Schriesheim im Bild 2023

18.08.2005

Ewald sieht das Land in der Pflicht: „Wir geben die Hoffnung auf den Branichtunnel nicht auf“

RNZ-Sommerinterview: Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Friedrich Ewald, über die Jugendsozialarbeit, Verkehrsfragen und darüber, was Riehls Nachfolger können muss

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Wenn sich der Gemeinderat heute um 18 Uhr zu einer Sitzung in der Sommerpause treffen muss, dann kann es sich nur um eine Terminsache handeln. Es geht um den Neubau-Streit „Kleiner Mönch“ in der Panoramastraße. Hier macht das Kommunalrechtsamt Druck, was Friedrich Ewald, der Fraktionschef der Freien Wähler, „voll und ganz verstehen“ kann. Gemeinderat und Bauausschuss hatten das Bauvorhaben nach Paragraf 34 abgelehnt. Zu Unrecht, wie die Rechtsaufsichtsbehörde meint. Heute soll die Gemeinderats-Mehrheit zustimmen. Ein Thema unter vielen, über die die RNZ mit Ewald im Rahmen des Sommerinterviews sprach. Natürlich ging es auch um den Branichtunnel. Hier sieht Ewald das Land in besonderer Verantwortung: „Wenn der ganze Weg bis zur Planfeststellung nur eine Beruhigungspille gewesen sein soll, dann wäre das eine Verschwendung von Steuergeldern“.
Herr Ewald, wie fällt Ihre Bilanz des ersten Arbeitsjahres im Gemeinderat seit der Kommunalwahl aus?

Die Arbeit lief gut weiter.
Herr Wolf meint, die anderen Fraktionen seien anfangs etwas verunsichert gewesen von der neuen Stärke der Grünen.

Wir Freie Wähler hatten nie Probleme damit.
Das Amt für Flurneuordnung hat kürzlich gemeint, dass die Grundstücke von Dieter Thoni und Karl-Heinz Grüber bei der Rebflurbereinigung unter Umständen außen vor bleiben könnten. Bürgermeister Peter Riehl sagt aber: Entweder machen alle mit oder keiner. Wie sehen Sie das?

Ich kann diese Aussagen des Amtes für Flurneuordnung eigentlich nicht verstehen. Sie wurden ohne jede Not gemacht und könnten andere Grundstückseigentümer wieder zu erhöhtem Widerstand ermuntern. Damit würde aber die Maßnahme als Ganze gefährdet. Zumindest nimmt man die Gefahr in Kauf, dass sich die Rebflurbereinigung für die übrigen Teilnehmer verteuert. Wenn also das Amt die Möglichkeit andeutet, Thoni und Grüber außen vor zu lassen, dann muss man darüber reden. Aber es darf nicht zu Lasten der anderen Teilnehmer gehen.
Wie bewerten Sie die Anordnung des Kommunalrechtsamts bezüglich der Bausache „Kleiner Mönch“?

Ich war von Anfang an der Meinung, dass das Bauvorhaben genehmigungsfähig ist – zumindest in der zweiten, reduzierten Planung. Ich kann die Aussagen des Kommunalrechtsamts und des Bürgermeisters voll und ganz verstehen. Ich habe damals darauf hingewiesen, dass wir uns auf dünnstem Eis bewegen. Und jetzt haben wir den Salat: Nichts ist gewonnen, und jetzt besteht auch noch die Gefahr der Schadensersatz-Forderungen.
Was halten Sie denn von den Modellen, die bezüglich der Nachfolge für Archivarin Ursula Abele kursieren? Von Dezernatsmodell, Werkvertrag- oder Kooperationsmodell mit anderen Städten oder Gemeinden war kürzlich in der Öffentlichkeit die Rede.

Ich habe zu diesem Thema zuvor niemals auch nur einen Satz gehört. Ich wusste nur, dass Ursula Abele in den wohl verdienten Ruhestand geht. Wer Interesse hat, soll sich bewerben. Fähige Leute gibt es. Ich bin für alle Modelle offen. Aber ich halte eine Vollzeitstelle für nicht nötig. Das soll das Verdienst und die tolle Einstellung von Frau Abele in keiner Weise schmälern. Aber sie war eben ein Glücksfall, auch wenn man bedenkt, unter welchen vertraglichen Rahmenbedingungen sie gearbeitet hat. Wenn ich an Personalfragen denke: Da haben wir mit dem Thema Jugendsozialarbeit ein ganz anderes Problem zu lösen.
Darum geht es auch in der nächsten Frage. Welche Variante bevorzugen Sie: Jugendsozialarbeiter oder das Postillion-Modell?

Ich bin bisher davon ausgegangen, dass die Stadt einen Jugendsozialarbeiter einstellt. Sollte aber der Postillion die Arbeit übernehmen wollen, dann müsste man sich die Vorstellungen des Vereins genau anhören. Klar ist, dass wir jetzt eine ganze Lösung brauchen nach all‘ den Diskussionen. Und da wäre mir ein fester Ansprechpartner für die Jugend eigentlich lieber. Ich tendiere also zu einem angestellten Jugendsozialarbeiter.
Und wie sollte es mit dem Push-Gelände weitergehen?

Wie man hört, soll das Gebäude im Laufe des nächsten Jahres nutzungsfähig sein. Auch danach wird es noch eine Baustelle bleiben. Aber das ist normal. Irgend etwas ist immer noch zu machen. Das kennt man ja auch als privater Bauherr. Fest steht aber, dass bis zur Nutzungsfähigkeit auch die Frage des Jugendsozialarbeiters endgültig entschieden sein muss. Wir haben zudem in den Zuschuss-Beratungen für das Push-Gelände gesagt, dass wir uns dafür eine Vereinsübernahme vorstellen können. Push und Juts können das Gelände gemeinsam nutzen – genauso, wie sich Sportvereine auch Hallen teilen müssen. Eine Möglichkeit wäre in diesem Zusammenhang auch, dass beide Vereine einen neuen Verein bilden. Es hätte Vorteile, wenn die Vereine das Gelände übernehmen. Sie hätten alle Unterhaltspflichten und das Nutzungsrecht, während die Stadt einen Zuschuss gibt.
Zum Branichtunnel. Christian Wolf von der Grünen Liste spricht von einer Finanzierung „auf wackeligen Füßen“, Regierungspräsident Kühner ließ sich nicht zu einem Versprechen hinreißen. Das klingt nicht besonders viel versprechend.

Wir geben die Hoffnung auf den Branichtunnel nicht auf! Man muss doch auch folgendes bedenken: Wenn das Land es nicht schafft, den Baubeginn während der achtjährigen Gültigkeit des Planfeststellungsbeschlusses in die Wege zu leiten, dann hat das Land die Vorlaufkosten in den Sand gesetzt. Und das sind öffentliche Gelder! Zwar hieß es in all‘ den Jahren: ‘Geld haben wir keines‘. Aber wenn der ganze Weg bis zur Planfeststellung nur eine Beruhigungspille gewesen sein soll, dann wäre das eine Verschwendung von Steuergeldern. Und die Aussage, dass eine private Finanzierung nicht möglich sei, ist mir zu lapidar. Da macht man es sich zu einfach. Lieber sollte man diese Option erst einmal ernsthaft prüfen und dafür auch Beispiele aus dem Ausland berücksichtigen.
Das Verkehrskonzept aus dem Ingenieurbüro Koehler, Leutwein und Partner schlägt vor, die Heidelberger Straße zur Fußgängerzone zu machen, wenn der Branichtunnel mal gebaut ist.

Das ist für mich so nicht vorstellbar. Das müssten wir ablehnen im Sinne des Einzelhandels. Auch ist die Situation hier in Bezug auf An- und Abfahrtsmöglichkeiten sehr speziell. An die Heidelberger Straße kommt man ja ansonsten gar nicht mehr heran. Klar ist, dass wir die Verkehrsströme in Schriesheim besser lenken müssen. Hier liegt das größte Problem.
Meinen Sie auch die Zufahrt zum Gewerbegebiet?

Richtig. Hier fangen die Probleme schon an. Durch die Supermärkte hat der Verkehr im Gewerbegebiet erheblich zugenommen. Zu diesem Thema hätte ich mehr Vorschläge des Planers erwartet, und zwar praktikabel. Ein weiterer B 3-Anschluss ist zwar eine Überlegung wert, würde aber die Problematik an sich nicht in Gänze lösen. Denn das Verkehrsaufkommen ins Gewerbegebiet ist gerade auch in der Bismarckstraße, in der St.-Wolfgang-Straße und im Dossenheimer Weg angestiegen. Hier hat man nämlich bis zu den Supermärkten keine einzige Ampel mehr – ganz im Gegensatz zum Weg über die B 3. Durch gezielte Verkehrsmaßnahmen müssen wir den Verkehr so lenken, dass die B 3 stärker genutzt wird. Und dabei träume ich bestimmt nicht von einer Stadt voller Spielstraßen.
Und was halten Sie von der Idee einer großen Westumgehung Schriesheims?

Wenn die Gelder vom Bund frei gemacht werden könnten, dann würde diese Idee durchaus Sinn machen. Man könnte die „alte“ B 3 dann in ein innerörtliches Verkehrskonzept integrieren. In diesem Zusammenhang möchte ich auch unterstreichen, dass wir immer etwas übrig hatten für Fahrradfahrer und Fußgänger. Diese pauschale Kritik, wir hätten zu wenig für sie getan, kann ich nicht nachvollziehen. Man kann nicht davon träumen, Autos ganz aus der Stadt zu verbannen. Man muss ein Nebeneinander finden. Und das gelingt in Schriesheim sehr gut – auch wenn die Situation in der Talstraße diesbezüglich völlig ungenügend ist. Dort, wo etwas verbessert werden konnte, haben wir es jedenfalls gemacht. Sogar der Radweg zwischen Schriesheim und Dossenheim ist beleuchtet. So etwas finden Sie sonst nirgends an der Bergstraße.
Wie bewerten Sie die Kandidatur des Wieslocher Baubürgermeisters und SPD-Kreisrats Erwin Leuthe für die Bürgermeister-Wahl?

Peter Rosenberger wird das nicht schaden. Es ist bemerkenswert, dass die SPD so lange gewartet hat. Der Kandidat stand ja wohl schon länger fest.
Auch an Sie die Spar-Frage: Wo sehen Sie Spielraum im Haushalt 2006?

Darüber haben wir noch nicht beraten. Ab September oder Oktober gehen wir in die Vorberatungen. Bürgermeister Peter Riehl möchte den Haushalt ja im Dezember verabschieden. Einsparungen müssen sich aus der Gesamtsituation heraus ergeben. Wir müssen abwarten, unter welchen Zwängen wir von außen stehen.
Hat man denn da im Dezember schon verlässliche Prognosen?

Nein, die sind durchaus vorläufig.
Letzte Frage an Sie, Herr Ewald. Was kann der neue Bürgermeister von Peter Riehl lernen?

Der neue Bürgermeister muss seinen eigenen Weg gehen. Das ist klar. Er darf nicht versuchen Bürgermeister Riehl zu kopieren. Das würde auch gar nicht gelingen. Aber der neue Bürgermeister sollte einen ähnlich kooperativen Umgang mit den Vereinen pflegen. Er sollte auf die Menschen zugehen können. Er muss für die Bürger ansprechbar sein. In einer Stadt wie Schriesheim ist der Bürgermeister noch eine Persönlichkeit, die der Bürger kennen lernen möchte. Ein Technokrat, der gute Arbeit am Schreibtisch macht, reicht da nicht. Daher ist Peter Rosenberger auch der Richtige. Er hat hohe Fachkompetenz, berufliche Erfahrung in öffentlicher Verwaltung und kommt auch persönlich bei den Bürgern gut an.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung