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13.12.2006

Oft funktioniert auch die „Mitleidstour"

Von Stephanie Kuntermann

Vor Raubüberfällen und Einbrüchen schützen sich viele ältere Menschen, sind aber oftmals erstaunlich leichtsinnig, wenn sich Betrüger auf freundliche Weise Zutritt zu ihren Wohnungen verschaffen. Über dieses Thema klärte Horst Engelmann, Erster Kriminalhauptkommissar a.D., auf Einladung des OWK bei einer Veranstaltung im Hotel "Zur Pfalz" auf.

Die Hilfsbereitschaft älterer Menschen wird mit verschiedenen Tricks ausgenutzt. Beliebt ist der "Enkeltrick": Hier gibt sich der Betrüger als Freund des Enkels aus, der gekommen ist, um für diesen Bargeld abzuholen. Unter "Mitleidstour" fungieren alle Tricks, in denen dem Opfer eine Notlage vorgespielt wird. Jemand möchte ein Glas Wasser, eine Tablette, Schreibzeug, etwas beim Nachbarn abgeben. Die Geschichten variieren. Immer will der Täter Zutritt zur Wohnung. Oft treten zwei Täter auf: Während der eine das Opfer ablenkt, durchsucht der andere die Wohnung.

"Vorgetäuschte amtliche Eigenschaften" appellieren an den Bürgersinn: Die Täter geben sich als Polizisten aus. Andere geben vor, Handwerker, Sanitäter, Gerichtsvollzieher oder sogar Priester zu sein. Bei Polizisten sollte man sich unbedingt Ausweis und Dienstmarke zeigen lassen: "Ein echter Polizist hat immer beides bei sich, und auf Ausweis und Marke steht immer eine identische Nummer", so Engelmann: "Lassen Sie keine Fremden in Ihre Wohnung, denn wenn die Täter erst einmal drin sind, kann man ihre Tricks kaum mehr durchschauen. Sie sollten sich immer fragen, warum die Leute gerade bei Ihnen klingeln. Wer ein Kreislaufproblem hat, der geht doch zum Arzt oder zur Apotheke und klingelt nicht bei Fremden." Wer um ein Glas Wasser bittet, dem kann das Glas auch herausgereicht werden. Genauso ist es mit Zettel oder Schreibzeug. Auf jeden Fall sollte die Haustür immer mit Kette oder Sperr-Riegel gesichert sein.

Auch die Masche, sich als alter Bekannter auszugeben, ist der Polizei bekannt. "Wir haben alle gelernt höflich zu sein. Also geben wir es nicht zu, wenn wir einen Menschen noch nie vorher gesehen haben."

Diese "Bekannten" spiegeln Notlagen vor, bitten um Geld oder drehen den Opfern so genannte "Blenderware" an, oftmals wertlosen Plunder wie billige Teppiche oder falsche Lederjacken. Der Schaden durch solche Gaunereien kann fünfstellige Summen erreichen, wenn beispielsweise aus Gefälligkeit eine ganze Wagenladung vermeintlich wertvoller Teppiche angenommen und bezahlt wird.

Die Veranstalter von Kaffeefahrten würden sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen: Niemand müsse bei diesen Veranstaltungen die oft minderwertigen, überteuerten Waren kaufen. Ein eindeutiger strafrechtlicher Tatbestand liegt erst vor, wenn die Besucher die Veranstaltung nicht mehr verlassen dürfen. Dazu Engelmann: "Machen Sie sich klar, dass die Veranstalter nichts zu verschenken haben: Bus, Geschenke, Essen und der Saal im Restaurant kosten Geld, und das ist vom Reisepreis oft nicht gedeckt. Wenn aber mindestens zehn Personen ein Luftsprudelbad zu 1000 Euro kaufen, dann macht der Veranstalter einen satten Gewinn."

Auch hier wird mit psychologischen Tricks gearbeitet: Man appelliert an den "Anstand" der Leute, die gerade ein Mittagessen bekommen haben, doch "nur kurz" der "informativen Veranstaltung" beizuwohnen und nebenher noch ein "Schnäppchen" zu machen. Der Gesetzgeber ist hier aber auf der Seite der Teilnehmer: Die Kaffeefahrt gehört wie der unbestellte Vertreterbesuch oder das dem "Drücker" abgekaufte Zeitschriften-Abo zu den Haustürgeschäften – hier hat der Bürger ein vierzehntägiges Widerrufsrecht.

Bei der Unterschrift unter einen Kaufvertrag sollte man aber unbedingt darauf achten, dass das richtige Datum darunter steht: "Unseriöse Veranstalter datieren den Vertrag oft zurück, so dass Sie um Ihr Recht gebracht werden."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung