Schriesheim im Bild 2023

15.08.2005

Wenn ein Geschenk zum kleinen Wunder wird

Gäste aus Brasilien empfangen: Die Pfarrgemeinden Mariä Himmelfahrt und Sao Lucas feierten das 25-jährige Bestehen ihrer Partnerschaft

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Das Partnerschafts-Jubiläum der Katholischen Kirchengemeinde Mariä Himmelfahrt mit der Gemeinde Sao Lucas im brasilianischen Belo Horizonte wurde am Samstagabend gebührend gefeiert – zunächst mit einem Gottedienst, anschließend mit einem Partnerschaftsabend im großen Pfarrsaal. Im Mittelpunkt des Abends standen die vier Gäste aus Brasilien, die heute zum Weltjugendtag nach Köln weiterreisen.

Bei ihnen handelte es sich um Maria Zélia Rogédo, die Zweite Vorsitzende des Sozialwerks Sao Lucas, um Helenice Goncalves Ferreira dos Anjos, die in der Partnergemeinde eine Gruppe Jugendlicher leitet, dann um Erica Maria de Almeida Henrigues, die vor Ort eine Firmgruppe betreut und an Gottesdienstvorbereitungen Anteil hat, und schließlich um Anna Schäfer aus Sao Paolo, die Großnichte von Hermine Gebauer. Mit dem ehemaligen Schriesheimer Pfarrer Karl Jauch begründete Gebauer vor 25 Jahren die wertvolle Partnerschaft (siehe auch RNZ vom 11. August). Jauch und Gebauer reisten aus Wieden an. Sie alle wurden durch Wilhelm Gröger vom "Eine-Welt-Team" begrüßt.

Pfarrer Ronny Baier hatte bereits im Rahmen des Gottesdienstes auf das "Geschenk" der Partnerschaft hingewiesen. Es gehe hierbei nicht nur um die Linderung materieller Not, es gehe auch darum, Sorgen, das Leben und den Glauben zu teilen, "um einander zu bereichern und zu beschenken". Jetzt, in seinem Grußwort zum Partnerschaftsabend, dankte Baier den Begründern und dem "Eine-Welt-Kreis". Dieser habe viel zur Bewusstseinsbildung von der "einen Welt im Glauben und in der Solidarität" beigetragen. Er dankte den Förderern der Partnerschaft und unterstrich, dass der Austausch auch vom Wissen um einander und vom persönlichen Austausch lebe. Möge dieser in regelmäßigen Abständen möglich sein, schloss Baier mit dem Wunsch für viele weitere "segensreiche Jahre" der Freundschaft zu Sao Lucas.

Die Partnerschaft habe man vor vier Jahren in Frage gestellt, gab Pfarrgemeinderats-Vorsitzender Detlev Aurand zu. Dafür sei man zwar auch "angefeindet" worden. Aber das Interesse an der Partnerschaft habe nun mal gefehlt, "und der Lucas landete hinter dem Heizungskeller". Das Lucas-Bildnis war 1989 ein Geschenk der brasilianischen Gemeinde gewesen – als Dank für die Hilfen aus Schriesheim. "Wir fassten den Entschluss, bei der Partnerschaft zu bleiben. Die Menschen in Sao Lucas vertrauten uns", so Aurand. Also wurden neue Kräfte gesammelt, "der Lucas kam zurück in die Kirche", und das neue Engagement werde nun durch die Gäste aus Brasilien belohnt. Worüber sich auch Bürgermeister Peter Riehl freute. Besonders schön fand er, "Hermine und Karl wiederzusehen".

Pfarrer Jauch skizzierte anschließend kurz die Historie der Partnerschaft zwischen den beiden Kirchengemeinden. Er erinnerte an seine Besuche bei Pater Rall in der Favela Nossa Senhora Aparecida in Belo Horizonte, zu der die Gemeinde Sao Lucas gehört. Pater Rall war der Dritte im Bunde der Partnerschaftsgründung. "Als wir 1975 zum ersten Mal bei Pater Rall waren", erinnerte sich Jauch, "da wollten wir wissen, was eine Favela ist". Sie fanden eine Armensiedlung vor "aus Holz und Blech. Der Müll war in der Mitte, und das Abwasser floss oberirdisch ab". Aus der Partnerschaft erwuchs Hoffnung, aus der Hoffnung eine Überwindung der Lethargie: "Eigen-Initiative entstand". Schriesheims Hilfe habe den Menschen von Sao Lucas "Selbstbewusstsein" gegeben. Jauch erinnerte sich auch an den "Dritte-Welt-Tag" zugunsten der Partnergemeinde, und das parallel zum Mathaisemarkt 1986: "Viele haben gesagt: ‘Der spinnt!‘", so Jauch. "Aber das hat nebeneinander schon gepasst. Denn die Hilfe war doch auch ein fröhliches Thema. Außerdem sind die Brasilianer ein fröhliches Volk". Heute werden monatlich 250 Euro an die Gemeinde Sao Lucas überwiesen.

1991 wurde das Gemeindezentrum eingeweiht, das aufgrund der vielfältigen Aktivitäten dort schon fast wieder zu klein ist. 1993 wurde die neue Kirche geweiht, die unter Pater Ralls Regie gebaut wurde, "und zwar nach dem Baustil Zufall", erinnerte sich Jauch, der betonte: "Im Vergleich zu dem, was in Eigeninitiative entstand, war unsere Hilfe klein. Man sieht, wie viel man mit wenig bewirken kann. Durch die Partnerschaft ist so etwas wie ein kleines Wunder geschehen. Sao Lucas ist heute eine Modellgemeinde für viele Aktivitäten".

Die "agilen, zupackenden Hände in Sao Lucas" seien beeindruckend, meinte auch Norbert Bolte vom Lateinamerika-Hilfswerk der Katholiken in Deutschland, Adveniat. Er habe das bei zwei Besuchen selbst erleben dürfen. Das Sozialzentrum der Gemeinde Sao Lucas habe sich mit vielen Kooperationspartnern vernetzt. Hier habe sich die Botschaft verwirklicht, dass der Mensch nicht für alle Probleme der Welt eine Lösung habe, wohl aber seine Hände, mit denen er viel bewirken könne.

Nach einem Musikstück der "jungen Band" der katholischen Pfarrgemeinde, die den Abend mitgestaltete, verlas Gröger einen Bericht von Zélia Rogédo.

Erica Maria de Almeida Henrigues, Anna Schäfer, Pfarrer Ronny Baier, Helenice Goncalves Ferreira dos Anjos, Dona Maria Zélia Rogédo, Pfarrgemeinderats-Vorsitzender Detlev Aurand (hinten), Pfarrer Karl Jauch und Bürgermeister Peter Riehl (von links). Foto: Dorn

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung