Schriesheim im Bild 2023

31.10.2005

Neue Aufmerksamkeit für das kleine Kraftwerk der Natur

Kastanien-Leckereien, Musik und Wein: „Schriesemer Keschde“-Abend im Zehntkeller kam prima an – Emil Kling sucht jetzt 1000 „Test-Esser“ – Verein soll gegründet werden

Schriesheim. (nip) Die Schriesheimer und ihre „Keschde“ – eine etwas in die Jahre gekommene Liebe, die jetzt neuen Schwung erhielt: Mit einer ersten Informationsveranstaltung im Zehntkeller erreichten die Organisatoren aus Verwaltung, Verkehrsverein, Stadtarchiv und Volkshochschule um den ehemaligen Revierförster Emil Kling auf Anhieb über 200 Anhänger der Stachelkugeln mit dem köstlichen und hochgesunden Inhalt.

Was man alles aus Esskastanien, Maroni oder „Keschde“, wie der Volksmund liebevoll und knackig kurz so sagt, zaubern kann, stand auf den schön gedeckten Tischen im Zehntkeller bereit: Zartes Maronenmousse, gekochte und gegrillte Maroni sowie leckeres Brot aus der Bäckerei Heiß, zur Feier des Abends mit eingebackenen Maronenstücken. Harald Weiss ließ vier Weine der Winzergenossenschaft kredenzen, und der Geschäftsführer geriet ob des gerade gelesenen Jahrgangs 2005 geradezu ins Schwärmen.

Das Café Majer lieferte selbst gemachte Pralinen in Maronenform. Auch Bürgermeister Peter Riehl konnte da nicht widerstehen und bekannte zur Resonanz auf den Abend: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so voll wird“. Auch VHS-Leiter Frank Röger wunderte und freute sich über die große Bereitschaft der Schriesheimer, die alte Liebe zu den Esskastanien wieder vom Rost zu befreien. Das akustische Signal dazu kam von einer Gruppe von international agierenden Alphornbläsern, die man nicht nur deswegen engagiert hatte, weil sie sich ihre Mundstücke selbst aus Kastanienholz geschnitzt hatten. Der Abend im Zehntkeller geriet zur gelungenen Verbindung von Dingen, die schmecken, gesund sind und noch dazu schön aussehen.

So wie der Film, den Albert Grimmer über die Kastanien am Madonnenberg gedreht hat: „Das ist Lebensqualität“, meinte Kling, als er die Bilder von rotwangigen, pausbäckigen Kindergartenkindern sah, die die kleinen Kugeln in ihre Körbe sammelten. Der Mann, der für Schriesheim quasi die Kastanien aus dem Feuer holt, hat ohnehin eine Vision: „Dass in 25 Jahren in Schriesheim die meisten und die gesündesten 100-Jährigen der Region leben“. So lange dürfte es auch dauern, bis Nachpflanzungen Ertrag bringen. Aus Sicht der Forstwirtschaft erläuterte Förster Michael Jakob, dass der heute noch erhaltene Gürtel an Kastanienbaum-Beständen in direkter Nachbarschaft zum Weinanbau zu finden ist. Erntezeit ist übrigens von Oktober bis Anfang November, nachdem die mit der Buche eng verwandten Bäume im Juni und Juli ihren wohlriechenden Blütenduft verströmen. Aus Sicht der Förster müsse der Waldcharakter um Schriesheim erhalten bleiben, sagte Jakob. Gesunde und kräftige Kastanienbäume sollen jedoch verstärkt freigestellt werden, weil der Baum eine enge Nachbarschaft zu anderen nicht leiden kann.

Die Freistellung erfolgte aber schon in der Vergangenheit: „Wir wussten um die Wertschätzung der Kastanie“. Aus Sicht der Schriesemer heiße das wohl: „Unser Keschde müsse bleiwe“, unkte Jakob. Später übergab Riehl die Verantwortung für die Gründung eines Fördervereins und für weitere touristische und kulturelle Aktivitäten an Karl-Heinz Schulz vom Verkehrsverein. „Ein Lehrpfad Kastanien und Wein wäre schön“, hatte zuvor Weiss gemeint.

Kurzvorträge von Emil Kling belegten den Wert der Kastanie aus historischer und medizinischer Sicht. Das kleine Kraftwerk strotzt vor Vitaminen und Mineralien und soll außerdem einen „milden Sinn“ machen. So sah es schon Hildegard von Bingen. Warum die Äbtissin die Esskastanie als Universalheilmittel sah, erklärte Hildegard Stricker-Schmitt von der Internationalen Gesellschaft „Hildegard von Bingen“.

Neben dem Hinweis auf eine vertiefende Veranstaltung in der VHS warb Kling um die Teilnahme an einem Programm: Bis zu 1000 Personen will er finden, die jeden Tag 100 Gramm Kastanien verspeisen. Einen Sponsor hierfür habe er schon gefunden. Und mit Bürgermeister Peter Riehl den ersten Test-Esser.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung