Schriesheim im Bild 2023

18.09.2005

Der grüne Wolf wird langsam grau

Der Grünen-Stadtrat und Vize-Ortsvorsteher von Altenbach wird am Sonntag 50 – und bleibt streitbar


Gut für Altenbach, gut für Schriesheim: Christian Wolf. Foto: Dorn

Von Leo Paul

Schriesheim-Altenbach. Manches graue Haar auf dem Kopf des Bürgermeisters Peter Riehl geht auf sein Konto. Kaum jemand in den letzten 20 Jahren hat den Rathauschef im Gemeinderat und in all den anderen politischen Räumen so gereizt wie der Grünen-Stadtrat Christian Wolf. Nun wird der grüne Wolf selbst langsam grau – und am Sonntag feiert er in Altenbach, wo er seit fast 20 Jahren wohnt und Ortschaftsrat sowie seit letztem Jahr Stellvertretender Ortsvorsteher ist, seinen 50. Geburtstag. Es ist keine Frage, dass er einen enormen Anteil an der Stärke der Grünen in Schriesheim hat. Ohne ihn wären sie wohl kaum jeweils zweitstärkste Fraktion in der Stadt und in Altenbach.

Christian Wolf ist neben Gisela Reinhard und Hansjörg Höfer die prägende Person der Grünen in der Schriesheimer Kommunalpolitik der letzten zwei Jahrzehnte (Robert Hasenkopf, der weitere Wegbegleiter, ist dies von der Arbeitsleistung her zweifellos auch, steht aber bescheiden meistens in der zweiten Reihe). Ende der 70er Jahre kam Wolf, aus bürgerlich-wohlhabenden Verhältnissen stammend, von Hannover nach Heidelberg. Dort begann er ein Geologie-Studium und zog ins Umland – nach Schriesheim.

Eine Kuriosität: Dr. Annette Heuer, die grüne Stadt- und Kreisrätin, die er später in Schriesheim wiedertraf und mit der er heute eine Familie bildet, ist in Schriesheim geboren und zog im Alter von sieben Jahren ihrem späteren Partner quasi entgegen. Denn sie siedelte nach Hannover und kehrte erst viel später wieder in ihre Geburtsstadt zurück. Das Leben schreibt die besten Geschichten eben immer noch selbst. Beide führen heute übrigens einen erfolgreichen Verlag und eine Veranstaltungsfirma im Umweltbereich. Dieses berufliche Engagement gibt dem grünen Paar ein gutes Stück Glaubwürdigkeit mit auf den politischen Weg.

Über die Umweltbewegung kam Christian Wolf früh zu den Grünen und engagierte sich in der Kommunalpolitik seiner Heimatstadt, wo Gisela Reinhard und Raimund Schambeck 1980 als erste Grüne sensationell und zum Schrecken des Establishments in den Gemeinderat eingezogen waren. Wolf, spitzzüngig, gescheit und mitunter entwaffnend ehrlich bis hin zur Respektlosigkeit, fand bei den Ökopaxen früh seine Rolle als einer, der sich alles traut. Besonders mit Hansjörg Höfer versteht er sich kongenial. Höfer, Schriesemer und Bäckersjunge, ortsbekannt und Kumpeltyp. Wolf als Frechdachs, der wenig zu verlieren hatte, weil sein gestochenes Hochdeutsch den alteingesessenen Schriesheimern sowieso schon suspekt war. Er ärgerte, provozierte, piesackte den politischen Gegner mit Verve – er tut es heute noch. In ihrer Art, Politik zu machen, sind sich die beiden Widersacher Wolf und Riehl übrigens ähnlicher als sie das gerne hören wollen. Aber beide betreiben das politische Geschäft mit Heißblut, Leidenschaft und einem gerüttelten Maß an Ehrgeiz, am Ende Recht zu behalten. Beide verbrennen sich auch immer wieder die Finger. Aber beide sind in dieser Art Gestalter und Antreiber der Kommunalpolitik. Wenn Riehl das Salzfass in der Schriesheimer Politik ist, dann ist Wolf der Pfefferstreuer. Ohne beides wäre es fader.

Christian Wolf hatte nie weiterreichende politische Ambitionen verfolgt. Beachtlicherweise für einen „Reingeplackten“ scheint er sich sogar umso wohler zu fühlen, je kleiner die politische Einheit wird. In Altenbach ist er längst als überparteilicher Interessensvertreter des Ortsteils akzeptiert, nicht erst seit er Vorsitzender im Turnverein ist. Dass es am Ratstischlein des Odenwald-Stadtteils so gut wie kein Parteienverhalten gibt, ist nicht zuletzt sein Verdienst. Allerdings wurde auch so mancher Keil zwischen Altenbach und der Kernstadt Schriesheim schon vom grünen Wolf behauen, das ist die andere Seite.

Im letzten Jahr schieden sich am Wolfsrudel-Verhalten der Familie Wolf und Heuer die Geister, weil beide durch eine Gesetzeslücke rutschten und seither gemeinsam am Ratstisch sitzen dürfen. Verheiratete Paare dürfen das nicht, und eheähnliche Verhältnisse sind der altbackenen Gemeindeordnung bislang verborgen geblieben. Viele Beobachter haben den beiden damals Taktik und Berechnung vorgeworfen. Damit hat man ihnen sicherlich Unrecht getan. Was man ihnen aber immer noch vorwerfen muss: sie haben die Reaktionen der empörten Bevölkerung völlig falsch eingeschätzt, von erfahrenen Kommunalpolitikern hätte man mehr Fingerspitzengefühl und Voraussicht erwarten können.

Wird Christian Wolf mit 50 Jahren weniger streitbar? Die Umstände der letzten Kommunalwahl, als er mit dem „Gefolgsleute“-Vorwurf fast den gesamten Gemeinderat gegen sich aufbrachte, haben den Meister Isegrim aus Altenbach etwas vorsichtiger werden lassen. Die Lektion, ihn bei der Wahl zum Vize-Ortsvorsteher zappeln zu lassen, die hat gesessen. Mittlerweile hat sich alles wieder eingerenkt, und der grüne Wolf hat noch lange Jahre Kommunalpolitik vor sich. Das ist gut für Altenbach und gut für Schriesheim.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung