Schriesheim im Bild 2023

28.10.2005

Autofreies Gedenken

Gemeinderat gegen Parkplätze auf Areal der Kriegsopfergedenkstätte

Von Carsten Blaue

Schriesheim. „Ich bin enttäuscht aber nicht überrascht, dass der Gemeinderat nicht den Mut hatte, mal nach vorne zu blicken. Ich werde jetzt die Wahl abwarten und schauen, was der neue Bürgermeister zu dem Thema sagt“: Dieter Zipser, Inhaber des Edeka Aktiv-Marktes in der Bismarckstraße, hatte beantragt, die Kriegsopfergedenkstätte gegenüber so umzugestalten, dass hier 20 Parkplätze entstehen können. Der Gemeinderat lehnte die Idee erwartungsgemäß ab.

Von einem „moralisch-ethischen Aspekt“ (Dr. Wolfgang Metzger, Freie Wähler), von „Tradition“ (Siegfried Schlüter, CDU) oder „einer speziellen historischen Funktion“ des Platzes (Hans-Jürgen Krieger, SPD) war da etwa die Rede. Man berate eben nicht über ein „normales Grundstück“, so Dr. Barbara Schenk-Zitsch für die Grüne Liste.

Natürlich zeigten alle Fraktionen enormes Verständnis für Zipsers Anliegen. Er aber sagt gestern in seiner Reaktion auf den Gremiumsbeschluss: „Wer an einer umfassenden Lebensmittelversorgung in der Innenstadt interessiert ist, der braucht mehr als Lippenbekenntnisse“. Zipser braucht Parkplätze. Sein Problem ist bekannt: Seit es die Supermärkte im Gewerbegebiet gibt, fahren die Kunden erst recht an der Innenstadt vorbei, um ihre Einkäufe zu erledigen: „Da haben sie Märkte mit ein paar Hundert Parkplätzen direkt vor der Tür“. Zipser hat in Schriesheim 12 Stellplätze im Hof. Nur: Die werden nicht benutzt von den Kunden.

Was wohl nicht nur an der mangelhaften Beschilderung liegt, sondern auch daran, dass diese Parkplätze nicht angenehm in der Nutzung sind. Zipser will sich gar nicht beklagen über den ausgeprägten Komfortbedarf des Kunden an sich: „Und Verbraucher-Erziehung geht auch nicht“. Man müsse sich auf die Kundschaft einstellen: „Und die will eben fast in den Markt hineinfahren mit dem Auto“. Also überlebt derjenige, der Parkplätze vor der Tür anbieten kann. Zipser hat zu wenig davon. Für ihn ist das gerade am Wochenende ein Problem: „Da verlieren wir am meisten Umsatz. Die Wochenendeinkäufe werden bei uns nicht mehr gemacht“. Was zur Folge hat, dass die Zukunft des Aktiv-Markts in der City zumindest gefährdet ist. Zipser dazu: „Ich stehe zwar nicht kurz vor der Insolvenz. Aber die Gefahr ist da“.

Er hatte sich nicht vorgestellt, die ganze Kriegsopfergedenkstätte zum Parkplatz zu machen: „Ich dachte eher an eine dreifache Nutzung“. Das Areal hätte von den Rändern her für die Parkplätze verkleinert werden können. Zudem hätte der Kindergarten Römerstraße nach Zipsers Idee etwas mehr Außengelände bekommen. „Und die Gedenksteine hätte man gar nicht verlagern müssen“. Die Gedenkstätte wäre nur etwas kleiner geworden. „Aber der Platz ist eben eine heilige Kuh“, glaubt Zipser.

Er hat übrigens im Vorfeld unter den Geschäften in der Innenstadt Stempel und Unterschriften gesammelt. Unter anderem Goos-Moden, das Augenzentrum, die Sonnen-Apotheke, „Der Radladen“ und die Textilreinigung Lütex finden sich unter den zwölf Unterzeichnern des Schreibens mit der Überschrift: „Was ist wichtiger: Zukunft oder Vergangenheit?“. Er wisse, dass das „etwas frech“ gewesen sei, so Zipser. Dieses Schreiben hat er dem Gemeinderat aber offenbar auch gar nicht zugeschickt.

Das Gremium jedenfalls hatte in seiner Aussprache am Mittwoch vielleicht noch die emotionalen Diskussionen aus dem Jahr 2000 im Gedächtnis, als die CDU im Zuge der Neugestaltung der Kriegsopfergedenkstätte vorschlug, etwas Platz für den Kindergarten abzuzweigen. „Die Gedenkstätte hat einen großen Stellenwert in der Bevölkerung“, sagte Schlüter. Außerdem müsse man die Parkplatz-Pläne aus verkehrstechnischen Gründen ablehnen. Gleichwohl wäre es „schrecklich“, wenn die Innenstadt den Markt nicht mehr hätte, meinte der CDU-Fraktionssprecher. Und an die Bürger appellierte er: „Geschäft wird der Markt nur machen, wenn man auch hier einkauft“.

Schenk-Zitsch ergänzte, die Kriegsopfergedenkstätte sei „ein Stück Erinnerungskultur und Allgemeingut“. Sie müsse so bleiben, wie sie ist. „Wir dürfen hier nicht nach Gutdünken vorgehen“, betonte auch Metzger. Und Krieger unterstrich: „In diesem Platz steckt ein Stück Schriesheimer Geschichte“. Seine weitere Argumentation war generellerer Natur: „Solche Platzsituationen machen einen modernen Wert der Urbanität aus“.

Einzelstadträtin Dr. Birgit Arnold (FDP) begrüßte auch Schlüters Vorschlag, über eine andere Parkplatzorganisation vor dem Markt nachzudenken. Und Gisela Reinhard (GL) hatte zum Schluss noch ein ganz anderes Anliegen: Die Stadt solle zusehen, dass sie den Platz der Kriegsopfergedenkstätte frei hält von Plakat-Werbung zur Bürgermeisterwahl. Öffentliche Einrichtungen und Plätze sind für die Wahlkämpfer tabu.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung