Schriesheim im Bild 2023

07.03.2006

„Und dann darf ich sogar reden“

Mittelstandskundgebung mit dem Ministerpräsidenten und „Stuttgarter Schwaben“ Günther Oettinger – Zuvor äußerte er sich auch zum Branichtunnel

Schriesheim. (cab) Günther Oettinger brachte Grüße von Lothar Späth mit. Sein Vorvorgänger im Amt des Ministerpräsidenten war ja insgesamt sechs Mal in Schriesheim – „öfter als Boris Becker in Wimbledon“, wie Oettinger meinte. Ihn beeindruckte die großartige Rednerliste in der langen Tradition der BdS-Mittelstandskundgebung des Mathaisemarktes: „Sie ist so hochrangig wie nirgendwo sonst“. Und warum das so ist, erfuhr der Landesvater gestern im Festzelt hautnah. Oettinger kam gut an in Schriesheim – und auch zuvor beim Rundgang durchs Zelt der Leistungsschau und beim Pressegespräch samt Gästebuch-Eintrag im Gästehaus Hauser sammelte er Punkte.

Er wurde hier auch auf seinen Brief vom vergangenen Dezember in Sachen Branichtunnel angesprochen (wir berichteten). Peter Riehl, damals noch Bürgermeister, hatte ihn mit den Worten interpretiert: „Der Tunnel wird gebaut“. Oettinger dazu gestern: „Ich würde dem Alt-Bürgermeister nie widersprechen. Ich glaube, er hat Recht.“ Im Ernst: Oettinger unterstrich die Relevanz dieses „ehrgeizigsten Projekts“ und sagte: „Ich kenne wenige, die so dringlich sind. Wir werden die Finanzierung hinbekommen“. Er strebe für die nächste Legislaturperiode (am 26. März ist Landtagswahl!) Kürzungen an, „in dieser Sache aber nicht.“ Außerdem sei im Ländle noch kein Planfeststellungsbeschluss verfallen, so der Ministerpräsident.

Zweites Thema: Cafeteria im Schulzentrum. Die Stadt war sich diesbezüglich nicht sicher, ob es nach IZBB überhaupt ein neues Förderprogramm für den Ausbau der Ganztagesschulen geben wird. Dazu Oettinger: „IZBB hat vorne und hinten nicht gereicht. Und die Entwicklung ist nicht abgeschlossen. Es wird ein neues Programm aufgelegt.“ Es soll über den Zeitraum von neun Jahren rund eine Milliarde Euro stark sein. „ Wir nehmen Anträge entgegen für alles, was den Ganztagesausbau betrifft.“ Dann kann die Stadt ja loslegen mit der Antragstellung. Oettinger freute sich, in Schriesheim bei der Mittelstandskundgebung zu sein, „einer Veranstaltung, die älter ist als ich und als Karl A. Lamers. Und das will was heißen“. Da lachte auch der Bundestagsabgeordnete. Der Ministerpräsident scherzte, es sei nicht selbstverständlich, dass er „als Stuttgarter Schwabe“ überhaupt in Schriesheim sein dürfe. „Und dann darf ich sogar reden.“ Besonders freute er sich auf den Wein nach der Kundgebung „mit dem Alt-Bürgermeister“. Das dürfte Riehl gut getan haben, den die Präsidentin des Landes-BdS, Dorothea Störr-Ritter, im Festzelt übrigens als „großen Kämpfer an unserer Seite“ begrüßte. Das Zelt reagierte begeistert. Oettinger nahm sich zuvor viel Zeit bei seinem Rundgang mit Bürgermeister Hansjörg Höfer durch die Leistungsschau. Auf dem Weg dorthin ließ sich Oettinger mit Käthe Hauser fotografieren. Im BdS-Zelt sprach er mit vielen Ausstellern, nahm einen Schluck am Welde-Stand, wechselte mit Feuerwehr-Kommandant Oliver Scherer ein paar Worte und schunkelte mit den „Montagsmädels“ des TV, die gleich mal lautstark das „Schriesemer Lied“ anstimmten.

Diese Spontaneität des Ministerpräsidenten gefiel Höfer: „Sie sind schon bestens angekommen in Schriesheim“, sagte er in seiner Begrüßung des Gastes im Festzelt. Doch Höfer hatte nicht nur Nettigkeiten parat. Als Kommune fühle man sich vom Land manchmal alleine gelassen. Immer mehr Aufgaben würden auf die Städte und Gemeinden abgewälzt – ohne finanziellen Ausgleich. „Wir haben kein Geld mehr für Sanierungen. Wir investieren weniger als vor zehn Jahren.“

Wenn Oettinger einen ausgeglichenen Landeshaushalt ankündige, befürchte er weitere Belastungen, so Höfer. Der Bürgermeister forderte eine Unterstützung des Mittelstandes und kleinerer Betriebe. Sie seien das Fundament für Arbeitsplätze, „und nicht die Großindustrie. Sie ist flüchtig. Die kleinen und mittelständischen Betriebe bleiben hier.“ Oettinger hörte es mit ernster Miene. Das Festzelt nahm seine Rede anschließend freundlich auf – tobte aber nur, als er Riehl als den „Alt-Bürgermeister und Großmeister“ begrüßte. Es ist eben nicht Oettingers Art, ein Festzelt zum Beben zu bringen. Stehende Ovationen gab es für den Ministerpräsidenten am Ende aber trotzdem.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung