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03.03.2006

Wenn Anwälte zu Decodern werden

Wenn Anwälte zu Decodern werden

Juristen und die Bibel: Werner Koczwara analysierte beide beim politischen Aschermittwoch der Grünen
Paragrafenreiterei in ihrer schönsten Form: Werner Koczwara am Mittwoch im Schriesheimer Zehntkeller. Foto: Dorn
Schriesheim. (ran) „Werde ich verstärkt?“ fragte Werner Koczwara ins Mikrofon – promt reagierte die Technik mit einem trommelfellstrapazierenden Dröhnen. Was er mit „diese Frage hätten wir dann auch beantwortet“ kommentierte.

Beim politischen Aschermittwoch der Grünen untersuchte der Kabarettist den Zusammenhang zwischen Juristen und der Bibel. Mit seinem Best-of-Programm: „Warum war Jesus nicht rechtschutzversichert?“ Darauf gab er zwar keine Antwort. Auch die Frage „was will uns die Justiz damit sagen?“ blieb in vielen Fällen offen. Dafür wissen wir nun, dass Comedy ihren Ursprung in den Löwenhetzen der Römer hat, dass jeder Deutsche durchschnittlich 15 Stunden im Gefängnis verbringt – „ein sehr guter europäischer Mittelwert“– und 0,07 mal während seines Lebens umgebracht wird. Apropos Mörder: Koczwara stellte fest, dass sich Deutschland Gefängnisse eigentlich gar nicht mehr leisten könne. „Wir haben nicht mehr das Geld, Verbrechen zu verbieten. Bei 1000 freien Mördern könnten wir den Rentenbeitrag sogar um 2,5 Prozent senken. Und flankiert von den frei herumlaufenden Mördern.... das senkt die Beiträge – mörderisch.“

Dunkelgrau war dieser Humor nicht mehr. Das Publikum wartete dann auch in regelrecht geduckter Haltung ängstlich auf die nächste hinterlistige Pointe. Die immer plötzlich aus dem Hinterhalt angriff. Keine Chance für die hilflosen Opfer.

Besonders böse auch die Rückblenden und Bezüge, die Koczwara herstellte und damit die absurdesten Episoden satirisch verknüpfte. Das warf dann schon mal die Frage auf, ob die deutsche Justiz es erlaubt, unangeschnallt auf einer rennenden Kuh ohne Freisprechanlage zu telefonieren. Auch Koczwara galoppierte. Und zwar auf dem Amtsschimmel durch die Gesetzestexte – Paragrafenreiterei in ihrer schönsten Form.

Formschön und nur schwer zu recyceln auch die beiden dicken Gesetzesbände: Denn Koczwara sezierte nicht nur die Inhalte, sondern analysierte auch die Äußerlichkeiten. Zum Beispiel den „Band Deutsche Gesetze“. Er wiegt 2385 Gramm (zum Vergleich: Die Bibel wiegt 1200 Gramm). Oder die „Verfassungs- und Verwaltungsgesetze“ von Sartorius. Für den Anwalt, der beide Werke mit sich herumschleppt, sozusagen ein „Ausgleichsbalast“. Und beide vielseitig verwendbar, zum Beispiel als „Einschlafhilfe“. Neben dieser Lektüre widmet sich Koczwara noch einer anderen: Er ist auch treuer Abonnent der „Neuen Juristischen Wochenschrift“: „Da stehen rasent lustige Dinge drin“.

Anwälte seien ja eigentlich gebührenpflichtige Dekoder: Denn das bürgerliche Gesetzbuch wurde vor über 100 Jahren geschrieben und sei besser verschlüsselt als heute Premiere. Überhaupt sind Juristen für Koczwara so zusagen die „Jäger und Sammler der linguistischen Urzeit. Sie können zwar Worte aneinander reihen aber sich ihrer Umwelt noch nicht verständlich machen“. Was übrigens auch den Unterschied zwischen Gesetzesbüchern und der Bibel ausmacht: Letzere wurde ins Deutsche übersetzt.

Sie half Koczwara auch bei der Beantwortung der folgenden Frage: Was war zuerst da, das Verbrechen oder das Gesetz? „Den Tathergang lesen Sie in der Bibel.“ Als mit Adam und Eva die Kriminalität begann.

Die Juristen und die Prediger, beides Ziele von Koczwaras wortgewandten Attacken. Umso passender, dass er Eigenschaften, die den beiden zugeschrieben werden, in seinen Parodien umsetzte: Koczwara leierte Paragrafen mit monotoner Stimme herunter oder deklamierte energisch und laut deren Auswirkung auf das reale Leben. Kein Schnickschnack, keine großen Gesten, kein Gehampel und keine Grimassen sondern Wortwitz in seiner reinsten Form: Koczwara reichten hier und da ein sadistisches Grinsen und Modulation in der Lautstärke seiner Stimme, um die Pointen immer treffsicher auf die Zuhörer loszulassen.

Die waren sparsam, was Zwischenapplaus angeht. Wahrscheinlich weil sie Angst hatten. Schließlich hatte sie Koczwara anfangs zu einer „Massenschlägerei“ aufgefordert. Dem „Nachbarn erstmal ordentlich eine brezeln“, damit der die Veranstaltung so schnell nicht wieder vergisst. Wer weiß, was passieren könnte, wenn man da ungefragt klatscht. Ungefragt gab Koczwara übrigens auch seine beiden Zugaben: „Die gebe ich immer, egal ob Sie klatschen oder nicht“. Und obendrein gab‘s eine dritte. Weil ihm das Schriesheimer Publikum so gut gefallen hat.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung