Schriesheim im Bild 2023

10.04.2006

Mehr als eine „haarige Angelegenheit“

Mehr als eine „haarige Angelegenheit“

„Schriesheimer Frisuren und Köpfe“: Die Osterausstellung im Alten Rathaus wurde am Sonntag eröffnet – Zu sehen ist sie bis zum 23. April

Schriesheimer Köpfe im Alten Rathaus, zum Beispiel „Frau Sommer“, wie in der Mitte unseres Bildes zu sehen: Die Schriesheimer Floristinnen haben sie und andere kreiert. Foto: Dorn
Schriesheim. (keke) „Nimm dich in acht vor ihren schönen Haaren, vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt. Wenn sie damit den jungen Mann erlangt, so lässt sie ihn so bald nicht wieder fahren“, warnt Goethe schon in seinem „Faust“. Die Geschichte der Frisuren und der darunter befindlichen Köpfe ist so alt wie die Menschheit selbst. Was in gleichem Maße auf diejenigen zutrifft, die seit Jahrhunderten dafür sorgen, dass es im „Zaubergarten des Haares“ sprießt, wächst und gedeiht.

Nicht umsonst werden Frisöre auch als „Gärtner“ bezeichnet: Bedarf der Zaubergar-ten des Haares doch der sorgsamen Pflege, wenn er seine volle Schönheit entfalten soll. „Gärtner der Schönheit und der Mode zu sein, das ist die wundervolle Aufgabe des Frisörs“, hieß es beispielsweise zur Zeit des Rokoko, als die Damenwelt mittels feder- und schmucküberladener Hochfrisuren Stimmungen und Erlebnisbereiche präsentierte. Diese wurden vordergründig durch effektvolle Dekorationen dargeboten, den Kopf benutzen sie aber nur noch als unbedeutende Basis gewagter Konstruktionen.

„Schriesheimer Frisuren und Köpfe“ zeigt auch die traditionelle Osterausstellung von Stadtarchiv, Volkshochschule und Odenwaldklub im Alten Rathaus, für die Schriesheims Haarkünstler ihre eigenen Kreationen und Kostbarkeiten zur Verfügung gestellt haben.

Gestern wurde sie von Bürgermeister Hansjörg Höfer unter Mitwirkung der Klasse drei der Strahlenberger Grundschule musikalisch und literarisch stilvoll eröffnet. Dass das Ganze nicht nur eine „haarige Angelegenheit“ oder, so Höfer, „mehr als nur Cut and Go“ darstellt, ist über zwei Stockwerke hinweg aber auch dank der Schriesheimer Floristen als „Kunst an der Person“ nachzuvollziehen. Frisöre wurden früher auch Bader oder Barbiere genannt, stellte Friederike Meyen-schein die Verbindungen zwischen Antike und heutiger Zeit her. Denn nicht nur Frisuren gehörten zu deren Handwerk, so die Vorsitzende des OWK, sondern, wie in der Ausstellung gleichfalls zu bewundern, das Rasieren der Männer, die kunstvolle Bartgestaltung und die Kunst des Perückenherstellens.

Ebenfalls wichtig, so Friseurmeister Georg Hartmann als einer der diesbezüglich exponiertesten Schriesheimer Haarkünstler, war und ist das zwischenmenschliche Vertrauen. Der Rolle des Barbiers als gut informierte Nachrichtenquelle wie seine Beichtvaterfunktion hat sich bis in die heutige Frisörszeit erhalten. „Mir haben Kunden während des Haareschneidens oft mehr erzählt als ihrem Hausarzt“, Hartmann, der sich nicht zuletzt als „Maskenbildner“ bei Theateraufführungen der Schriesheimer Gesangsvereine einen klangvollen Namen erworben hat, weiß, wovon er spricht.

Das waren noch Zeiten, als die Damenwelt ihre Haare mit Haarspray an Ort und Stelle festnagelte, die Frisuren beim Hochtoupieren á la Farah Diba unendlich viel Wartungsarbeit erforderten „und doch nie richtig saßen“: 2,20 Mark für einen Herrenschnitt und 50 Pfennig fürs Rasieren kostete die Kopf-Verschönerung Mitte der 50er Jahre, für „Waschen und Legen“ waren von der Damenwelt 3,50 Mark und für eine Dauerwelle zwischen 10 und 12 Mark zu berappen, plauderte Hartmann aus dem Nähkästchen. Fünf Mark pro Woche, die jeweils samstags ausbezahlt wurden, verdiente 1954 ein Lehrmädchen „und montags war Salonputzen angesagt“.

Vom 18 Kilogramm schweren „Haardauerwellenapparat mit Flachwicklung“ anno 1930 über im Ofen zu erwärmende Onduliereisen und Tressierrahmen für Zöpfe, Kardätschen, Kordelmaschinen sowie Stoff- und Holzköpfe zur Perückenverarbeitung reichen die Exponate. Ein wohl weltweites Unikat dürfte dazu das Dauerwellengerät darstellen, das aus dem Blech eines während des Zweiten Weltkriegs auf einem Schriesheimer Acker abgestürzten Flugzeugs hergestellt wurde.

Nicht fehlen darf natürlich Schriesheims größter Friseursalon Heinrich Simon, aus dessen Familie gleich vier Friseurmeister kommen. Und gleich mit mehreren Vitrinen extravaganter Haarkreationen vertreten ist der im Jahre 2000 verstorbene ehemalige Schriesheimer „König der Figaros“, Henry Diehm, die VHS-Leiter Frank Röger dem Museum in Altlußheim abluchsen konnte.

Bleibt die Floristengilde, die die Schriesheimer Köpfe auf ihre blumige Art zum Blühen bringt und die Familien Kohl(kopf) und Stein ebenso kreativ aufblühen lässt wie Frau Mai(glöckchen) und Frau Blume(nbeet). Und sich zum guten Schluss auch daran verkünstelte, wie „Frau Sommer aus Ursenbach ihre Sommersprossen verliert“.

INFO: „Schriesheimer Frisuren und Köpfe“ – aus dem Fundus ehemaliger Frisörgeschäfte, noch bis Sonntag, 23. April, im Alten Rathaus. Geöffnet Ostersonntag und Ostermontag von 11 bis 17 Uhr. Am Mittwoch, 19. und Samstag, 22. April von 14 bis 17 Uhr und am 23. April von 11 bis 17 Uhr.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung