochschulen der Bergstraße, aber auch in Heidelberg, wo sie im Frühling zusammen mit einem Kollegen im Botanischen Garten mehrwöchige „Bestimmungskurse“ anbietet. Telefonische Anmeldungen sind über das Sekretariat unter der 06221/545783 (Fax: 546178) möglich. Für Sonderführungen ist die Diplom-Biologin unter 06221/182312 oder unter der E-Mail-Addresse birgit-doerffel@t-online.de erreichbar. Nächste Führung in Schriesheim: Sonntag, 7. August, 15 Uhr. Treffpunkt: Parkplatz an der Strahlenburg.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung