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19.08.2005

Talhof erhält „TÜV für soziale Einrichtungen“

Heidi Morath und ihr Team können stolz sein: Qualitätsmanagement-Zertifikat belegt hohen Standard in der Einrichtung der Wohnungslosenhilfe

Qualitätsmanagement-Zertifikat wird am 1. September dem Talhof für wohnsitzlose Frauen und Männer in Schriesheim überreicht.

Den Begriff „Qualitätsmanagement (QM)“ kennt man auch aus der Betriebswirtschaftslehre. Für Krankenhäuser wurde eine Beteiligung an qualitätssichernden Maßnahmen schon 1989 gesetzlich gefordert. Mitte der Neunziger hielt „QM“ dann in den gesamten sozialen Bereich Einzug. Beispielsweise über den Bereich der Behindertenwerkstätten, wo die Parallelen zum produzierendem Gewerbe nahe liegen. Die Einrichtungen begannen, sich als Unternehmen zu verstehen.

Doch nicht immer ist die Leistung im sozialen Bereich so deutlich als „Produkt“ zu verstehen, das qualitativ optimiert werden soll. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um die am Menschen erbrachte Leistung. Um diese zu optimieren, muss deren Qualität messbar werden. Dafür wurden Normen eingeführt, die anhand eines Zertifikats bestätigt werden.

Für den Talhof bedeutete die QM-Zertifizierung zunächst einmal, dass sämtliche Arbeitsprozesse von den Mitarbeitern dokumentiert werden mussten. Von der Aufnahme eines neuen Patienten bis hin zur Einstellung eines Zivildienstleistenden: für alle Vorgänge sollte es festgelegte einheitliche Abläufe geben, nach denen sich alle Mitarbeiter richten. Das fertige Dokument wurde daraufhin von einer Zertifizierungsgesellschaft überprüft: der konfessionellen proCumCert. Für die Zertifizierung gibt es – ähnlich wie beim TÜV – medizinische und pflegerische Kriterien, an denen sich das Qualitätsmanagement orientiert. Ihre Einhaltung wurde Punkt für Punkt abgehakt.

Und dafür kam der „TÜV für soziale Einrichtungen“ direkt ins Haus der Evangelischen Stadtmission Heidelberg. Ein bis drei Tage wurden unter anderem Bewohner und Mitarbeiter befragt. So genannte Auditoren von proCumCert überprüften vor Ort, ob die selbst definierten Grundsätze „auch gelebt werden“. Denn wichtig sei, dass die Mitarbeiter selbst den Nutzen erkennen, sodass im Nachhinein eine ständige „Selbstüberprüfung“ stattfinden kann, so Clemens Gattinger von proCumCert.

Vor dem „Hausbesuch“ von proCumCert lag ein langer Weg. Seit fünf Jahren setzt man sich im Talhof mit „Qualitätsmanagement“ auseinander. Dafür besuchten Mitarbeiter neben ihrer normalen Arbeit Schulungen und Fortbildungen zu diesem Thema. Zusammen mit einem externen Berater wurden das Leitbild beziehungsweise die Philosophie der Einrichtung entwickelt und das Dokument mit allen abgebildeten Prozessen zur Überprüfung vorbereitet.

Anfänglich waren einige Mitarbeiter etwas skeptisch. Sie hätten es als eine Überprüfung ihrer Arbeit und schließlich auch als zusätzlichen Zeitaufwand empfunden, wie Günther Förster vom Talhof berichtet. Als „Qualitätsbeauftragter“ konnte er sein Team jedoch vom Sinn und Zweck der ganzen Arbeit überzeugen. Denn es handele sich hier wirklich um ein „Prüfen im Sinne von Verbesserung und nicht um des Fehlers willen“, wie auch der Geschäftsführer der Wiedereingliederungshilfe-Gesellschaft, Christian Dietrich, betont.

Letztendlich sollen durch die genau definierten und niedergeschriebenen Vorgaben qualitative Unterschiede bei der Arbeit der einzelnen Mitarbeitern vermieden werden. Und davon profitieren ja nicht nur die Bewohner, für die im Talhof 44 Plätze zur Wiedereingliederung und sieben für das „Betreute Wohnen“ zur Verfügung stehen. Außerdem machen genaue Richtlinien die Einarbeitung für neue Mitarbeiter leichter. Und natürlich kann sich der Talhof mit der international anerkannten Zertifizierung von anderen Einrichtungen abheben. Ob die „Selbstüberprüfung“ anhält und das Zerifikat auch weiterhin gerechtfertigt bleibt, wird nun jährlich von proCumCert überprüft werden. „Das fördert auch die Motivation der Mitarbeiter“, meint Clemens Gattinger.

Was Bewohner des Talhofes also schon die ganze Zeit spüren konnten, steht nun ganz offiziell und schwarz auf weiß fest: hier wird qualitativ und mit System gearbeitet. Und natürlich auch mit Herz – aber dafür wird es wohl nie ein DIN-Zertifikat geben.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung