Schriesheim im Bild 2023

20.11.2006

Die Getöteten treten mit ihren Namen vor uns

Die Getöteten treten mit ihren Namen vor uns

Schriesheim. Stolpersteine, Grenzsteine, Steine des Anstoßes: Gestern wurden die Bronzetafeln an der umgestalteten Kriegsopfergedenkstätte enthüllt

Die Feierstunde mit der Enthüllung der sieben Bronzetafeln stieß auf große Resonanz der Bevölkerung und der Vereine. Auch der SWR berichtete zwei Mal in seinem dritten Fernsehprogramm. Alle Schriesheimer Gesangvereine gestalteten die Gedenkfeier mit. Die fünf Astgeflechte in Kugelform, die an den Denkmalen platziert waren, symbolisierten die fünf Kontinente. Fotos: Dorn
(cab) "Wir können heute die in Jahrzehnten in ihrer Gestalt gewachsene Gedenkstätte mit einem sehr wichtigen Baustein ergänzen", sagte Bürgermeister Hansjörg Höfer: Gestern wurde im Rahmen der Gedenkfeier zum Volkstrauertag die neugestaltete Kriegsopfergedenkstätte eingeweiht. Sieben Bronzetafeln tragen die Namen aller 258 Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkriegs sowie der acht Euthanasie-Opfer, der drei Opfer im Widerstand, eines Opfers der Judenverfolgung sowie von 20 jüdischen Schriesheimern, die aus anderen Orten deportiert und ermordet wurden. "Nun wird das Denkmal für den Zweiten Weltkrieg unter der Überschrift ’Unseren Toten’ alle Schriesheimer Opfer vereinen", so Höfer.

Nach der Eröffnung der Feierstunde durch den Posaunenchor und die Rezitation des Gedichts "Heimkehr" von Anneliese Pflücker durch Jugendgemeinderatsmitglied Hannes Künemund hielt VdK-Ortsvorsitzender Karl-Heinz Grüber ein Plädoyer für den Volkstrauertag. Über 60 Jahre nach Kriegsende werde der Gedenktag zunehmend in Frage gestellt. Das sei vielleicht erklärbar, so Grüber, denn: "Wer hat die Toten noch gekannt?". Jedoch brauche die Gesellschaft diesen Tag. Denn in Zeiten, in denen die Angst vor Terror die Angst vor Krieg ersetze, gelte es, den Millionen von Opfern des Krieges und der NS-Schergen sowie der Kriegsversehrten und heimatlos gewordenen Deutschen zu gedenken. Wer an das Gute im Menschen glaube und Hoffnung habe, werde an diesem Tag des Innehaltens zum Guten bewegt. "Wenn wir nur wollen, dass die Welt ein bisschen friedlicher wird", so Grüber, dann sei der Einsatz zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde ebenso gefragt, wie das Engagement für die geistigen und kulturellen Werte der Gesellschaft.

Die Enthüllung der Namenstafeln sei eine große Hilfe im Erinnern an die Gefallenen und Ermordeten, sagte Pfarrer Lothar Mößner als Vertreter der christlichen Kirchen: "Denn so treten die Getöteten mit ihren Namen vor uns." Der Name gebe jedem Toten seine ihm eigene, unverletzbare Menschenwürde, denn der Name stehe für einen Menschen selbst, für seine ganze Person.

Der Mensch sei erfinderisch, wenn es darum gehe, andere Menschen zu verunglimpfen, zu unterdrücken oder gar fertig zu machen. "Es ist deshalb richtig, und es tut uns allen gut, wenn in Schriesheim 61 Jahre nach Kriegsende endlich auch die Namen der Kriegstoten aufgeschrieben und genannt werden", so Mößner, der daran erinnerte, dass es auch ein Erbe des jüdisch-christlichen Glaubens sei, dass der Name eines Menschen eine große Bedeutung und "unsere Kultur mitgeprägt" hat. Der Pfarrer wünschte sich, dass die Bronzetafeln zu "Stolpersteinen" werden mögen, "deren Namen uns wachrütteln". Dass sie "Grenzsteine" werden auf dem Weg des Friedens und der Gerechtigkeit, und dass sie "Steine des Anstoßes" werden zu einem friedfertigen Leben. Mit seinem "doppelten Gesicht", so Bürgermeister Höfer in seiner Ansprache, werde das neue Denkmal in schlichter und eindrucksvoller Weise dem Anliegen des Volkstrauertages gerecht, das Schicksal und Leid der Kriegstoten und der Opfer der Gewaltherrschaft ins Gedächtnis zu rufen... ...mehr im RNZ E-Paper

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung