Schriesheim im Bild 2023

27.09.2005

Winzer Peter Grüber: Der frühe Vogel fängt den Wurm

Bei der Schriesheimer Winzergenossenschaft herrschte gestern zum Auftakt der Weinlese schon reger Betrieb – Doppeltes Jubiläum im Kelterhaus

Schriesheim. (pak) Jetzt geht es richtig los. In Schriesheim hat gestern die Winzergenossenschaft mit der Weinlese begonnen.

Es war der richtige Anlass für eine Flasche Schriesecco. Im Kelterhaus feierte die Mannschaft gestern am Eröffnungstag ein doppeltes Jubiläum. Harald Weiss, der Geschäftsführer, verbringt seinen zehnten Herbst im Kelterhaus. Verglichen mit Kelterhelfer Gerhard Schmitt aus Leutershausen, ist Weiss trotz seiner weltweiten Weinerfahrung aber noch feucht hinter den Ohren.

Schmitt kümmert sich schon zum 25. Mal um den Kelterbetrieb und sorgt mit dem „Heisemer Team“ dafür, dass die Trauben so schnell wie es geht in die Pressen kommen. „Im ersten Jahr bin ich mit dem Mofa gefahren“, erinnert sich der heute 40-jährige Leutershausener, dann mit dem Traktor, erst später mit dem Auto. Schmitt hat sich lange mit den schweren Metallpressen geplagt, seit vier Jahren steuert er die topmodernen und hydraulisch betriebenen Kelterpressen, die fast aussehen wie Mondraketen.

Zwar begannen die Leutershausener „Presser“ ihren Dienst gestern leicht kerwegeschädigt aber pflichtschuldig. Und die Arbeit dauerte bis in die Nacht hinein. Zentnerweise lieferten die Schriesheimer Winzer gestern schon ihre Müller-Thurgau-Trauben ab.

„Vollreif und aromatisch, genau der richtige Zeitpunkt“, bewertete zum Beispiel Winzer, Stadtrat und Genossenschafts-Vorstandsmitglied Karl-Heinz Spieß, der mit seiner Familie und befreundeten Helfern in den Weinberg gezogen war. Für ihn geht die Lese erst langsam los, weil er – ganz schlauer Bauer – mittlerweile fast drei Viertel seiner Fläche mit Rotweinstöcken bepflanzt hat. Und nur Spätburgunder – also nur vom Feinsten. Und die Spätburgunder werden frühestens in der nächsten Woche gelesen, womöglich sogar noch später. Unterdessen nahmen Weiss und sein Chefsekretär Tobias Rell gestern schon Rote an: St. Laurent und Dornfelder. 52 silberglänzende Bottiche wurden am Abend in Richtung Breisach verladen.

Der „Primeur“ gärt rasch

Immer wieder vorne dabei: Christina und Winfried Krämer, die in diesem Jahr vor einem Rekordherbst stehen.

Die Aufregung ist ihnen ein bisschen anzumerken. In vier verschiedenen Partien sollen die Rotweine jetzt in Breisach ausgebaut werden. Wie und wo genau, ist mit Weiss genau abgesprochen. Eine Ladung St. Laurent wird zum Beispiel im Verfahren der erhitzten Maische zum raschen Gären gebracht. Dabei soll viel Frucht und wenig Gerbsäure erhalten bleiben. Denn der St. Laurent soll zum ersten „Primeur“ der Genossenschaft werden, der noch im Jubiläumsjahr, also deutlich vor Weihnachten, gesüffelt werden kann. Ein Etikett gibt es ja schon.

Peter Grüber, der Kutscher mit dem Bart, war übrigens morgens um 8.30 Uhr der Erste, der im Weinberg anzutreffen war. „Der frühe Vogel fängt den Wurm“, grinste er und ließ die Bartspitzen wackeln.

Hans Ringelspacher rollte kurz danach unter die Hebemaschine. Uwe Hölzel nahm Maß und die Maschine zeigte 90 Grad Öchsle an – klasse Ergebnis!

Bis zum Abend lagen die Wiegescheine schon stapelweise auf dem Schreibtisch des Kelterhauses. Und dann begann für Gerhard Schmitt der Nachtdienst, während seine „Heisemer“ Kollegen Kerwe feierten. Die Kelterpressen drehen sich von nun an bis Mitte Oktober fast rund um die Uhr. Den Leseplan für diese Woche hat Weiss sogar mit einem Ausrufezeichen versehen. Am Donnerstag, 29. September, bietet er eine Riesling-Vorlese an, denn der König der Weißweine leidet manchenorts an der Edelfäule Botrytis.

Das ist im Moment noch nicht weiter schlimm, aber im fortgeschrittenen Stadium schadet die Fäulnis den Trauben. „Es wird Zeit, wenn das Wetter umschlägt, müssen die Trauben im Keller sein“, bestätigte auch Rebschutzwart Peter Haas, der gestern ebenfalls Dornfelder-Trauben erntete. „Die haben in den letzten Wochen unheimlich viel Reife aufgeholt“, wunderte er sich – bei all seiner Erfahrung. Mutter Natur gibt eben ihr eigenes Tempo vor.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung