Schriesheim im Bild 2023

18.10.2005

Mit Afro-Musik und Hausmacher Wurst

Schriesheims Winzer haben die letzten Tage der Weinlese sichtlich genossen

Schriesheim. (pak) „Ein stressfreier Herbst, alles hat hervorragend geklappt, das Wetter war auf unserer Seite, wir haben beste Qualitäten geerntet“: So lautet das Fazit der Schriesheimer Weinlese 2005 aus dem Mund von Harald Weiss, dem Geschäftsführer der Winzergenossenschaft. Am Wochenende haben die Winzer noch einmal bei herrlichem Herbstwetter den letzten Lesesamstag genossen.

Im Aufenthaltsraum des Kelterhauses prallen Kulturen aufeinander. „Music of Zimbabwe“ tönt aus den Lautsprechern des kleinen Radios. Die CD hat Harald Weiss eingelegt, der einige Jahre als „Winemaker“ im südlichen Afrika war. „Das gibt gute Laune“, grinst er. Nicht bei Thomas Rell. „Heut‘ ist Samstagmittag, da brauch‘ ich meinen Fußball“, sagt der Kelterhelfer und zieht die Afro-Scheibe mit spitzen Fingern aus dem CD-Player. Stattdessen ertönen jetzt die aufgeregten Stimmen der „Bundesliga-Konferenz“ durchs Kelterhaus. Die Sprecher schreien, als wüssten sie, dass sie die großen Kelterpressen übertönen müssen. So spielt das Leben an einem wuseligen Lese-Samstag im Kelterhaus der Schriesheimer Winzergenossenschaft. Bewundernswert, wie ruhig Harald Weiss bleibt.

Eigentlich müsste er überall gleichzeitig sein. Draußen auf dem Parkplatz trippelt schon ungeduldig der Lastwagenfahrer, der gerade eben 16 000 Liter süßen frischen Riesling-Most geladen hat, um ihn in den badischen Winzerkeller nach Breisach zu gondeln. Auf der anderen Seite des Gebäudes wartet eine Gruppe von Austauschschülern auf eine Kelterhaus-Führung. Dazwischen taucht diese und jene Frage auf.

Wie gut, dass die Laune stimmt. Die drei Wochen Weinlese haben der Keltermannschaft die Lust an der Arbeit nicht nehmen können. Im Gegenteil. „Das Verhältnis zwischen den Winzern und dem Team wird von Jahr zu Jahr besser", freut sich Weiss und öffnet die Tür des Kühlschranks. Drinnen stapeln sich Dosen mit Hausmacher Wurst – Geschenke von Winzern. Morgens hat der Großsachsener Wolfgang Kneier, der an seinem Geburtstag in den Herbst zog, frische Weißwürste mitgebracht. Verschämt aber glücklich haben die Kelterleute dazu sogar ein Weißbier geschluckt – es hat halt so gut gepasst. Weinkönigin Stefanie Frank kam mittags und brachte Gebackenes mit. „Uns geht es so gut“, schwärmt Rell.

Der Herbst 2005 liegt in den letzten Zügen. Am Samstag haben die Genossenschafts-Winzer und Wilhelm Müller Riesling-Trauben geerntet, Georg Bielig hat seine Wilmes-Presse schon am Vortag gereinigt.

Peter Jäck fuhr jetzt seine Riesling-Trauben in kerngesundem Zustand in die heimische Scheuer. Keine Spur von Fäulnis, während sich andere Winzer in den letzten Tagen erleichtert den Schweiß von der Stirn wischten, als die Riesling-Ernte über der Bühne war. Der erfahrene Obstbauer verrät sein Rezept: „Ich habe in diesem Frühjahr nicht gedüngt, dadurch sind die Trauben kleiner geblieben und meistens unversehrt“. Das Weingut Jäck kommt im nächsten Jahr übrigens mit einer neuen Sorte auf den Markt: ein Cabernet Dorio. Daraus soll ein eher leichter und fruchtiger Rotwein werden. Die ersten 1000 Kilo Trauben aus der „Vohbach“ haben die Jäcks in der letzten Woche geerntet und sind jetzt natürlich gespannt. „Zum nächsten Mathaisemarkt“, verspricht Peter Jäck, „bringen wir ihn heraus“. Beim Riesling-Samstag hat übrigens Vorstandschef Friedrich Ewald gezeigt, wie man es macht und eine vollreife Spätlese mit 100 Grad Öchsle abgeliefert.

Einigen Spezialitäten gönnte Harald Weiss noch die letzten Sonnenstrahlen. In einer höheren Lage waren bis gestern rostrote Gewürztraminer fest in blaue Netze verpackt. Die drei Lieferungen hatten zwischen 99 und 104 Grad Öchsle – eine schöne Spätlese. Das gilt auch für den Chardonnay – Jahrgang Nummer drei. Er wurde erst gestern mit einem Schnitt von 100 Grad Öchsle angeliefert. Er ist wieder prächtig gediehen. Die wertvolle Spätburgunder-„Selection“ aus 27 Jahre alten, ertragsreduzierten Rebstöcken – nur 60 Kilo pro Ar wurden geerntet – erzielte gestern zwischen 102 und 104 Grad Öchsle.

Zwei Spätburgunder-Weinberge, dunkelblaue, zuckersüße Trauben, sollen noch ausharren. Vielleicht reicht es ja für eine Auslese oder gar einen Eiswein! Gerade im Jubiläumsjahr wollen die Genossen nichts unversucht lassen.

Überhaupt: Mit den neuen Sorten und Methoden hat Weiss eben mal wieder ein besonders glückliches Händchen bewiesen. Der Sauvignon blanc kam mit 99 Grad Öchsle auf die Presse. „Perfekt, auf diesen Wein kann man sich freuen“, verspricht er. Auch einen „Blanc de Noirs“ gibt es wieder. Er stammt aus kerngesunden Spätburgunder-Trauben und gärt nun aus den ersten 60 Prozent der Pressung. Das wird ihn noch frischer und fruchtiger machen. Weiss ist sehr zufrieden mit den Qualitäten des Jahrgangs 2005. „2004 war schon gut“, erinnert er sich, „aber dieses Jahr ist es noch einen Tick besser“. Auch wenn der Müller-Thurgau in diesem Jahr etwas mit der Menge geknausert hat.

Ein bisschen Bauchschmerzen hatten die Herbst-Organisatoren durchaus. Seit der letzten Ernte sind wegen der zusätzlichen Flächen der ehemals eigenständigen Weingüter Wehweck und Bartsch 13 weitere Hektar hinzugekommen. Und wie würde Winfried Krämer zurechtkommen, der seine Ertragsfläche jetzt auf knapp 27 Hektar ausgeweitet hat? Das ist mehr als jedes private Weingut in der Region besitzt. „Es hat alles wunderbar geklappt“, beantwortet Junior-Chefin Christina Krämer die Frage selbst. Allerdings: Drei Wochen Arbeit „von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang“ waren dazu nötig. Aufatmen. „Es macht Spaß, mit solchen Profis zu arbeiten“, bescheinigt Weiss voller Respekt.

Gestern drehten sich die Pressen zum letzten Mal im großen Stil für diesen Herbst. Thomas Rell hat die Putzmittel für das große Reinemachen schon gekauft. Wenn der letzte Most aus den Tanks gepumpt und auf die Reise geschickt ist, werden die Dampfstrahler und Schrubber ausgepackt. Das Kelterteam zerlegt die Maschinen, um auch noch die kleinsten Ritzen zu säubern. Eine Woche Nacharbeit braucht jeder Herbst. Weinmachen ist harte Arbeit. Nur getrunken ist gleich.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung