Schriesheim im Bild 2023

04.02.2006

Altenbacher hatten kein Recht auf den „waidtgang

„Schriesheimer Jahrbuch 2005“: Die Transkription des Zentbuchs von 1692 eröffnet auch Einblicke in das Alltagsleben in Altenbach und Ursenbach
Von Stephanie Kuntermann

Schriesheim. Dem alltäglichen und weniger alltäglichen Leben in Altenbach und Ursenbach ist ein Teil von Johann Friedrich Zauhns Zentbuch aus dem Jahr 1692 gewidmet, das von Gerhard Merkel transkribiert und im Schriesheimer Jahrbuch 2005 veröffentlicht wurde.

Der Weg durch das Tal nach Altenbach war lang, „eine starcke stundt von Schrießheim undt eine halbe stundt von Urßenbach“, so der Schreiber. Das Dorf hatte keine eigene Gemarkung, sondern lag auf dem Allmendgebiet, also auf dem Genossenschaftseigentum des Schriesheimer Zehnt. Die Rechtslage war im „weißthumb“ festgelegt, einem ländlichen Gesetzbuch der damaligen Zeit. Dieses sah drakonische Strafen für die Dörfler vor: wer beispielsweise seine Wiesen oder sein Haus verwahrlosen und von Hecken überwuchern ließ, musste damit rechnen, verstoßen zu werden. Die Zehntbürger durften sich dann auf seinem Grundstück nach Belieben mit Holz versorgen. Die Situation gab des öfteren Anlass zu Streitigkeiten.

Die erste, die Eingang in die Zehnturkunden fand, spielte sich 1608 zwischen Schriesheim und Altenbach ab. Das Altenbacher Vieh, das dort nichts zu suchen hatte, war in den Allmendwald getrieben worden, um sich dort sein Futter zu suchen. Dagegen erhob der Schultheiß und Zehntgraf Johann Ortlepp entschieden Einspruch: die Altenbacher hatten kein Recht auf den so genannten „waidtgang“, denn der stand nur denen zu, die dem Zehnt unterstanden, Altenbach gehörte damals jedoch zum Bistum Worms. Zur Klärung wurden in dieser Zeit Grenzsteine gesetzt, die die Altenbacher im wahrsten Sinne des Wortes in ihre Grenzen verweisen sollten. 1625 wurden die Altenbacher wegen desselben „Frevels“, also kleineren Vergehens, angeklagt: die 16 Sünder wurden zu einer Geldstrafe von zehn Gulden verurteilt, nach Auffassung des Zehntgrafen, wahrscheinlich Thomas Buch, ein viel zu mildes Urteil. Hätte man sie nach dem weißthumb verurteilt, so wären sie verstoßen worden.

In späterer Zeit gab es Zwistigkeiten wegen einer Brücke, die zwischen Altenbach und Schriesheim über den Bach führte. Johann Friedrich Zauhn selbst war federführend, als es darum ging, Helfer, Sand und Kalk für die Reparatur der steinernen Brücke, die „shadhafft undt bawfällig“ war, zu organisieren. Es kam jedoch zu Streitigkeiten über die Zuständigkeit.

Schultheiß Hanns Wendel Hoffmann brachte nämlich vor, der Zehnt sei zur Reparatur verpflichtet, was Zauhn empört unter Verweis auf alte Rechnungen und Grenzsteine von sich wies: die Brücke liege nicht auf dem Allmendgebiet, wie Hoffmann das hatte „alberer weiß behaupten wollen“, sondern auf Schriesheimer Gemarkung. Man konnte sich nicht einigen, also wurde nichts getan, der Kalk, der schon zur Brücke geschafft war, verdarb, was der Schultheiß, so behauptet Zauhn, „boshafftiger weiß verursacht“.

Ruhiger ging es in Ursenbach zu. Es war sogar so ruhig, dass es im Dorf weder eine Schule noch ein Kirche oder ein Pfarrhaus gab. Die Kinder mussten in „Flockhenbach“ zur Schule gehen, die Familien besuchten die Kirche in Leutershausen. Die Ursenbacher mussten auch Frohndienste leisten, an denen die Kurpfalz zu zwei Dritteln, Graf Bettendorf in Leutershausen zu einem Drittel beteiligt waren. Zwei Tage im Jahr mussten die Bürger die „Krumme Wiese“ abmähen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung